Reden wir vom Kino. Ja, vom Lichtspiel, und nicht von Filmen. Denn es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man sich im Rahmen eines Videoabends mit Snacks & Getränken einen oder mehrere „Filme reinzieht“ oder sich einen Film im Kino anschaut. Meine Theorie ist ja auch, dass die Flutung des Entertainment-Marktes mit übelstem Flimmerzeug eine Folge der DVDisierung der Menschheit ist. Was ja zunächst eine Demokratisierung darstellt, aber unter den Bedingungen des Kapitalismusses auch ein Absenken des Niveaus. Ganz früher war es den Reichen, ja, den Superreichen vorbehalten, sich ein Privatkino in die Doppelvillahälfte einbauen zu lassen. Dann kam der Videorekorder auf, und plötzlich konnte sich jeder seine Lieblingsfilme zuhause angucken. Der Preisverfall seit den Tagen der ersten riesigen VHS-Kisten und teuren Kassetten ist dramatisch. Leider hat der Müll sich nicht nur in die Abspielgeräte ergossen, sondern verschmutzt auch diese Sorte Kinos, in denen es nach schlechtem Popcornfett stinkt wie von einem riesigen Schweißfuß. Daneben haben sich aber Lichtspielhäuser gehalten, die zur Abschreckung bisweilen Arthouse-Kinos heißen. Um es ganz klar zu sagen: Gefragt wird mit diesem Beitrag nur nach Filmen, die ihr mindestens einmal in einem echten Kino gesehen habt und die ihr gern mal wieder in einem solchen Lichtspieltheater sehen würdet.

Kinofilme, also, keine Blockbuster, was um die 98 Prozent aller Hollywood-Produktionen ausschließt. Denn es gibt sie wirklich, die Filmkunst, der Stoff aus dem die Träume der Cineasten sind. Eine informelle und ganz sicher nicht repräsentative Umfrage hat ergeben, dass die Lebensfilme der meisten Leute eben nicht aus den Massenregale der UnterhaltungsINDUSTRIE stammen. Ausnahmen wie „Forrest Gump“, „Pretty Woman“ oder „Titanic“ bestätigen da eher die Regel. Dieses geschrieben habend rufe ich dazu auf, die FÜNF Kinofilme zu benennen, die du zu deinen persönlichen Lieblingsstreifen zählst, die du mindestens einmal (egal wann) in einem Kino gesehen hast und die du jederzeit gern wieder in einem Kino sehen würdest.

Für mich sind das die folgenden Werke:

1) Lawrence von Arabien
Unser Vater nahm uns mit den Kristallpalast in Düsseldorf (an dessen Stelle nun auch schon seit 40 Jahren das Nikko-Hotel steht, in dem – Treppenwitz! – seinerzeit der tolle Film „Die Katze“ mit Götz George in der Hauptrolle gedreht wurde), das damals die größte Leinwand in der Stadt bot. Wir sahen diesen wunderbar breiten Film mit dem unvergleichlichen Peter O’Toole und dem noch unvergleichlicheren Anthony Quinn und waren über fast VIER Stunden (es gab zwei Pausen) gefangen. Ich mit meinen gerade mal zehn Jahren besonders. Unseren Vater hatte der Film so sehr begeistert, dass er auch die Schallplatte mit der Titelmusik erwarb, die dann wochenlang bei uns zuhause lief. Vermutlich habe ich den Film mehr als zehn Mal in Kinos gesehen. Leider aber auch im Fernsehen. Selbst auf einem riesigen Flachbildschirm lässt sich die Tiefe und Weite der Bilder nicht erleben. Deshalb bleibt der Lawrence für mich ein Kinofilm!

2) Amarcord
Für mich ist „Amarcord“ (neben „Roma“) DER Fellini-Film, obwohl ich natürlich alle seine Werke liebe. Vielleicht liegt es daran, dass ich diesen quasi autobiografischen Streifen mit den vielen skurrilen Gestalten und merkwürdigen Episoden merhmals in der guten, alten Lichtburg an der Düsseldorfer Kö gesehen habe, aus dem so eine miese Ami-Verarschungs-Kette eine Filiale gemacht hat. „Amarcord“ passte einfach in den plüschig-roten Hauptsaal. Auch dieses große, tragisch-komische Meisterwerk funktioniert am Fernseher nur sehr eingeschränkt, weil eben die typische Atmosphere eines Theaters fehlt.

3) M.A.S.H.
Robert Altman zählt neben Federico Fellini und Jim Jarmusch (siehe unten) zu meinen Kinogöttern. Ähnlich wie beim italienischen Großmeister fiel mir die Entscheidung schwer, denn außer der Militärklamotte wären auch „Nashville“, „Eine Hochzeit“ oder „Shortcuts“ in Frage gekommen. Letztlich habe ich mich für „M.A.S.H.“ entschieden, weil ich mit diesem Streifen den Regisseur entdeckt habe – und zwar im legendären Bambi in der Düsseldorfer Klosterstraße. Dabei war das alles nur ein Zufall. Wir drei oder vier Kunststudenten hatten beschlossen, ins Kino zu gehen, und einer schlug vor, mal zu gucken, was im Bambi liefe. Uns alle hat dieser schräge Film mit den tollen Bildern, mit Donald Sutherland und Elliott Gould zu einem Dauerlachen gebracht und uns einen reichen Schatz an Zitaten und Anspielungen (die bis heute gelten – ich sage nur „der schmerzlose Bohrer“) geschenkt. Man kann „M.A.S.H.“ auch im Fernsehen sehen, aber dann ist die Nähe zu der nicht einmal ein Viertel so guten TV-Serie im Weg.

4) Night on Earth
Von allen wunderbaren, spannenden, schönen, traurigen, komischen, bunten und schwarzweißen Streifen, die der gute Jim Jarmusch je gedreht hat, ist dieser Film aus meiner Sicht die Essenz. Vermutlich habe ich ihn schon vierzig oder fünfzig Mal gesehen – aber zum ersten Mal im Cinema in der Düsseldorfer Altstadt. Ich hatte gerade erst „Down by Law“ entdeckt und „Mytstery Train“ und war hin und weg von dieser (gibt es das Wort?) Lapidarität, von der Vorherrschaft der Bilder über das Wort, was sich daran beweist, dass man diese Filme problemlos und ohne Anstrengung in Orginalfassung sehen kann. Das gilt in besonderem Maße für „Down by Law“, in dem ja zwei Epsioden auf Englisch sind sowie je eine in Italienisch, Französisch und Finnisch. Natürlich gibt es Untertitel, aber ich empfehle, sich das Ding – gern auch von DVD auf dem Fernseher – ohne Untertitel anzusehen. Im Kino wirkt auch dieser Film erst so richtig durch diese dichte Armosphäre, die auf wundersame Weise mit der Atmosphäre eines richtigen Lichtspielhauses verbunden ist.

5) Harold and Maude
Und dann kam der Kinozirkus in die Stadt. Auf dem zugigen, unwirtlichen Platz vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus baute man ein zugiges Kinozelt auf, und alle jungen Leute taperten da hin. Wir auch, obwohl wir keinen Schimmer hatten, was es mit diesem Film auf sich hatte. Tatsächlich war „Harold und Maude“ im Jahr 1972 in deutschen Kinos ein Flop. Aber die Tournee mit der Originalversion (ich glaube sogar ohne Untertitel…) beförderte diese skurrile Tragikkomödie in das, was man heute „Kultstatus“ nennt. In einem normalen Kino in der synchronisierten Fassung ist der Streifen nicht halb so rührend, und am Fernseher ist es einfach ein Film wie viele andere…

In der engeren Auswahl waren noch: „Die Liebenden vom Pont Neuf„, „Blade Runner„, „Bin ich schön“ von Doris Dörrie, „Jules und Jim„, „18 Stunden bis zur Ewigkeit“ (Juggernaut), „Kleine Haie„, „Fahrraddiebe„, „Liebes Tagebuch“ von Nanni Moretti, „Tampopo„, „Eat Drink Man Woman„, „Rossini“ vom Dietel, „Pillow Book“ und einige andere Greenaway-Filme sowie „U-Turn„.

Und jetzt du.

[Foto: Geklaut von der Website des immer wieder großartigen Frankenheim-Openair-Kinos an den Düsseldorfer Rheinterassen im Sommer]