…bevor wir auf das stetige Sterben der Lokalredaktionen kommen, ein kleiner Exkurs in Sachen „Kapitalismus“. Für einen Kapitalisten, also eine Person, die Kapital in eine Unternehmung investiert hat, sind Löhne und Gehälter nur Kosten, die den Gewinn schmälern. In den Zeiten als Unternehmer im Kapitalismus noch so etwas wie ein soziales Gewissen hatten, haben diese a) nicht versucht, den Profit um jeden Preis zu maximieren, und b) regelmäßig versucht, die Kosten durch Rationalisierung und Einsatz neuer Technik zu minimieren. Im heutigen neoliberalen Turbokapitalismus greift der Manager, der den*die Anleger*innen für einen Judaslohn vertritt bei jedem Rückgang der Gewinnerwartung sofort zu dem, was mit maximalem Euphemismus „Personalanpassungen“ genannt wird. Im Klartext: Es werden möglichst viele Leute rausgeschmissen. Und weil die Arbeit in der Regel nicht weniger wird, müssen die Verschonten für dieselbe Kohle eben mehr wullacken. Das ist in der Zeitungsbranche nicht anders.

Wobei sich die Verlagshäuser und Druckereien in dieser Branche über Jahrzehnte an geradezu aberwitzigen Profiten erfreuen konnten. Wenn du aber jahrelang – sagen wir – einen Gewinn von an die 20 Prozent vor Steuern mit dem Herausgeben einer Tageszeitung gemacht hast, dann tut der Rückgang auf – sagen wir – 10 Prozent schon weh. Und weil sich eben seit Reagan und Thatcher weltweit die neoliberale Idee der radikalisierten Marktwirtschaft durchgesetzt hat, werden Herr und Frau Verleger*in bzw. die gewissenlosen Manager die Kosten senken und eben Personalanpassungen vornehmen wollen. Womit wir beim traurigen Fall sind, der als „Westdeutsche Zeitung“ bekannt ist. Zitieren wir mal die Wikipedia:

Der Girardet-Verlag ist heute mit 6,7 % an der Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH, der Holding der Rheinischen Post, direkt beteiligt. Obwohl beide Zeitungen im Bereich Düsseldorf Konkurrenten sind, kooperieren sie: Die Rheinische Post druckt die Westdeutsche Zeitung in der eigenen Rheinisch-Bergischen Druckerei, außerdem organisiert die Rheinische Post die Verteilung und beide Zeitungen geben gemeinsame Anzeigenblätter heraus.
Ende 2009 arbeiteten rund 300 Journalisten für die Westdeutsche Zeitung, Ende 2012 sollen es nur noch knapp 200 sein. Die damit verbundenen Kündigungen rechtfertigte der Geschäftsführer mit dem Medienwandel. Innerhalb von zehn Jahren sank die Auflage um über 36 Prozent.
Ende März 2014 wurde bekannt, dass die Anzahl der Redakteure auf 50 halbiert werden soll. Die bislang von der WZ erstellten Lokalausgaben für den Kreis Mettmann, am Niederrhein und Neuss sollen künftig von der Rheinischen Post bezogen werden. Die Internetinhalte sind seit Ende April 2016 nach fünf Minuten am Tag nur noch mit einem kostenpflichtigen PaidTime-Konto zugänglich. [Quelle: Wikipedia]

Na, klingelt’s? Auf sinkende Umsätze hat der Girardet-Verlag mit Personalanpassungen reagiert. Fragt sich nur, warum die Auflage der WZ so dramatisch gesunken ist. Logisch: Man hat das Internet verpennt und verpennt es immer noch. Denn wer möchte überhaupt länger als fünf Minuten den WZ-Content lesen, also dafür bezahlen müssen. Ja, wenn der Content gut wäre, web-affin geschrieben und aufbereitet, zum Beispiel wenigstens mit weiterführenden Links versehen. Aber, nein, man lässt die Redakteur*innen weiter so schreiben, als würde das Geschriebene später gedruckt. Und weil immer weniger Journalist*innen immer mehr Inhalte zu liefern hatten, nahm die Qualität des Content ab.

Übrigens: In den Zeiten als Tageszeitungen noch wichtig waren, haben die Redaktionen sich ihre Nachrichten selbst geschrieben – und vorher eigenhändig recherchiert. Heute beziehen sie die sogenannten „News“ zum überwiegend Teil von Agenturen, also auch von sogenannten „Newshuntern“, die Polizei- und Feuerwehrfunk abhören und im Fall eines Falles rasch vor Ort sind, um Fotos zu schießen, die sie dann an die Tageszeitungen verticken. Die Informationen, aus dem ein die Bilder begleitender Artikel entsteht, stammen dann in aller Regel von der Polizei oder Feuerwehr – was die twittern, muss dem*der armen Redakteur*in reichen. Die Sensationspaparazzi beliefern aber beileibe nicht ein Organ exklusiv, sondern verkloppen ihre voyeuristisches Bildmaterial am liebsten an alle Medien. So kommt es, dass in allen Tageszeitungen dasselbe steht.

Nun sind ja die Massenmedien qua Grundgesetz Organe der Meinungsbildung. Meinung bildet sich aber dadurch, dass man Informationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln bekommt, dazu belastbare Daten und Fakten, dass man verschiedene Meinungen hört und liest, die Argumente verschiedener Positionen findet und viel und ausgiebig diskutiert. Wenn aber Fotos wichtigste Bestandteile der Berichterstattung sind und Hintergrundinformationen fehlen, dann tragen Tageszeitungen eben nicht mehr zur Meinungsbildung bei. Vor allem dann nicht, wenn sie eine politische Agenda haben. Die muss nicht so extremistisch sein wie die der BILD (übrigens auch in deren jeweiligen Lokalausgaben), sondern eher subkutan verabreicht werden wie hierzulande durch die Rheinische Post. Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen die RP noch voll auf Linie des konservativen Bürgertums schwamm, aber ein festes Weltbild will das Blatt schon vermitteln.

Und nun bezieht die WZ, deren Düsseldorfer Lokalredaktion dichtgemacht wurde, lokale Inhalte eben von der RP. Das heißt: Der geschätzte Kollege Uwe-Jens Ruhnau schreibt nicht mehr nur für die Rheinische Post, sondern eben auch für die WZ – natürlich über dieselben Themen, ja, manchmal wird ein Artikel eben in beiden Zeitungen veröffentlicht. Konkret heißt das aber, dass es nur noch drei Lokalredaktionen für hiesige Print-Medien gibt: RP, BILD und Express. Und wie es aussieht hat die Lokalredaktion des kölschen Express auch kein langes Leben mehr vor sich.

Und, was machen wir Konsument*innen jetzt? Wie können wir uns unabhängig über Lokales informieren? Da kommt das weltweite Web ins Spiel, das es jedermann und -frau ermöglicht, mit minimalen technischen Kosten eine lokale Online-Zeitung zu publizieren. In unserem schönen Städtchen sind das eben The Düsseldorfer, die Neue Düsseldorfer Online-Zeitung und report-d. Diese Angebote voller News-, Nutz- und Unterhaltungswerte lassen sich aber immer noch sehr schwer finanzieren. Das kann und wird sich ändern. Sie, lieber Düsseldorfer Tageszeitungsleser*innen haben es in der Hand

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