Bei allem gerechten Zorn über „die Werksvereine“ und die „Retortenclubs“ wird gern ein merkwürdiger SV vergessen, der sich in die zweite Liga geschlichen hat und dort fröhlich herummacht: Das Team aus Sandhausen ist nämlich nichts anderes als der Werksclub des Vergleichsportalgiganten Verivox. Ohne die Kohle der Internetfuzzis hätte der SV Sandhausen keine Schnitte oberhalb der Oberliga. Egal: Wir müssen nur auf uns schauen. Besonders in der Woche nach der Freistellung des Sportvorstandes Helmut Schulte. Nun hat das aktuelle Erstligateam der 120-jährigen Diva gestern im Sandkasten bei Heidelberg nicht nur recht ordentlich gespielt, sondern den SV Verivox, der in der Woche zuvor noch das Projekt Marktranstädt in Leipzig abgefieselt hat, mit 2:0 geschlagen. Bei jedem Spochtrepochter MUSS das den Reflex auslösen, zuvor habe „die Mannschaft gegen den Manager“ gespielt. Dieses Mal vielleicht auch, aber das ehemals seriöse Fußballmagazin mit dem blöden Namen „Kicker“ muss sich dieses Klischee verkneifen. Hat doch ein dortiger Schreibfink namens Oliver Bitter unter der Woche ein aberwitziges Stück Scheinjournalismus mit der Überschrift „Schulte – ein Bauernopfer der Getriebenen“ verzapft.

Die sportlich inkompetenten Bosse ließen sich von ein paar Krakeelern und anonymen Schaumschlägern in den einschlägigen Foren zu einer sehr eigenwilligen Entscheidung treiben.[Quelle: kicker online]

Nun wissen langjährige Freunde des Kicker, dass die Gründer und vor allem der ehemalige Chefredakteur Karl-Heinz Heimann angesichts der aktuellen journalistischen Qualität im Oberligabereich in ihren Gruften rotieren wie Drillbohrer. Der Online-Ableger des Sportmagazins segelt inzwischen mit seinen Floskeln, Phrasen und Metaphern immer hart am Wind der unfreiwilligen Komik, und die Angst, gegen die übermächtige SportBLÖD zu verlieren, treibt die Redaktion ständig dazu, Fußballpolitik machen zu wollen wie die Kollegen bei Springer. Aber wie SportBLÖD und vor allem der ebenfalls Springer gehörende transfermarkt.de hat der Kicker eine Agenda. Die lässt sich mit dem Wort „Fußballgeschäft“ zusammenfassen. Und so liest sich auch der Kotzanfall des Herrn Bitter über die Entwicklungen bei der Fortuna. Dass es der Schulte gut mit uns gemeint hat, weil er das GESCHÄFT versteht und für PROFESSIONALISIERUNG sorgen wollte, und dass der Pöbel undankbar ist. In die gleiche Kerbe haut gerade ein anderer Tastenhauer des Sportmagazins, der auch dem Schalker Fanpöbel Undankbarkeit vorwirft, weil die nicht zu schätzen wissen, dass die Saisonziele erreicht wurden. Weiter weg von den Fans kann niemand sein als diese Schreiberlinge! Sie verstehen nichts, wollen beim großen Geld sein und haben vor allem Angst, bei der FCB AG in Ungnade zu fallen. Das hat das Kartell aus BILD, Focus, Adidas und FCB über die Jahre sauber hingekriegt.

Jedenfalls ging das Team unter der Anleitung von Trainer Aksoy um 15:30 – also der richtigen Anstoßzeit – auf den Platz und machte aus einer ungewohnten Aufstellung das Beste. Schöne Kombinationen, ungewohnt wenig Fehler und richtig viel Druck. Es sah aus Sicht der Neckaristen eigentlich nie aus wie ein Heimspiel. So ergab sich die Führung und so ergab sich, dass sich die Freunde des TSV Fortuna Düsseldorf eigentlich nie Sorgen machen mussten, es könne noch schiefgehen. Wobei das ja einer Mehrheit herzlich egal war. Oder wie es der große, jüngst verstorbene Blues-Mann B.B.King ausdrückte „The thrill is gone“. Den Thrill hat den Fans nicht nur das Duo infernal mim Vorstand ausgetrieben, sondern auch der eine oder andere Kicker in Rot-Weiß. So würde auch ein weiterer Sieg am kommenden Sonntag den Saisonausgang sicher nicht versöhnlicher ausfallen lassen.

Wir kamen ja auch aus dem mehr alt als ehrwürdigen Paul-Jans-Stadion unterhalb der Müllverbrennungsanlage rüber in die Bar95, um die Übertragung vom Erstligaspiel zu betrachten. Zuvor hatten wir ein sehr ansehnliches Spiel mit vielen Toren und einem sehr unglücklichen Ausgang für die Zwote gesehen. Die trat gegen die vom Pokalspiel gegen RWO sichtbar ermüdeten RWEler (ja, genau die mit „Ficken und Vergessen“) an und war in der ersten Hälfte phasenweise überlegen. Die Führung der Essener kam denn auch im falschen Moment und war das Resultat eines schlimmen Abwehrfehlers. Dann kurz vor Pause der Ausgleich. Und später sogar die Führung. Zwei Treffer des RWE machten den Sieg dann zunichte. In den Reihen unserer Zwoten stand wieder einer der ewigen Aufstiegshelden: Jens Langeneke.

38 Jahre ist er im März geworden und hatte kein Problem damit, seine Karriere über zwei Jahre im Kader unserer Zwoten austrudeln zu lassen. Wobei „austrudeln“ das völlig falsche Wort ist, denn der Jens ist vor allem eins: Fußballer. Und hat diese Passion eben auch in einer U23-Mannschaft jederzeit eingebracht. Gestern absolvierte er sein letztes Heimspiel für die Zwote und wurde gebührend verabschiedet. Kaum hockten wir in der Bar95 vor den Bildschirmen, huschten die Spieler der Zwoten durch die Räume, und dann kam Jens Langeneke, holte sich ein Bier und lehnte am Flipper, um sich ebenfalls anzuschauen, was die Ex-Kollegen da in Sandhausen trieben. Natürlich musste er diverse Handyfototermine über sich ergehen lassen. Aber auf einmal herrschte Fortuna im Vereinsheim: die Familie guckt zusammen Foppest.

Währenddessen tagte der Aufsichtsrat, weil es ja nach dem Rauswurf des Schultes auch zu entscheiden galt, was denn mit dem Kill und dem Jäger passieren sollte, den beiden Vorständen, die in der sportlichen Krise der letzten Woche ja so ziemlich versagt hatten. Am Ende kam eine Erklärung heraus:

Der Aufsichtsrat ist sich über die Situation von Fortuna Düsseldorf bewusst. Nach Jahren des sportlichen Aufstiegs befindet sich der Verein momentan in einer schwierigen Lage. Der Vorstand wurde über die Erkenntnisse der Sitzung informiert und aufgefordert, identifizierte Fehlentwicklungen im Verein und der Mannschaft zu korrigieren. In enger Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat gilt es nun, die sportlichen und vereinsinternen Planungen für die kommende Saison in der Art voranzutreiben, dass optimale Bedingungen geschaffen werden, den Verein wieder in die Erfolgsspur zu bringen. Der Aufsichtsrat ist sehr optimistisch, dass der Vorstand zusammen mit dem neuen Cheftrainer Frank Kramer sowie der Scoutingabteilung für die kommende Saison ein Team zusammenstellen wird, das den Mitgliedern und Fans wieder die Freunde an Fortuna Düsseldorf zurückbringen wird. Der Aufsichtsrat ist der Auffassung, dass nun alle Kräfte gebündelt werden müssen, damit Vorstand und sportliche Leitung die richtigen Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des Clubs schaffen können.
Der Vorstand wurde gleichzeitig gebeten, die Suche nach einem neuen Sportmanager mit Hochdruck voranzutreiben und in diesem Zusammenhang zu eruieren, wie dieser in die bestehende Vereinsstruktur zu integrieren ist. [Quelle: Fortuna Düsseldorf]

Wer immer das formuliert hat, hätte auch schreiben können: „Der Aufsichtsrat ist sich nicht einig, hat aber kollektiv die Bux voll und deshalb entschieden, nix zu machen. Weil wer nix macht, macht auch nix falsch.“ Okay, man kann dieses wachsweiche Wischiwaschi, das leider inzwischen typisch für die offizielle Kommunikation des Vereins ist, auch so interpretieren, dass Kall und Jäger auf Bewährung sind. Fragt sich nur, für wie lange. Denn dass in der Führung des TSV andere Saiten aufgezogen werden müssen, haben die diversen Durchfälle in der Ära Kall ja mehr als deutlich gezeigt. Aber irgendwann läuft auch dessen Vertrag aus, und eine weitere Amtszeit ist schwer vorstellbar.

Was also ist Fortuna? Genau diese Frage stand unter der Woche auch im Zentrum eines Fan-Workshops, bei dem eingeladenen Vertretern verschiedener Fankreise vorgestellt wurde, wie bei der Fortuna an einem Leitbild gearbeitet wird, das die Kommunikation und das Verhalten des Vereins in der Zukunft bestimmen soll. Sarah Brinkmann, Jörg „Pejo“ Emgenbroich und Dominik Hoffmeyer präsentierten den Zwischenstand und stellten sich den Fragen und Anregungen der Anwesenden. Was auch immer am Ende dabei herauskommen mag, der Weg ist richtig, die bisher geleistete Arbeit lässt hohe Erwartungen zu, dass noch dieses Jahr ein formuliertes Leitbild zu verabschieden ist, aus dem sich dann Richtlinien für Kommunikation und Verhalten ergeben. Dann wissen wir endlich alle, was Fortuna eigentlich ist. Wer gestern Nachmittag im PS und dann in der Bar95 war, der weiß das auch so schon.

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