Lesestück · Was heute das NRW Forum im Ehrenhof ist, war bis 1995 das „Landesmuseum Volk und Wirtschaft“. Es war nach dem zweiten Weltkrieg nahtlos aus dem „Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde“ entstanden und 1951 eröffnet worden. Zahlreiche Exponate, das war bekannt, stammten noch aus der NS-Zeit. Uns Kindern der Fünfziger- und Sechzigerjahre war das herzlich egal. In den Ferien mindestens einmal ins Wirtschaftsmuseum zu gehen, gehörte zum Pflichtprogramm. Besonders attraktiv waren die Dauerausstellung und das nachgebaute Bergwerk im Untergeschoss mit Stollen in Originalhöhe. [Lesezeit ca. 3 min]

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Kennengelernt habe ich dieses wunderbare und auch ein bisschen geheimnisvolle Museum vermutlich im Jahr 1960. Zu Ostern 1959 wurde ich auf der Volksschule Kirchfeldstraße eingeschult. Unsere Klassenlehrerin hieß Christa Krämer und hatte ein Faible für das Fach Heimatkunde. Also unternahm sie mit uns Schülern im ersten oder zweiten Schuljahr einen Ausflug zum Ehrenhof und dort eben in dieses Landesmuseum. Danach bin ich jedes Jahr mindestens zweimal dort gewesen, zuletzt irgendwann Mitte der Achtzigerjahre in Begleitung meines Sohnes.

Möglicherweise habe ich im Wirtschaftsmuseum auch Fotos gemacht, leider ist keines davon auffindbar. Also bin ich auf meine Erinnerung angewiesen. Natürlich war das Bergwerk im Keller ein Highlight, das man sich immer bis zum Schluss aufhob. Tatsächlich hatte man Stollen nachgebaut und in mehreren Buchten Szenen des Steinkohlebergbaus der zurückliegenden hundert Jahre mit Puppen und Originalausrüstung nachgestellt. Wenn ich in den Ferien vormittags hinging, wenn das Museum gerade geöffnet worden war, war ich nicht selten fast allein in den Räumen. Dann hinabzusteigen in den Schacht, war eine kleine Mutprobe – ein bisschen gruselig war es schon.

Das Wirtschaftsmuseum auf einer Postkarte aus den 50ern (via oldthings.com)

Sehr viele Exponate waren – das Wort gab es damals noch nicht – „interaktiv“. Ich erinnere mich an ein Diorama in einem großen Schaukasten, das eine kleine, idealtypische Stadt darstellte. Mit einem Knopfdruck konnte man einen Tagesablauf in Zeitlupe starten. Zuerst schleif das Örtchen, nur die Straßenbeleuchtung war eingeschaltet, die dann mit beginnendem Tageslicht erloschen. Zwischendurch ging das Licht in verschiedenen Häusern an, langsam setzte sich die Stadt in Bewegung: die Straßenbahn fuhr, Autos, Motor- und Fahrräder waren unterwegs, und in winzigen Werkstätten sägten Schreiner und hämmerten Schmiede. Und so ging es über den Tag bis alles wieder schlafenging.

Natürlich war die feste Ausstellung ganz im optimistischen Sinne des Wirtschaftswunders aufgebaut. Die chemische Industrie wurde zum Segensbringer verklärt, der Braunkohleabbau als hochmodern vorgestellt, und überhaupt war Nordrhein-Westfalen ein Wunderland, in dem die idyllische Landwirtschaft in friedlicher Harmonie mit Stahlwerken und Fabriken koexistierte. Das entsprach genau dem, was uns Frau Krämer in den Volksschuljahren beigebracht hatte und die Erdkundelehrer am Leibniz-Gymnasium später ebenfalls predigten.

Das Schicksal des Wirtschaftsmuseums war spätestens Ende der Siebzigerjahre vorgezeichnet. Während die permanente Ausstellung kaum aktualisiert wurde und nur noch den Geist der Fünfziger verströmte, zogen die parallel laufenden Ausstellungen nach und nach immer weniger Besucher. Und am Gebäude hatte der Zahn der Zeit auch schon heftig genagt. Wenn ich mich täusche, wurde das Bergwerk schon um 1975 herum aus Sicherheitsgründen geschlossen. Die letzte Show war dem Kunststoff gewidmet und fand 1995 statt. Danach zogen sich Sanierungsarbeiten bis 1998 hin, 1998 wurde das Haus als „NRW Forum Kultur und Wirtschaft“ wieder eröffnet.

Der Schwerpunkt lag und liegt seitdem auf dem, was man „Popkultur“ nennen könnte. Viele beeindruckende Fotografieausstellungen fanden seitdem dank der hervorragenden Arbeit von Petra Wenzel und Werner Lippert statt, und mit Alain Bieber als künstlerischem Leiter ab 2014 verbreitete sich das Spektrum der Themen, eine teils radikale Modernisierung der Präsentationsformen hat das NRW Forum zu dem gemacht, was es heute ist.