Vorausgeschickt: Natürlich ist es nicht hinnehmbar, dass Horden Jugendlicher quasi ein Freibad kapern, sich an keine Regeln halten und Ordnungskräfte verhöhnen. Ein solches Verhalten war noch nie hinnehmbar. Und wenn solche Vorfälle sich häufen, müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Übrigens ganz unabhängig davon, ob es sich um Gruppen mit Mitgliedern bestimmter ethnischer und kultureller Herkunft handelt. Wir wissen nun auf Basis polizeilicher Informationen, aber auch durch zahlreiche Augenzeugenberichte, dass an allen drei Krawallaktionen, aufgrund derer das Rheinbad geschlossen wurde, fast ausschließlich Halbstarke mit nordafrikanischen Wurzeln beteiligt waren. Im Gegensatz zu vielen Bürgern der Stadt bin ich nicht nur davon überzeugt, dass man mit diesen Jungs reden muss, sondern ich tue es auch schon seit Langem.

Dazu muss ich zwei Dinge vorausschicken. In meiner Zeit als Redakteur der Bordzeitung der ersten AIDA habe ich nicht nur pittoreske Urlaubsgegenden rund ums Mittelmeer und in der Karibik kennengelernt, sondern Städte und Stadtviertel, die als gefährlich galten. Mir ist dabei nie irgendetwas Unangenehmes oder Schlimmes passiert – nicht in Santo Domingo, nicht in Kingston und auch nicht in Alexandria und Casablanca. Insofern habe ich seitdem keinerlei Angst mehr vor Menschen aus fremden Ländern, Kulturen und Religionen. Zweitens: Seit 2003 sind wir Halter eines marokkanischen Windhundes, eines Sloughi-Rüden. Dessen Vorgängerin war eine sandfarbene Windhündin aus Spanien, die bei Gängen am Mintropplatz und auf der Ellerstraße von vielen Bewohnern für einen Sloughi gehalten wurde.

Erstens: Am Mintropplatz

Nun ist der Sloughi in Marokko und Tunesien, nicht ganz so stark auch in Algerien und Libyen, beinahe heilig. Gerade in den abgelegenen Gegenden dieser Länder halten viele Familien ein oder zwei Sloughis als Fleischbeschaffer, den diese Hunde jagen erfolgreich Kaninchen und andere Kleinnager. Und wenn man hierzulande Leute mit marokkanischen Wurzeln trifft, erkennen die meistens einen Sloughi, wenn sie ihn sehen, und sind immer positiv angetan. Als Clooney, so heißt unser Sloughi-Kerl, gerade einmal zwei Jahre alt war, kamen wir an den berühmt-berüchtigten Cafés am Mintropplatz vorbei – angeblich eine No-Go-Area im sogenannten „Maghreb-Viertel“. Die Männer saßen und standen draußen. Da sah einer meinen Hund, und schon waren wir umringt von sieben, acht Kerlen, die laut durcheinanderredeten. Wir wurden hineingebeten, der Hund bekam etwas aus der Küche und Wasser, ich einen Minztee. Ja, sagte einer, seine Familie käme aus dem Atlas und sein Großvater habe auch immer Sloughis gehabt. Ein anderer wollte wisse, wie schnell der Sloughi ist und was er gekostet hat. Könnte sein, dass ich der erste Nicht-Nordafrikaner in diesem Café gewesen bin.

Zweitens: Auf der Treppe

Bei uns im Viertel begegnen sich die Ströme verschiedener Schulen. Und so begegnet man immer verschieden großen Schülergruppen; die mit Jungs zwischen ungefähr 13 und 17 sind immer die lautesten. Wie oft bin ich schon auf den dünnen Hund angesprochen worden! Und fast immer, wenn ich erwähne, dass es ein Sloughi ist, meldet sich einer und sagt: Kenn ich. Das ist dann einer der nordafrikanischen Jungs in der Runde. Auf der Treppe hinab vom Düsseldeich zum TuRU-Parkplatz hocken in der warmen Jahreszeit oft Halbstarke verschiedener Provenienz. Unter den Nachbarn heißt es: Da sind alles Drogenhändler, die haben alle ein Messer in der Tasche. Nun habe ich es nicht mit Drogen, aber ein Taschenmesser habe ich auch immer dabei. Den unausgesprochenen Rat, die Treppe nicht zu benutzen, wenn die Kerle da sind, ignoriere ich grundsätzlich. Beim ersten Versuch kam es zu einer fast heiklen Situation – was auch mit meiner schlechten Laune an dem Tag zu tun hat.

Einer blaffte mich an: „Musst du mit deinem dreckigen Hund hier durch?“ Ich antwortete: „Muss nicht, will aber.“ – „Und wenn wir keinen Platz machen?“ – „Dann mache ich mir Platz.“ Die ersten Kerle erhoben sich, der mit dem ich den Dialog geführt hatte, fixierte mich und sagte etwas auf Arabisch. Plötzlich stand einer der Älteren auf und sagte: „Ey, das issen Sloughi!“ Das Eis war gebrochen, und ich musste gut zehn Minuten lang Fragen rund um den Hund beantworten. Und das wiederholte sich nun jedes Mal, wenn wir der Truppe auf der Treppe begegneten. Bis ich eines Tages sagte: „Boah, das hab ich doch schon hundertmal erzählt!“ – „Ja,“ sagte einer, der immer dabei war, „aber heute sind wieder zwei hier, die wissen das noch nicht.“ Übrigens: Die Jungs handeln nicht mit Drogen, die kiffen bloß.

Drittens: An der Haltestelle

Vor ein paar Wochen bin ich nachts gegen eins an einer Straßenbahnhaltestelle in Pempelfort gestrandet. Die nächste Bahn sollte in mehr als zwanzig Minuten kommen. In einem Hauseingang lümmelten sechs Jungs herum, allesamt mit krausen schwarzen Haaren. Einer von ihnen trug eine Trainingsjacke mit dem Emblem des MSV Düsseldorf, also des marokkanischen Sportvereins. Ich zündete mir eine Zigarette an. Ruft einer rüber: „Ey, können Sie mal aufhören zu rauchen?“ Ich trat näher und sagte: „Nein, ich möchte jetzt rauchen.“ – „Dann blasen Sie in die andere Richtung!“ – „Okay, mach ich.“ Zwei redeten auf Arabisch miteinander und zeigten auf mich. Dann einer: „Bist du schwul, oder was?“ mit leichter Aggression in der Stimme. Ich: „Nein, ich bin verheiratet.“ – „Ey, dann kommen wir mal deine Frau besuchen“ und macht eine obszöne Geste. „Ich wär vorsichtig, wir haben einen Hund.“ – „Bah, so ein dreckiges Tier – ist doch haram.“

„Seid ihr Moslems?“ fragte ich, und alle nicken. „Wisst ihr, was ein Sloughi ist?“ Da steht der älteste der Gruppe auf: „Klar, marokkanischer Hund, voll schnell.“ – „Seid ihr Marocs?“ Fünf Hände gehen hoch. „Und dann kennt ihr die Legende von Kitmir nicht?“ Einer lacht, und ich erzähle die Geschichte von dem Sloughi, der 309 Jahre lang drei muslimische Märtyrer in einer Höhle im Atlasgebirge bewacht hat, indem er auf der Schwelle lag. „Und deshalb,“ schloss ich, „gilt Kitmir als halal und wird auf Arabisch El Hor genannt, also der Reine.“ Der kleinste lacht: „Ein Hund halal…“ – „Sind Sie Moslem?“ fragt einer. Ich verneine und sage, dass ich gar keine Religion habe. „Wenn Sie den Koran so gut kennen, können Sie doch Moslem werden.“ Ich lehne ab, und wir kommen auf das Thema Fußball. Ich berichte, dass ich schon Spiele des MSV gesehen habe und frage den in der Trainingsjacke, ob er mal Profi werden will. „Ja,“ sagt der, „wenn es geht.“ Die anderen lachen, reden arabisch durcheinander und machen sich über den jungen Kicker lustig.

Dann kommt die Bahn. Ich steige vorne ein, die Halbstarken hinten, wo sie sofort beginnen, sich sehr lautstark zu unterhalten. Ein älterer Herr steht auf und sucht sich einen Platz weiter vorne. Am Oberbilker Markt steigen die Jungs aus, und zwei von ihnen winken mir zum Abschied zu.

Und was lernen wir daraus?

In unserer Zeit der aufgeladenen Diskussionen und der ständigen antiislamischen Propaganda sind die Reaktionen auf Artikel wie diesen vorhersehbar. Deshalb ein paar Schlussbemerkungen: Diese drei Anekdoten beweisen gar nichts, sie stellen kein Rezept für Integrationsmaßnahmen dar und sind auch nicht proislamisch, zwanghaft ausländerfreundlich und irgendwie „linksgrün versifft.“ Es sind einfach Geschichten, die ich erlebt habe, und sie könnten dazu dienen, den Halbstarken mit nordafrikanischen Wurzeln nicht auszuweichen, sondern ganz normal im Alltag das Gespräch zu suchen und selbst diesen bösen Jungs den Respekt zu zollen, den man von ihnen erwartet.