Da staunte Klaus P. nicht schlecht. Beim Aufräumen seines Ateliers stieß er auf eine Zeichenrolle seines Vorgängers, des 1999 gestorbenen Düsseldorfer Bildhauers Lorenz Koerfer. Darin neun Blätter im Format von rund 30 mal 40 Zentimetern, von denen zwei mit dem Namen „Hans Füsser“ gekennzeichnet sind. Die Motive: verschollen geglaubte Entwürfe für die Mottowagen im Düsseldorfer Rosenmontagszug in den Fünfzigerjahren. Dass der Karikaturist, Illustrator, Zeichner und Maler Hans Füsser fast zwanzig Jahre lang die satirisch wirkenden Wagen im Karneval entworfen und gebaut hat, ist selbst bei eingefleischten Karnevalisten beinahe in Vergessenheit geraten. Zuletzt erinnerte eine Ausstellung seiner Entwürfe in der Rather Stadtbibliothek im Jahr 2004 an diesen kreativen Düsseldorfer Kopf. Grund genug sich einmal etwas intensiver mit Hans Füsser zu beschäftigen

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"Die drei frohen Gesellen" von 1935 - illustriert von Hans Füsser

„Die drei frohen Gesellen“ von 1935 – illustriert von Hans Füsser

Der wurde im August 1898 in Düsseldorf geboren, studierte ab 1918 an der hiesigen Kunstakademie und schloss sich dort der legendären Künstlervereinigung „Das junge Rheinland“ an. Dort lernte er den Bildhauer Jupp Rübsam, kennen, der wie er Ende der Dreißigerjahre aus der Stadt nach Hombergen (heute einem Ortsteil von Nettetal/Hinsbeck), wo sich in der Nähe der idyllischen Krickenbecker Seen einige Künstler angesiedelt hatten. Während es Rübsam als bildender Künstler zur Berühmtheit und einem gewissen Wohlstand gebracht hatte, wurde Füsser zunächst Illustrator. Woche für Woche brachte er die Leser der „Wochenschau“ aus dem Girardet-Verlag mit seinen Bildergeschichten und Karikaturen zum Schmunzeln.

"Stadt im Dunkel" - Bildergeschichte von Füsser in der Wochenschau in den Kriegsjahren

„Stadt im Dunkel“ – Bildergeschichte von Füsser in der Wochenschau in den Kriegsjahren

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ging der Anteil an politischen Karikaturen in seiner Arbeit zurück; in den Kriegsjahren nahm er dagegen die „Erzfeinde“ aus England und Frankreich aufs Korn, ohne dabei aber Hass und Hetze zu sähen. Seine politische Haltung wird auch sichtbar in den Illustrationen des Buches „Die drei frohen Gesellen mit der Laterna magica“ von Theo Rausch aus dem Jahr 1935. Außerdem erfand er in diesen Jahren eine Comic-Figur namens Pröppken Schick. Damit zählt er mit E. O. Plauen, dem Zeichner der berühmten „Vater und Sohn„-Geschichten zu den Pionieren der deutschen Comic-Kunst.

Zwei Bände "Jackel und Bastel" schuf Füsser in den 50ern

Zwei Bände „Jackel und Bastel“ schuf Füsser in den 50ern

Nach dem zweiten Weltkrieg illustrierte Hans Füsser zahlreiche Kinder-, Märchen- und Geschichtenbücher, unter anderem „Heinz und Inge. Ein Bilderbuch vom Leben auf dem Land“, das in den Fünfzigerjahren zahlreiche Auflagen erlebte und auch im Schulunterricht jener Jahre eingesetzt wurde. Außerdem schuf er mit zwei Bänden der Reihe „Jackel und Bastel“ Comic-Bücher, die heute zu den Inkunabeln dieser Kunstform in Deutschland gezählt werden.

Füssers legendären Rokal-Werbeanzeigen

Füssers legendären Rokal-Werbeanzeigen

Legendär auch seine Illustrationen und Werbezeichnungen für die Firma Rokal aus Lobberich, die von 1948 bis 1971 als erstes deutsches Unternehmen Modelleisenbahnen im Format TT baute und vertrieb. Sowohl die Abbildungen auf den Verpackungen und in den Bedienungsanleitungen, als auch die gezeichneten Werbeanzeigen waren für die Zeit und das Thema völlig ungewöhnlich und prägten den Stil der Marke Rokal. Ebenfalls für Rokal schuf Hans Füsser drei Glasfenster, die im inzwischen abgerissenen Firmensitz die Eingangshalle schmückten und heute in einem benachbarten Krankenhaus ihren Platz gefunden haben.

Rarität: Auch solche Plakate kreierte Hans Füsser

Rarität: Auch solche Plakate kreierte Hans Füsser

Die neun neu entdeckten Blätter dürften Entwürfe für den Rosenmontagszug des Jahres 1958 sein. Eine Zeichnung nimmt die im Jahr 1957 in der Haut Couture zur Mode gewordenen Sacklinie aufs Korn. Eine andere zeigt Jan Wellem auf einem Düsenflieger, der einem fluchenden Kölner davonfliegt – eine Anspielung darauf, dass vom hiesigen Flughafen bereits Jets zu Interkontinentalflügen starteten, während man in der Wahner Heide gerade erst den späteren Köln-Bonner Flughafen baute. Ein weiteres Indiz: Im Juli 1956 wurde im Wehrpflichtgesetz die Kriegsdienstverweigerung festgelegt, die ersten KDV-Anträge wurden unmittelbar nach der allerersten Einberufung junger Männer zur Bundeswehr zum 1. April 1957 gestellt. Ein weiteres Motiv nimmt die Reisewelle im Rahmen des „Wirtschaftswunders“ aufs Korn, während der Tausende Bundesbürger zum ersten Mal Urlaub in Italien machten. Zielscheibe auch der in jenen Jahren heftig diskutierte § 184 StGB aufs Korn, den sogenannten „Schmutz-und-Schund“-Paragrafen, mit dem das verklemmte Bürgertum ihre Moralvorstellungen durchsetzen wollten.

Die Sacklinie von 1957

Dass Hans Füsser also einer der Vorgänger des inzwischen weltberühmten Wagenbauers Jaques Tilly ist und über 20 Jahre lang die Mottowagen des Düsseldorfer Rosenmontagszugs entwarf, ist außerhalb karnevalistischer Kreise weitestgehend unbekannt. Mit seinen Motiven begründete er die Tradition der satirischen Zuspitzung aktueller Themen, für die der Düsseldorfer Zoch inzwischen über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus bekannt ist. Einige Entwürfe, die in der erwähnten Ausstellung von 2004 gezeigt wurden, sind erhalten – die in diesen Tagen entdeckten kolorierten Zeichnungen – zum Teil mit Konstruktionsanweisungen versehen – kommen nun hinzu. Vielleicht rufen sie diesen großen Düsseldorfer Zeichner ins kollektive Gedächtnis zurück. Und möglicherweise nehmen die zuständigen Stellen diesen Fund zum Anlass, demnächst eine Straße nach ihm zu benennen.

Ironie der Geschichte: Beim Bau der Wagen für den Rosenmontagszug 1959 stürzte Hans Füsser am 30. Januar von der Leiter, zog sich einen schweren Schädelbasisbruch zu und starb einen Tag später im Krankenhaus.

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