Ja, ja, viele Menschen hassen Rosenkohl – die dürfen jetzt was anderes lesen. Kulinarisch hat der winzige Kohl auch nie Karriere gemacht, wenn, dann nur in gerösteter Form oder in einzelne Blätter zerrupft. Bei uns zu Hause gab’s im Herbst regelmäßig die Dinger, die in englischer Sprache „Brüsseler Sprossen“ heißen, und zwar nach einem Rezept meiner Mutter, das sie „Rosenkohlklöpschen“ nannte. Nach den Standards eines freundlichen Umgangs mit dem Produkt und den Vorstellungen einer halbwegs feinen Küche eine schlimme Zubereitungsart, aber eben genau das, was heute „Soul Food“ heißt, also Herz und Seele erwärmt, wenn der Herbst feucht und kühl wird.

Ob meine Mutter so etwas wie eine Idee bei der Sache hatte, ist nicht überliefert. Dass sie auf die Kombination aus Rosenkohl, Fleischklößchen und Kartoffeln gekommen ist, hat vermutlich mehr damit zu tun, dass sie ganz gute Königsberger Klopse konnte und keine Angst davor hatte, die Sprossen und Salzkartoffeln angemessen zu garen, als damit, dass drei verschiedene Zutaten in Klopsform und gleicher Größe zusammengebracht werden. Das alles als eine Art Eintopf, gebunden durch eine ordentliche Mehlschwitze (für die meine Mutter – oh Graus! – immer Margarine verwendete). Kaum zu glauben, aber wahr: Rosenkohlklöpschen war das allererste Gericht, dass ich vor ungefähr 50 Jahre eigenhändig zubereitet habe. Es war übrigens an einem Karnevalsfreitag, an dem später „Mainz wie es singt und lacht“ lief. Seitdem koche ich das, habe über die Jahre viel experimentiert und vor ca. 20 Jahren die heutige Variante festgeschrieben.

Die Zutaten (für 4 gute Portionen):

1.200 g Rosenkohl
600 g Kartoffeln
400 g gemischtes Hack
1 Ei
1 altbackenes Brötchen
2 mittelgroße Zwiebeln
ca. 1 l Gemüsebrühe
1,5 EL Butter
1 EL Mehl
Salz, weißer Pfeffer, Muskatnuss, Zitronensaft

Die Zubereitung:

Natürlich werden alle drei Komponenten separat gegart. Als erstes würfelst du beide Zwiebeln und schwitzt sie sanft in ein bisschen Butter an. Das Brötchen weichst du in lauwarmem Wasser ein, drückst es nach einer Weile ordentlich aus und zerfetzt es. Tipp: Ich nehme gern 2 Brötchen und schneide die harten Krusten zu großen Teilen ab. Hau das Hack in eine Schüssel und schlag das Ei drauf. Gib ungefähr eine Hand voll vom Brötchen dazu und einen knappen EL von den weichen Zwiebeln. Würze beherzt mit Salz und weißem Pfeffer. Misch alles mit den Händen gut durch und lass die Masse zugedeckt etwa 15~30 Minuten stehen. In der Zwischenzeit schälst du die Kartoffeln und schneidest sie so in Stücke, dass diese jeweils ungefähr so groß sind wie ein Rosenkohl. Setz die Kartoffeln mit Wasser und Salz auf und gare sie in knapp 20 Minuten.

Viel Arbeit macht das Putzen der Rosenköhler, wobei ich das eine spezielle Technik entwickelt habe. Ich schneide unten über dem Strunk quer durch den Kohl, dann fallen die schmutzigen oder welken Außenblätter von selbst ab. Soll mehr weg, ziehe ich diese weiteren Blätter dann von oben ab. Außerdem neige ich dazu, sehr großzügig zu putzen, sodass von den 1,2 kg meist nur um die 800~900 g übrigbleiben. Zuletzt wird der Strunk kreuzweise eingeschnitten, damit der auch gar wird. Für das Rezept werden also mindestens 800 g GEPUTZTE Sprossen gebraucht – ich empfehle, dies bei den ersten Malen nachzuwiegen, weil das Mengenverhältnis der Komponenten für den Geschmack entscheidend ist. Der Rosenkohl wird in gut gesalzenem, leicht sprudelnden Wasser gekocht, sodass sie innen weich sind. Also, nicht blanchieren oder al dente kochen, sondern weichkochen. Das dauert je nach Größe der Kohlköpfchen irgendwas zwischen 8 und 12 Minuten. Du kannst testen, ob sie gut sind, indem du einen mittelgroßen aus dem Wasser fischst und aufschneidest.

Für die Klöpschen machst du die Gemüsebrühe heiß (Es darf übrigens auch Rinderbrühe sein…). Nun drehst du aus der Fleischmasse Kugeln in der Größe von Rosenkohlbollen, lässt die ins Wasser gleiten und gar ziehen. Das wird sicher 12 Minuten dauern; testen kannst du auf dieselbe Weise wie beim Rosenkohl. Sind die Kartoffeln auch gar, abgegossen und ausgedampft, geht es an die Mehlschwitze. Die wird mit der Kochbrühe der Klößchen angerührt; es empfiehlt sich, diese durchzuseihen, da sich immer irgendwelche Bröckchen aus den Klopsen lösen, was die Sache unfein macht. Also lässt du den Restbutter in einer Kasserolle schmelzen und aufschäumen. Streu das Mehl drüber und lass es unter ständigem Rühren mit einem Schneebesen leicht anrösten – es sollte nicht bräunen. Nun gießt du schöpfkellenweise Brühe hinein und verrührst. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo da eine Soße im Topf lebt, die Mehlschwitze also weder zu steif, noch zu flüssig ist. Dann ziehst du den Topf vom Feuer und würzt beherzt mit frisch geriebener Muskatnuss, weißem Pfeffer und ein paar Spritzern Zitronensaft. Salz wird nicht nötig sein, weil die Brühe und die Klöße salzig sind.

Nun werden die Komponenten miteinander vermählt. Und zwar in einem ausreichend großen Topf, der auf einer Platte warm werden sollte. Zunächst vermischst du Rosenkohl mit Kartoffeln und gibst die Mehlschwitze und die restlichen Zwiebeln dazu. Also ordentlich untereinander rühren. Jetzt testweise je einen Kohlkopf und ein Kartoffelstück zusammen mit Soße probieren und bei Bedarf nachwürzen. Zuletzt hebst du die Fleischbällchen unter und machst den Eintopf noch einmal ordentlich warm. Das Ergebnis ist weich und (Achtung: Modewort!) schlotzig und (Achtung: noch ein Modewort!) einfach yummy.

Es gibt natürlich Varianten, die ich empfehlen kann, weil ich sie selbst probiert habe. Erstens: Koch ungeschälte halbierte Drillinge statt 08/15-Salzkart. Zweitens: Spar dir das Fleischbällchen machen und nimm das Brät aus feiner Bratwurst für die Klößchen. Drittens: Mach die Sache durch Zugabe von ausgelassenem Räucherspeck noch deftiger. Viertens: Teste mal einen Hauch Currypulver in der Mehlschwitze. Und so weiter. Wenn dir also Rosenkohlklöpschen auch nur annähernd gut schmecken, wirst du sie öfters zubereiten und über kurz oder lange deine persönliche Variante finden, mit der du dich und deine Mitesser*innen glücklich machst.

Ein Kommentar

  1. Abenteuerlich!
    Aber: Der Geschmack der Gerichte der Kindheit verlässt uns nie.
    Und: Ich liebe Rosenkohl!