…über einige Zeit warst du mein Lieblingshörfunksender. Als alter Sack von 67 Jahren habe ich mich an deinem Musikprogramm mit den Hits meiner jungen Jahre erfreut und manche alte Perle wiederentdeckt. Aber irgendwann hat dich die Kölner Krankheit – auch „kölsch Jeföhl“ genannt – erwischt, eine besonders schwere Form der Selbstbesoffenheit. Und nun versendest du jeden Müll, den irgendein kölsches Kehlchen je geträllert hat – sogar Songs von Wolf Maahn! Den Vogel hast du aber mit der Hymne der dümmsten Hühner abgeschossen: Viva Colonia – im Nachmittagsprogramm außerhalb der Karnevalszeit.

Objektiv betrachtet hat die Kölner Popmusik (ausgenommen natürlich die Gruppe Can) in den letzten 60 Jahren nichts Eigenes hervorgebracht. Die guten Karnevalslieder waren bis ca. 1960 alle schon geschrieben, und die hochgelobte Volkstanzgruppe Brings beklaut systematisch die keltische Musik. Alles Kölsche für das Beste, Bunteste, Schönste und überhaupt Größte zu halten (siehe oben: Kölner Krankheit) ist eine Verblendung, der vor allem die Immis verfallen. So nennen Echt-Kölner die Zugewanderten.

Ständig in sentimentales Geseiere von der schönsten Stadt der Welt zu verfallen, hat der Eingeborene nämlich nicht nötig. Ich weiß das: Einige meiner guten Freunde sind nämlich echte Kölner. Die am heftigsten infizierten Immis sind übrigens die aus Westfalen, einem schönen, aber drögen Landstrich, der vor allem Hörfunksprechpuppen hervorbringt. Ein Großteil davon landet – nach dem Umzug nach Köln – früher oder später beim WDR4 und bemüht sich mächtig, kölscher zu sein als der kölscheste Kölner.

Dass man im Domdorf mit der Bahnhofskapelle ohne Uhr und dem Hund-mit-Hörner-Fußballverein neidisch auf das schöne, kultivierte, weltoffene und tolerante Düsseldorf ist, weiß man schon seit Langem. Also neigt der fanatisierte Immi dazu, die Landeshauptstadt einfach zu ignorieren. Lieber WDR4, ich bin Düsseldorfer von Geburt und Überzeugung und habe in all den Jahren viele musikalische Entwicklungen in der Stadt mitbekommen. Ich bin Kraftwerk und den Toten Hosen sozialisiert. Als der von euch heiliggesprochene Wolfgang Niedecken sich noch mit niedlichen Bob-Dylan-Parodien durchs Land geschleimt hat, erlebten wir schon die Elektromusik der dritten Generation.

Übrigens: „Autobahn“ von Kraftwerk war in den Siebzigerjahren ein Tophit. Ihr rühmt euch ja, diese Hits zu spielen, aber Kraftwerk (oder gar La Düsseldorf, die ebenfalls einen Top-Ten-Hit hatten) kommt bei euch nicht vor. Und schon gar nicht die Toten Hosen, die aus Düsseldorf kommend zu einer der erfolgreichsten Bands Deutschlands geworden sind. „Hier kommt Alex“? Fehlanzeige. Nicht einmal den Gassenhauer von den 10 Jägermeistern nehmt ihr mal ins Programm.

Stattdessen quält ihr alle Nicht-Kölner (die ungefähr 93 Prozent der Einwohner Nordrhein-Westfalens ausmachen) nicht nur mit minderwertiger Kölschmusik, sondern entblödet euch nicht, immer wieder Songs der Reim-dich-oder-fress-dich-Knödel der Sorte Bendzko, Bourani, Giesinger, Oerding, Revolverheld einzustreuen, wo Kalendersprüche mit dem immergleichen Coldplay-Kram unterlegt und viel Oho-oh-oh unterlegt vertont werden.

Kurz und gut: Das war’s mit uns beiden. Auf den Speicherplatz 1 eines Autoradios ist jetzt Antenne Düsseldorf gerutscht, die zwar auch nur das übliche Privatradiogedudel bringen, mich aber wenigstens über das Geschehen in meiner Stadt informieren. Auf Platz 2 habe ich Deutschlandfunk befördert, und der WDR2 – verrückt genug – ist auf der dritten Position gelandet. Und damit ich bei Bedarf immer die schönen alten Sachen aus den 60ern, 70ern, 80ern und 90ern hören kann, habe ich Spotify auf dem Smartphone, eine passende Halterung dafür sowie eine schöne Bluetooth-Box in der Karre. Man muss sich nur zu helfen wissen…

Ein Kommentar

  1. B. Lockwart am

    Oh Gott. Antenne Düsseldorf, tagsüber, nüchtern: geht bei mir gar nicht.
    Ich bin unterwegs inzwischen fast komplett radiolos unterwegs, nachdem WDR cosmo seine Playlists auch gestreamlined hat. Dafür höre ich Podcasts, beruflich bedingt in der Regel Wissenschaftspodcasts.
    Ich kann unbedingt Holger Klein mit seinen verschiedenen WRINT Podcasts empfehlen, auch dessen Resonator-Reihe.