…nachdem du dieser Tage wieder einmal in die erste Bundesliga aufgestiegen bist, ist mir klar geworden, dass ich dich gar nicht so richtig kennen. Dabei bist du gerade 123 Jahre alt geworden und begleitest mich den größten Teil meines Lebenswegs. Und das sind bei mir mittlerweile gut 60 Jahre. Natürlich ist mir klar, dass man einen Fußballverein nicht so sehen kann oder sollte wie ein menschliches Wesen. Aber, ja, du bist auch ein Lebewesen. Ungefähr so wie ein Bienenvolk oder ein Ameisenstaat.

In beiden spielt das einzelne Individuum keine große Rolle. Und: Wie bei diesen sozialen Insekten leben das Volk bzw. der Staat weiter, wenn die einzelnen Tierchen längst gestorben sind. Vermutlich wirst du, liebste Fortuna, auch weiter existieren, wenn ich längst unter der Erde liege. So wie du Generationen von Mitglieder, Funktionären, Spielern, Trainern, Betreuern und auch Anhänger überlebt hast. Aber, jeder, der mit dir mehr zu tun hatte als ein x-beliebiger Zuschauer, hat dein Wesen mitgestaltet. Weil aber die Düsseldorfer – und die übergroße Mehrheit der Mitgestalter waren und sind Bürger dieser Stadt – eine ziemlich uneinheitliche Gemeinschaft darstellen, warst du auch nie ein eindeutig beschreibbares Wesen.

Vielleicht ist es das, was mit dem Kosewort „launische Diva“ gemeint ist. Du warst mal Arbeiterverein, mal Bühne für typisch rheinische Großmäuler, mal strahlende Heldin, mal Lumpenweib oder gar Schlampe – nie pflegeleicht, immer einen Hauch hysterisch. Und so hast du immer wieder die Menschen, die dich geliebt haben, an den Rand der Verzweiflung getrieben. Mich auch. Mir geht es mit dir aber wie mit einer Gattin, mit der ich den goldenen Hochzeitstag schon hinter mir hätte. Manchmal gehst du mir tierisch auf die Nerven, manchmal hasse ich deine Macken, aber am Ende zählt einfach die lange, lange gemeinsam durchlebte und durchlittene Zeit.

Manche, denen es ähnlich geht, greifen zu großen Begriffe, reden von Liebe und davon, dass die ein Leben lang und bis zum Tod halten wird. Die Erfahrung zeigt etwas anderes. So viele deiner Freunde und Anhänger sind an dir verzweifelt und haben sich irgendwann von dir abgewendet. Manche für immer, manche nur eine Zeit lang. Beides kann ich gut verstehen. Deshalb freue ich mich auch darüber, dass ganz, ganz viele Menschen, die in einer der vielen dunklen Perioden deiner Geschichte abtrünnig geworden sind, jetzt wiederkommen und einsehen, dass sie ohne dich nicht leben können. Genauso sehr freue ich mich über all die vielen Düsseldorferinnen und Düsseldorfer, die genau jetzt zu dir gefunden haben – und dir vielleicht auch über Jahrzehnte treu sein werden.

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