Jede Zeit hat den Imbiss, den sie verdient. War es in den Fünzigerjahren die heiße Wurst vom mobilen Wurstmaxe, die im Brötchen mit viel Senf genossen wurde, kamen in den Sechzigern die Pommes und die Pizza sowie natürlich Brat- und Currywurst. Und dann kam der Hamburger… Als uns um 1963 herum ein Primaner, der als Austauschschülern in den USA gelebt hatte, berichtet, dort esse man merkwürdig flache und ungewürzte Frikadellen in süßen Brötchen, haben wir gelacht. Zumal er ergänzte, es sei üblich, das Mürbchen mit Puderzucker zu schmücken. Dabei waren wir allem, was aus Amerika nicht abgeneigt – bei uns zuhause ganz besonders nicht, weil mein Vater ein großer Amerikafreund war. So stand bei uns bereits Ketchup auf dem Tisch als die meisten Mitschüler das Wort nicht einmal schreiben konnte. Tatsächlich boten aber schon vor der Ankunft von McDonald’s in Deutschland einige wenige Pommesbuden Dinger an, die sie Hamburger nannten.

Ich erinnere mich mit Schaudern an den Imbiss an der Moltkestraße, als die noch nicht hipsterfiziert war. In dem Laden, der später die teuerste Currywurst der Stadt anbot, hauste in den Siebzigerjahren ein Schnellfressladen der damals üblichen Qualitätsstufe. Der Burger bestand aus zwei nicht gerösteten Scheiben Toast, zwischen die eine Art platte Frikadelle gestopft wurde. Diese versah der Chefkoch mit einem Haufen Industrie-Röstzwiebeln, einer Scheibe Gewürzgurke und schleimiger Bratensosse. Zusammengehalten wurde das Kunstwerk von einem Zahnstocher. Da waren natürlich die ersten Cheesburger bei McDonald’s nachgerade kulinarische Offenbarungen. 1971 hatte die US-Fresskette in München begonnen, in Düsseldorf ging es 1973 los – die ersten beiden Filialen waren die (immer noch existierende) an der Graf-Adolf-Str. / Oststr. und die an der Duisburger / Nordstr. In beiden Fällen hatten die Klopsebrater altgediente Düsseldorfer Kneipen vom Typ „urig“ gekapert und für ihr Tun missbraucht.

Aber so wie wir uns am Bratensossenklops ergötzten, so liebten wir McDonald’s. Und je öfter wir dort speisten, desto mehr wurden wir zu Junkies und verlangten nach immer größeren Portionen. Da reichte dann ein Ham- oder Cheesburger nicht mehr, da mussten es zwei sein. Oder dann der Big Mac, schlimmer noch der legendäre „Viertelpfünder“, der heute „Royal“ heißt. Dazu immer auch eine Portion von diesen spindeldürren, extrem salzigen Fritten und ordentlich Coca-Cola. Vermutlich habe ich meinem Körper durch zwei- bis dreimal McD pro Woche zwischen 1973 und 1978 ernsthaft geschadet. Am Ende meiner Mäkkes-Ära bestand mein übliches Abendmenü aus zwei Viertelpfündern mit Käse, einem FishMäc und einer großen Portion Pommes. Cola trank ich damals ohnehin literweise. Meine Abhängigkeit war so groß, dass sich Freunde darüber lustigmachten und mir zu meinem Geburtstag anno 1976 einen Cheesburger schenkten – mit einem zölligen Nagel auf einem hölzernen Küchenbrett genagelt. Dazu eine Flasche der Dimension „mittlere Cola“, die ich übrigens heute noch besitze.

Was macht den Burger so attraktiv?
Wir wissen heute, dass die Kompositionen aus dem Hause McD von vornherein darauf abzielen, den Konsumenten süchtig zu machen. Das funktioniert über Fett und Zucker, und damit der Esser mit Zucker in Form von Softdrinks oder „Milch“shakes zu sich nimmt, muss in den Burgern viel viel Salz sein. Das alles macht kurzfristig glücklich, aber nicht satt, sodass das Opfer nach mehr verlangt, immer mehr. Aber das ist ein Spezifikum der US-Fressketten, denen bekanntlich die Gesundheit der Kunden am Arsch vorbeigeht, weil nichts anderes zählt als das möglichst renditestarke Quartalsergebnis.

Es sind weitere Faktoren, die den Mensch zum Burgeresser machen, und ich kennen sie, weil ich selbst jahrzehntelang darauf ansprang wie ein Pawlow’scher Köter. Schon als Kind bevorzugte ich alle Nahrungsmittel aus Fleisch, denen man nicht ansah, aus welchem Tier bze. Teil davon sie entstanden. Ich war ein großer Würstchen-Fan, ein Liebhaber von Cervelatwurst und Frikadellen, verabscheute aber Hühnerbeine und Stielkoteletts. Als Zwölfjähriger formulierte ich einmal meine Idealvorstellung von einem Imbiss so: Es müsste schieres Hühnchenfleisch sein, in mundgerechten Brocken, paniert und frittiert; dazu Ketchup. Ich hatte die McNuggets erfunden…

Tatsächlich sind aber Hackfleisch-Convenience-Produkte der einfachste Weg für Esser, Fleisch zu fressen ohne an das Schlachten, also das Töten und Zerteilen, das Blut und den Gestank denken zu müssen. Das macht Burger sehr, sehr attraktiv. Am liebsten aß ich meine Lieblingsdinger im Brötchen, weil ich da nicht mit Werkzeug hantieren musste – um das Messer zu meiden verzichtet ich gern darauf, Margarine zu applizieren. So konnte ich mehr Wurst hineinpacken, die Semmel mit beiden Händen ans Maul führen und herzhaft hieneinbeiße. Der dritte Faktor ist dann die Auswahl an Zutaten, die den Umami-Geschmack der Bulette steigern, was besonders Produkte tun, die säuerlich sind (Gewürzgurke, Tomate) ode leicht scharf (Senf). Schließlich muss etwas enthalten sein, das knackt. Dazu dient der sogenannte Salat – meistens völlig geschmacksfreier Eisberg“salat“, der vor der Verarbeitung gekühlt wird, um später auf dem lauwarmen Fleisch noch zu knacken.

Warum sind Burger jetzt so angesagt?
Die Düsseldorfer Ausgabe des „Prinzen“ hat im vergangenen Juni einen Beitrag zum Burger-Trend gebracht und dabei die Burger-Restaurants der Stadt vorgestellt. Keiner der völlig unkritisch präsentierten Anzeigenbucher existierte zu jenem Zeitpunkt länger als zwei Jahre! Von einem „Trend“ zu sprechen, muss als schlimmer Euphemisus gewertet werden. Burger sind die Bratwurst der Hipster und der Gentry, die sich einen Besuch bei McDonald’s oder BurgerKing nicht mehr zumuten wollen, aber immer noch aus den genannten Gründen auf Hamburger abfahren. Nur dass sie sich jetzt unter ihresgleichen was Besonderes leisten wollen.

Denn der moderne Burger ist vor allem eins: sauteuer. Beim extremst gehypten „What’s Beef“ an der Immermannstraße, wo sich die Social-Media-Berater und Wasmitmedien-Fuzzis die Klinke in die Hand geben, kostet die Basisversion SIEBEN Euro; mit allerlei Gedöns aufgepimpt werden da gleich 10 Ocken draus, und ein doppelter Cheesburger lässt 14 Euro in der Kasse klingeln. Dass die Karte komplett auf englisch ist und sich in einem mild-ironischen Tonfall übt, kommt dem Schnöseltum der Kundschaft entgegen. Und natürlich sparen sich die Betreiber zur Profitmaximierung das Servicepersonal. So holt man aus 160 Gramm Rindfleisch (ein Kilo der verwendeten Qualität dürfte für einen Großabnehmer rund 12 Euro kosten…) die maximal Rendite, denn der/die/das Patty wird höchstens Kosten in der Gegend von (1 Kilo = 8 Patties, Fleisch für einen Patty also rund 1,50 Euro) 3 Euro erzeugen. Der Rest liegt im Cent-Bereich.

Die Unterschiede
Sich „mal einen richtig guten Burger zu genehmigen“ ist Teil eines völlig bescheuerten Lifestyles, der in der Generation Y als cool gilt. Sogar die Besserverdiener unter den ganzen Kreativen und BWLern greifen gern zum Klopsbrötchen, dann aber gourmet-mäßig. Da sind dann 14 Euro für einen Wagyu-Burger immer drin. Und wer gerade auf der Vegan-Woge surft, kriegt sogar einen veganen Burger, der trotz wesentlich geringerem Wareneinsatz gleich 50 Prozent teurer als das Frikadellendings ist. So wird jeder Trend dieser verwirrten Generation bedient. Hauptsache man wird nicht mehr bei Mäkkes oder Würgerking erwischt, denn dort Hamburger zu erwerben, ist aber sowas von uaaah-aaahh voll daneben. Eher was für Mittelschüler und Fußballprolls. Die kriegen dort aber ihre 160-Gramm-Rindfleisch-Semmel schon für Dreifuffzich.

Im Gegensatz zu What’s Beef, dem Laden mit dem Preiumanstrich, setzt Stier Royal in Friedrichstadt auf Vielfalt und verrückte Ideen. Man wird dort tatsächlich am Tisch bedient! Von richtig lebenden Menschen. Offensichtlich adressieren die Betreiber eher die Digitalnaiven, was sie durch den demonstratibven Verzicht auf eine Website dokumentieren. Stattdessen liken rund 4.800 Burger-Freaks deren Facebook-Seite. Ein schlauer Trick, denn so kann niemand online die Speisekarte checken oder gar die exorbitanten Preise für die teilweise völlig ausgeflippten Kreationen studieren. Das stört komischerweise besonders die armen Studenten wenig, die auf der Straßenbahnfahrt von der Uni in die Stadt an der Zimmerstraße eine Esspause einlegen und den Stier Royal regelmäßig überfüllen.

Die Ähnlichkeit zwischen WB und SR liegt darin, dass man beiden Läden ins Profil geschrieben hat, irgendwer habe sich seinen persönlichen Traum von einem Burger-Restaurant verwirklicht. Da fragt man sich schon: Was sind das für Typen, die von einem Burge-Restaurant träumen? Auch Richie Nicolaus soll ähnlich halluziniert haben und deshalb das Richie’n’Rose in Bilk eröffnet haben. Mehr als die Öfnungszeiten und den Link zur Facebook-Seite gibt die Website auch nicht her. Dafür wird auch dort Selbstbedienung zelebriert. Sowie alles auf englisch kommuniziert – unter anderem das Gewicht der Klopse; wer weiß schon, wieviel Gramm acht Unzen sind? Aber die Kundschaft, die – vergleicht man die Gemeinden der Liker – weitgehend identisch mit dem der anderen Hip-Burger-Buden ist, lässt sich halt gern verarschen.

Wobei es immer wieder die Vegetarier und vor allem die Veganer sind, die den Ruf einer solchen Burger-Schmiede verbreiten. Da heißt es dann immer lobend: „Da gips sogar vegaaaane Börger…“ Ja, wenn’s denn schee macht. Dass ausgerechnet die Fleischablehner Reklame für Fleischlklopsbrater machen, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Da sind die Jungs vom Bullhut BBQ ehrlicher, nennen sich Steakhaus und ignorieren die ganzen Veggies. Im Untergeschoss der Schadow-Arkaden wird Fleisch und Fisch gegrillt, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Burger nur deshalb so weit oben in der Karte stehen, weil die gerade angesagt sind. Dass man dort aber knapp neun Euro für einen einfachen Cheeseburger verlangt, grenzt an Trickbetrügerei. Immerhin wird der Luxuspreis nicht durch irgendwelche verschwurbelten Nachhaltigkeitsversprechen bemäntelt.

In der Altstadt ist schon vor Längerem der Spaceburger gelandet, der inzwischen einen Ableger in Pempelfort gekriegt hat und seit Neustem einen Burger-Bringdienst betreibt – Mindestbestellwert 25 (FÜMFUNZWANZICH!!!) Euro. Das Klopsetaxi fährt aber auch nur wochentags von 11:30 bis 15:00, sodass dieses Angebot wohl nur den am Mac pausierenden Kreativfuzzis und fuzzeln gewidmet ist. Dabei sind die Preise im Vergleich zu den obercoolen Burger-Schuppen moderat (Cheesburger 6,50). Noch preiswerter sind die Burger-Brothers aus Köln, bei denen der mit Käse getoppte 180-Gramm-Patty im Bun (so heißt Brötchen auf burgerisch) auch 6,50 kostet.

Geschichte wiederholt sich
Ältere Düsseldorfer, die in den Siebzigern gelegentlich in Oberkassel verkehrt haben, werden sich an das schöne Lokal namens „Hutterer & Schranz“ erinnern, das am Fuß der Kniebrücke im heutigen Domizil des „Confetti’s“ untergebracht war. Dort kehrten wir einige Zeitlang sonntags am Vormittag zum Billardspiel ein. Und zu Mittag orderten wir dann … einen Hamburger! Der war in jeder Hinsicht größer als der McD-Viertelpfünder, sehr sehr sehr viel leckerer und konnte mit verschiedenen Zutaten geordert werden. Recht eigentlich darf dieser Burger als der legitime Vorfahre der heutigen Luxus-Burger betrachtet werden. Wobei es dieses Teil in der Billardkneipe schon vor der Ankunft von McDonalds in Düsseldorf gab.

Apropos: Der Trend zum Hyper-Burger beschränkt sich natürlich nicht auf Düsseldorf, sondern herrscht auch in anderen Metropolen, wo sich das passende Publikum angesammelt hat. Weil aber McD in Deutschland in 2014 zum allerersten Mal einen Umsatzrückgang – wenn auch nur um einen Prozentpunkt – zu verzeichnen hatte und die Gourmet-Konkurrenz als eine Ursache dingfest gemacht hat, reiten die Frikadellen-Amis jetzt auch auf der Highend-Welle. „Simmentaler Deluxe“ (siehe Foto) heißt die Basiversion, und er Interessent muss erstmal google, um sich schlau zu machen, was es denn mit „Simmentaler“ auf sich hat. Na ja, gut klingt der Name schon, und die Zutaten auf dem Bild sehen alle irgendwie total bio aus… Wieviel man für einen solchen Uber-Mäkkes raustun muss, bleibt zu recherchieren. Vermutlich wird er den Wert von mindestens fünf Normal-Hamburger haben, vielleicht sind es sogar sechs – denn der Ur-McDonalds-Hamburger kostet nach wie vor nur einen Euro.