Das aktuelle, extreme Niedrigwasser (Oktober 2018) hat zu deutlich mehr Verkehr auf dem Rhein geführt. Und das bedeutet im Klartext: Es kommt zu mehr Begegnungen zwischen Schiffen, die zu Tal (Richtung Nordsee) bzw. bergwärts (Richtung Alpen) fahren. Interessierte Beobachter stellen dabei fest, dass die Schiffe manchmal im „Rechts-“ und manchmal im „Linksverkehr“ aneinander vorbeifahren und fragen sich: Was gilt denn nun eigentlich? Die Antwort ist ein bisschen kompliziert.
Die offiziellen Verkehrsregeln auf dieser Wasserstraße nutzen den Begriff „Begegnung“. Gemeint ist damit genau die Situation, in der zwei Schiffe mit gegenläufiger Fahrtrichtung aufeinander zu fahren. Die Frage bei einer solchen Begegnung lautet: Wer muss sich auf welcher Seite der Fahrrinne halten? Auf den meisten Teilstrecken des Stroms gilt die sogenannten „geregelte Begegnung“. Die besagt, dass unter dieser Regel die Fahrzeuge Backbord an Backbord aneinander vorbeilaufen, wobei der Talfahrer auf der rechten Seite der Fahrrinne zu fahren hat. Aus Sicht von Autofahrern sieht das nach „Rechtsverkehr“ aus.
Diese Form der Regelung gilt für den Rhein zwischen dem Stromkilometer 769 bei Duisburg-Ehingen und der deutsch-niederländischen Grenze, außerdem im Bereich der Neckarmündung zwischen den Rheinkilometern 428,2 und 540,2. Von 540,2 bis 556 herrscht dann ein Rechtsfahrgebot, bei dem die Talfahrer sich ans rechte, die Bergfahrer ans linke Ufer halten – hier darf die gedachte Mittellinie der Fahrrinne unabhängig von der Fahrtrichtung nicht überquert werden.Am kompliziertesten ist es in unserer Region, genauer: zwischen den Stromkilometern 556 und 769. Hier bestimmen Schiffe, die den Rhein aufwärts (zu Berg) fahren, die Form der Begegnung. Denn je nach dem Verlauf der Fahrrinne müssen diese die Fahrtrichtung wechseln. Wenn es nach einem solchen Wechsel zum „Linksverkehr“ (Begegnung Steuerbord an Steuerbord) kommt, muss am Schiff auf der Steuerbordseite die berühmte blaue Tafel, die nachts mit einem weißen Blinklicht in der Mitte ausgestattet ist, gesetzt werden. Konkret bedeutet dies: Sieht ein stromabwärts, also mit der Strömung fahrender Schiffsführer die blaue Tafel an einem entgegenkommenden Bergfahrer, weiß er, dass er Steuerbord an Steuerbord vorbei steuern muss.
Boote im Linienverkehr wie die Ausflugsschiffe der Weissen Flotte Düsseldorf / Duisburg haben sich in unserem Bereich des Rheins genauso zu verhalten, dürfen aber nach Bedarf die Fahrrinne kreuzen, um beispielsweise einen Anleger am linken Ufer zu erreichen. Entscheidend ist gerade in diesen Fällen, dass der Schiffsführer durch Setzen oder Wegklappen der blauen Tafel eindeutig zeigt, wie er zu fahren gedenkt. Besondere Regeln gelten für sogenannte „Kleinfahrzeuge“, also Wasserfahrzeuge mit einer Länge über alles von weniger als 20 Metern gelten besondere Regeln, die auch die Fälle von Begegnungen einschließen.Grundsätzlich müssen solche Boote den Großfahrzeugen, unabhängig davon, auf welcher Seite diese fahren, ausweichen. Zwei sich begegnende Kleinfahrzeuge müssen in jedem Fall Backbord an Backbord („Rechtsverkehr“) aneinander vorbeifahren. Begegnet ein Boot mit Motor einem Gefährt, das gesegelt oder durch Muskelkraft angetrieben wird, muss es ausweichen. Andererseits müssen Ruder- oder Paddelboote grundsätzlich Segelschiffen ausweichen.
Interessant ist, dass sämtliche Regelungen zur Begegnung von Wasserfahrzeugen auf dem Rhein aus der Erfahrung mit Havarien bzw. Beinaheunfällen geboren sind, also nicht wie im Straßenverkehr irgendwann per Dekret angeordnet wurden. Das hat dazu geführt, dass es vergleichsweise selten zu Zusammenstößen zwischen Schiffen auf dem Rhein kommt. In den Zeiten vor der flächendeckenden Einführung des Passivradar und des Sprechfunkverkehrs zwischen Schiffen lag es bei Havarien in aller Regel an schlechter Sicht durch Nebel. Wesentlich häufiger sind Unfälle, bei denen zwei sich begegnende Schiffe aneinandergeraten, wenn es bei einem der Fahrzeuge zu einem Ruderausfall gekommen ist, das Schiff also ungesteuert auf dem Fluss treibt.
[Foto „Schiffsverkehr“ – Ikar.us (talk) via Wikimedia unter der Lizenz CC BY 2.0 DE]