Bis 1963 fror der Rhein auch oberhalb des „Gebirges“ manchmal zu – heute würde das selbst nach Dauerfrost nicht mehr passieren – die Gründe…
Zum letzten Mal war das Eis auf dem Rhein zwischen Köln und Duisburg im Winter 1963 zu einer fast ganz geschlossenen Fläche gefroren. Seitdem hat es weder eine geschlossene Eisdecke noch nennenswerten Eisgang am Niederrhein gegeben. Dafür gibt es drei Gründen: Bis etwa 1975 lag es vor allem an den warmen Abwässern der diversen Fabriken und Kraftwerke an den Ufern des Flusses. Außerdem war der Salzgehalt des Rheins durch das Abwasser aus dem Kalibergbau in Lothringen über die Saar und die Mosel ab etwa der Vierzigerjahre stark angestiegen. Beide Ursachen spielen inzwischen nicht mehr die Hauptrolle, obwohl die Temperatur des Rheins im Vergleich zur vorindustriellen Zeit im Durchschnitt um fast zehn Grad gestiegen.
Der dritte Grund hat mit den Maßnahmen des Wasserbaus seit den Fünfzigerjahren zu tun. Oberhalb der Engstellen auf Höhe des Siebengebirges wurde die Fahrrinne sukzessive immer tiefer ausgebaggert. Das hatte eine erheblich höhere Fließgeschwindigkeit des Flusses zur Folge. Und je schneller der Rhein fließt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Eisschollen bilden. Eine geschlossene Eisdecke entsteht aber, wenn Eisschollen aufeinandertreffen und sich schließlich auftürmen. Die Fotos vom zugefrorenen Rhein zeigen deshalb auch nur in Ufernähe glatte Eisflächen, während sich über der Fahrrinne wahre Eisgebirge gebildet haben.
Februar 1942: Der Rhein ist zugefroren
Es war ein langer, harter Winter mit Temperaturen bis nahe an -20° und fast zehn Wochen Dauerfrost. Die Seen, Weiher und Tümpel waren schon seit Weihnachten gefroren – viele davon bis auf den Grund. Viele Familien saßen im Kalten, denn für manche Heizung, für manchen Ofen gab es nicht mehr genug Brennstoff. Schon im Januar waren Eisschollen auf dem Rhein zu sehen. Erst viele kleine, aber dann bildete sich bei Bingen und Kaub unterhalb der Lorelei schwerer Eisgang, der immer mehr größere Brocken vor sich herschob. Bald behinderte das Eis den Fluss des Wassers, und je langsamer der Strom floss, desto mehr Eis bildete sich auch oberhalb der Engstelle. Schiffbar war der Fluss schon seit drei Wochen nicht mehr. Aber ab der Nacht vom 6. auf den 7. Februar 1942 war es dann so weit: Die Schollen zwischen Porz und Ruhrort kamen zum Stillstand und froren hier und da zusammen. Der Rhein war ganz und gar zugefroren.
Und er blieb es insgesamt fünf Tage lang. Völlig unbewegt war die Eisschicht bei Köln und auch bei Düsseldorf ab dem 7. Februar 1942. Es war dies der erste harte Kriegswinter. Seit Ostern 1940 waren die Bomberflotten über die großen Städte am Rhein und im Ruhrgebiet gekommen. Über das Jahr 1941 hatten sich die Angriffe verstärkt, aber noch waren die Innenstädte nicht völlig zerstört. Alle Brücken über den Rhein waren noch intakt, und die Binnenschifffahrt spielte bei der zivilen Logistik eine entscheidende Rolle – die Steinkohle aus dem Ruhrgebiet wurde vorwiegend auf Rheinschiffen in den Süden bis nach Bayern und in den Norden bis nach Hamburg transportiert. Als der Verkehr auf dem Strom durch den Eisgang zum Erliegen kam, brach die Versorgung mit Brennstoff in weiten Teilen Westdeutschlands zusammen.
Geschlossene Eisdecke im Winter 1914
Natürlich strömten die Menschen an diesen denkwürdigen Tagen vor ziemlich genau 75 Jahren an die Ufer und setzen ihre Füße vorsichtig aufs Eis. Das bildete keine gleichmäßige und glatte Fläche, denn die Schollen verschiedener Größe hatten sich über- und untereinander geschoben; der Fluss sah aus wie ein tiefgepflügter Acker. Aber rasch bildeten sich an den Stellen, an denen viele Schaulustige erschienen, Pfade und Gassen übers Eis. Das war 48 Jahre zuvor anders. Auch im Winter 1913/14 war der Rhein zugefroren. Damals aber nicht als Endpunkt von Eisgang, sondern innerhalb weniger Tage bei extremen Temperaturen, sodass sich an vielen Stellen eine relativ glatte Eisfläche bildete – ein Effekt, den es in historischer Zeit sonst nie gegeben hat.
Während der Rhein in seinem Unterlauf vor der Regulierung und Umgestaltung zur Schifffahrtsstraße ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts vermutlich nur sehr selten komplett zufror – durch die vielen Nebenarme war die Wasseroberfläche insgesamt viel größer – kam es beispielsweise 1848 zu monatelangem Stillstand des Verkehrs. Die Kähne froren in den Häfen ein, und Hunderte wurden durch die Eismassen zerquetscht. Ähnlich sah es auch 1894 aus.
1963: Letzter Eisgang auf dem Rhein
Aber man muss gar nicht 75 Jahre in der Zeit zurückgehen, um auf ähnliche Zustände zu stoßen. Auch nach dem zweiten Weltkrieg kam es noch einige Male zu starkem Eisgang auf dem Rhein. Der Winter 1954 war wieder sehr lang und sehr kalt, gerade im Südwesten des Landes. Und so hatte sich ab Rüdesheim, wo das Rheintal eng wird, viel Eis gebildet, dass sich weiter nördlich dann nach und nach zusammenschob. So kam es an verschiedenen Stellen erneut zu einem Rhein, dem man zu Fuß überqueren konnte – das folgende Video zeigt Aufnahmen aus jener Zeit:
Spektakulär wird es am Rhein in langen, kalten Winter also nur noch, wenn der Strom erst über die Ufer getreten ist und das Wasser auf den Wiesen und Senken unterhalb der Deiche gefriert. So konnte man im Januar 1986 auf Schlittschuhe über die Äcker bei Düsseldorf-Lörick sausen, und auch auf den vereisten Rheinauen bei Uerdingen und im Orsoyer Rheinbogen glänzten riesige Eisflächen in der Wintersonne.