Es spielte schon in mehreren meiner Erinnerungsstücke eine Rolle: Als Jugendlicher wollte ich unbedingt Künstler werden. Inspiriert hatte mich mein Schulfreund Jörg W. und dessen Mutter, die am Kom(m)ödchen arbeitete und durch die ich Zugang zu Künstlerkreisen hatte. Jörg war mit seinen sechzehn Jahren künstlerisch schon sehr aktiv, und ich begann ihm ab etwa 1968/69 nachzueifern. Über Bernd-Christian N., einen anderen Schulfreund, war ich zur selben Zeit in eine Art Beraterkommitee geraten, das von einem Werbefuzzi im Vorfeld der Messe „Teenage Fair“ befragt wurde. Aber, alles, was nicht in deren Kommerzkram passte, fand dann nicht statt. Dafür aber fanden sich im Sommer 1969 ein paar junge Künstler zusammen und begannen eine Kunstausstellung unter dem Namen „Teenage Art“ zu planen – wie der Name andeutete, sollten nur Leute ausstellen, die maximal neunzehn Jahre alt waren.

Und tatsächlich fand Teenage Art statt. Nach meiner Erinnerung im Februar oder März 1970 im Haus der Jugend an der Lacombletstraße, diesem so unglaublich wichtigen Zentrum für die verschiedensten jugendkulturellen Aktivitäten, das nun abgerissen und durch einen schicken Neubau ersetzt wird. Im Jahr der Kunstausstellung war das HdJ gerade einmal zehn Jahre alt und prima in Schuss. Für zwei Wochenenden und die Tage dazwischen waren alle verfügbaren Räume (ausgenommen die Halle und das Café) jungen Künstler*innen zur Verfügung gestellt worden. Jörg und ich nutzten einen Raum im ersten Stock, und weil wir uns natürlich als Teil einer Avantgarde sahen, wollten wir nicht einfach nur Bilder an die Wände hängen.

Das taten die anderen Teilnehmer*innen auch eher weniger. Es gab von oben bis unten vor Ort bemalte Wände, merkwürdige Objekte und diverse Aktionen – bei einer davon kamen um die zwanzig Kilo gekochter Spaghetti zum Einsatz, mit denen das Treppenhaus verschönert wurde. Im Kellergeschoss hauste eine temporäre Hippie-Truppe auf gammeligen Perserteppichen, ausgestattet mit viel Batik, Kerzenlicht und Tee, die etwas produzierten, was sie für indische Musik hielten. Außerdem wurde da unten rund um die Uhr gekifft. Dass es nicht beim Verzehr von Cannabis blieb, musste ich am eigenen Leib erfahren. Dazu später mehr.

Jörg und ich hatten unseren Raum völlig abgedunkelt und die Wände mit schwarzem Molton verkleidet (das wir uns beim Kom(m)ödchen geliehen hatten). Spärliches Licht erhellte die Objekte, die Jörg hergestellt hatte: Große mit zerknüllter Alufolie beklebte Tafeln, die er farbig bemalt hatte. Ich war mit zwei Objekten am Start. Die mutigen unter den Besucher*innen sollten ihren Kopf in einen Kasten stecken, der innen komplett mattschwarz ausgemalt war. Außerhalb des Blickwinkels gab es bunte Lämpchen, die aus dem Modellbau stammten, und im Inneren hingen Kettchen und Schnüre von oben herab, an die man beim Hineinstecken des Kopfes stieß. Soweit ich mich erinnere, hat kein*e Besucher*in den Versuch gewagt. Außerdem hatte ich auf einem mit schwarzem Samt bedeckten Tisch eine Reihe von Objekten aus Roheisen sowie ein paar Werkstücke aus demselben Material ausgestellt. Jörg hatte zusätzlich eine oder zwei kinetische Skulpturen mit Lichtern und Spiegeln beigesteuert.

Aber das war alles nicht so wichtig wie die Tatsache, dass wir Austeller*innen uns Tag und Nacht im HdJ aufhalten durften, um unsere Kunstwerke zu bewachen. Und so lief eine endlose Party ab. Alkohol war allerdings verboten, und wir mussten unser Flaschenbier hineinschmuggeln und verstecken. Bei einem Besuch der Kellerkommune servierte man mir Tee, und als ich den getrunken und mich verabschiedet hatte, begann mein einziger LSD-Trip, der sich zu einem Horrortrip voller Paranoia entwickelte. Dass man mir von der Substanz in den Tee getan hatte, wusste ich nicht. Aber schon im Treppenhaus begannen sich die Strukturen zu verändern. Ich verlor völlig die Orientierung, hatte die Angst meines Lebens und verschanzte mich schließlich in einer Toilettenkabine, aus der mich meine damalige Freundin erst nach mehreren Stunden locken konnte.

Ob Teenage Art im HdJ irgendeine Auswirkung hatte, ob es überhaupt irgendeine Form Medienberichterstattung gegeben hat – ich weiß es nicht mehr. Ich erinnere mich auch an keine*n andere*n Teilnehmer*in und ob aus irgendeiner*m Künstler*in später was geworden ist. Ich weiß nur noch, dass Jörg und ich weiter die Jungkünstler mimten, dass er ein Jahr später an die Kunstakademie Hamburg ging und Bühnenbild studierte und ich mich im Oktober 1972 an der Düsseldorfer Kunstakademie einschrieb. Jörg hat sein Leben lang immer auch gemalt und tut das heute noch. Ich dagegen habe die bildende Kunst unterwegs verloren.