Lesestück · „Die Rotzije“ – man hört diesen Ausdruck für freche Kinder im Rheinland nur noch selten. Oder im Singular: dä Rotzich. Einen Verweis findet man überhaupt nur in einem Online-Wörterbuch für die Krefelder Mundart, das Krieewelsch. Nur ältere Leute, grob gesagt vor Jahrgang 1965 verwenden den Ausdruck noch ganz selbstverständlich. Wer meint, eine rheinische Mundart imitieren zu müssen, sagt eher „Pänz„. Wobei dieser Begriff über das Domdorf südlich von Düsseldorf vor allem durch die geniale Musiktruppe Bläck Fööss so richtig bekannt wurde. In Düsseldorf selbst ist dieses Wort eher weniger gebräuchlich, obwohl es gerade von Karnevalisten regelmäßig verwendet wird – ein deutliches Zeichen dafür, dass Düsseldorfer Karnevalisten immer mehr vom kölschen Fastelovend übernehmen. Bleiben wir also bei dä Rotzije. [Lesezeit ca. 2 min]

Etymologisch steckt da das Wort „Rotz“ drin, also Nasenschleim. Das ist das Zeuch, das man beim Nasehochziehen geräuschvoll in die Mundhöhle befördert wird, um es anschließend auszuspucken. Diesen Vorgang nennt man im Rheinischen (und vermutlich auch woanders) „Rotzen“. Hat ein Rotzich einen anderen bespuckt, sagt der: „Dä hätt misch anjerotzt!“ Aber auch das wilde Rumrotzen auf dem Trottoir ist bei Jungs einer gewissen Altersklasse normal. Wer also oft rotzt, ist ein Rotzich (eigentlich „Rotzig“, aber das sagt so ja niemand).

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Der Verfasser dieses Beitrags ist vom Jahrgang 1952 und kann sich noch bestens daran erinnern, dass wir vielen, vielen Kinder von den Erwachsenen immer Rotzije genannt wurden. Und das durchaus mit bösem Unterton. Klar, wenn vor dem Haus und auf der Straße dreißig, vierzig Kinder ihr lautes Unwesen trieben und manchem Erwachsenen auch mal einen Streich spielten, dann galten die Täter kollektiv als „ungezogen“. Wer es besonders doll trieb, dem drohte man mit dem Erziehungsheim. Insofern unterscheidet sich der Ausdruck „Rotzich“ schon vom Ausdruck „Panz“ (der selten verwendete Singular von „Pänz“), denn die Pänz sind nicht zwingend frech, höchstens laut und wild.

Bleiben noch die „Blagen„. Ob sich dieser Begriff für Kinder vom Wort „Plagen“ ableitet, ist unwahrscheinlich. Eher handelt es sich beim „Blag“ um eine Lautverschiebung des bekannten Wortes „Balg“. Ja, in manchen Gegenden Deutschlands nördlich des Mains sagen die Leute eben nicht „Blagen“, sondern „Bälger“. Und damit wäre die Herkunft vom Balg wahrscheinlich. Und der stammt ab vom „Wechselbalg„. Dabei handelt es sich um ein Wesen, das einer Mutter im Austausch gegen den eigenen Säugling vom Teufel oder seinen Helfershelfern untergeschoben wird. Über einige Jahrhundert galten Kinder mit Behinderungen oder Missbildungen grundsätzlich als Wechselbälger, die man entsprechend bösartig und unmenschlich behandelte. Wenn nun das „Balg“ daher stammt und das „Blag“ (rheinisch intoniert: „Blaach“) ein Synonym ist, dann handelt es sich bei diesem Begriff um eine extrem unfreundliche Bezeichnung.

Bleiben wir Rheinländer also doch beim Rotzich und den Rotzije und lassen wir diesen Begriff wieder aufleben.

3 Kommentare

  1. Du schreibst „dä Rotizch“. Ich kenne das von Oppa und Omma Hellwech nur als „dat Rotzich“. Wat ja sehr fortschrittlich geschlechterneutral war. 😉

    • Rainer Bartel am

      Weiß ich doch, hab mich bloß vertippt. Aber, danke für den Hinweis.