Schon klar, Dutzende Leser werden hier kommentieren und schreiben: „Aber ihr habt meine Lieblingseisdiele nicht erwähnt!“ oder „Das Eis-Café So-und-so ist aber viel älter/besser/bunter/breiter“. Und genau das haben wir im Sinn, nämlich eine große Sammlung der beliebtesten Speiseeiszapfstellen der Stadt. Wobei dieser Beitrag den traditionellen Gelaterien gewidmet ist und den ganzen neumodischen Kram ignoriert. Vor allem diese Eis-Cafés für Hipster, die irgendwas mit „Manufaktur“ oder „Fabrik“ heißen müssen. Darauf stehen wir ebenso wenig wie auf dieses Frozen-Yoghurt-Mode-Zeugs. Hier geht es um Milch- und Fruchteis, das immer noch gemacht wird, wie vor 40, 60 oder gar 100 Jahren. Denn das älteste Eis-Café Düsseldorfs existiert tatsächlich schon mehr als ein ganzes Jahrhundert. Deshalb beginnen wir unsere Rundreise auch damit: Das Eis-Café Da Forno auf der Schwerinstraße in Pempelfort.

Da Forno auf der Schwerinstraße: das erste Eis-Café in Düsseldorf

Auch wenn der Standort noch relativ jung ist, weil das Eis-Café der Familie Forno erst in den Sechzigerjahren dorthin gezogen ist, so umweht es doch ein Hauch von Geschichte. Die ist eng damit verknüpft, dass Düsseldorf schon seit dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ein Ziel für italienische Migranten war. Denn dank der wunderbaren Anna Maria Luisa de Medici, die dem Jan Wellem sin Frau war, bestanden schon ab dem Beginn des achtzehnten Jahrhunderts Verbindungen zwischen dem norditalienischen Raum und der schnuckeligen Residenzstadt, die datt Anna noch schön gemacht hat. Wie manche italienischen Familien aber im zwanzigsten Jahrhundert hierher kamen, hat der große Düsseldorfer Schriftsteller Dieter Forte in seinem Roman „Das Muster“ wunderbar erzählt. Der ist Teil der Trilogie „Das Haus auf meinen Schultern„, die jeder Düsseldorfer und alle, die Düsseldorf mögen, gelesen haben sollte.


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Jedenfalls dürften die Fornos zu den Gelatieri zählen, die noch vor dem ersten Weltkrieg über Wien ins Rheinland kamen. In Italien selbst gibt es drei Zentren des Speiseeises: Sizilien, Neapel und die Dolomiten-Region rund um Belluno. Alles was im süditalienischen Raum als Gelato angeboten wird, zählt eigentlich eher zur Familie der Sorbets. Und das ist eine uralte Familie. Denn sowohl die römischen, als auch die chinesischen Kaiser liebten es, frischen Schnee mit Früchten vermischt als Erfrischung zu genießen. Den Schnee ließen sie sich von Schnellläufern aus den Bergen holen. Mit dem römischen Reich ging auch die Methode zugrunde, und es war Marco Polo, der sie aus China wieder nach Europa holte. Auch im Nahen Osten erfreute sich – jedenfalls da, wo Schnee zur haben war – großer Beliebtheit. Warum aber ausgerechnet das arabische Wort „Scherbet“ die Vorlage für den Begriff „Sorbet“ wurde, ist unbekannt. In Süditalien nennt man diese Sorte Eis übrigens meistens „Granita“. Man kann sagen: Granita ist die Urmutter aller Fruchteissorten.

Es gibt Experten, die meinen, der Bedarf an Sorbets und Eiscreme habe die Entwicklung der Kältemaschinen entscheidend vorangetrieben. Andere behaupten, es sei genau umgekehrt: Erst die großräumige Verfügbarkeit von Stangeneis habe den Boom des Speiseeises zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts möglich gemacht. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum die Bewohner zweier Täler in den venzianischen Dolomiten so erfolgreich als Gelatieri wurden. Denn die hatten auch ohne Kühlmaschinen immer Eis in der Nähe – sie mussten ja nur in die Berge gehen und es holen. Mangels Südfrüchten in der Region setzten die Dolomiten-Gelatieri zuerst auf halbgefrorene Cremes. Ob sie dabei von einer neapolitanischen Spezialität inspiriert wurden, die der Reiseschriftsteller Fürst Pückler dort entdeckte hatte, ist ungewiss. Jedenfalls ist das typische Eis aus Venetien eine aromatisierte Sahne-Milch-Creme (ursprünglich immer durch Eigelb legiert). Vermutlich stellen die Sorten Vanille, Nuss und Mokka die ältesten Geschmacksrichtungen dar, weil schon in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts auch im Veneto schon Vanille zu haben war und auch schon Mokka getrunken wurde. Und Haselnüsse gab es in der Region ohnehin.

Trotzdem war die Herstellung von Eiscreme bis 1927 ein mühsames Geschäft, denn die gefrierende Sahne-Milch-Masse musste permanent mit einem Spachtel und von Hand bewegt werden, damit keine steinharten Klumpen entstanden. Im genannten Jahr wurde die erste automatische Eismaschine patentiert, und jeder Inhaber einer Eisdiele zwischen Palermo und dem Nordkap schaffte eine an, wenn denn das Geld da war. Bei den italienischen Migranten, die sich in Österreich und Deutschland erfolgreich als Eismacher angesiedelt hatten, war das fast durchgehend der Fall, denn italienisches Eis war zwischen den Weltkriegen schon extrem populär. Besonders im Wiener Raum sowie im Rheinland und im Ruhrgebiet. So wie die armen Leute aus dem Veneto Ende des neunzehnten Jahrhunderts nach Norden wanderten, so kamen dann auch in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg wieder viele Italiener nach Deutschland, um ein besseres Leben zu finden. Aber an das Speiseeis trauten sich nach wie vor fast nur Leute aus den Dolomitentälern heran. Düsseldorf blieb ein Hauptanziehungspunkt, weil es hier schon eine große italienische Kolonie gab. Denn die Gerresheimer Glashütte hatte ab 1920 systematisch Glasmacher aus Italien angelockt, die quasi einen Brückenkopf bildeten.

Und so kamen nach der Familie Forno weitere Leute aus dem Veneto, um in Düsseldorf Eis anzubieten. Die erste Welle von vor dem ersten Weltkrieg war noch eher schwach. Zwischen den Kriegen waren es schon ein paar mehr, aber in den Jahren der Fresswelle in den Jahren des Wirtschaftswunders schossen Eisdielen wie die Pilze aus dem Boden. Übrigens: Das Wort „Diele“ bezieht sich angeblich darauf, dass die Gelatiere einst in Wien keine mobilen Verkaufsstellen mehr betreiben durften, das Eis also in Erdgeschosswohnungen machten und durchs Fenster verkauften. Damit die Kunden auch bis ans Fensterbrett gelangen konnten, wurden Holzdielen auf Steinen als Trittstufen angebracht. Das Eis-Café Belluno auf der Helmholtzstraße hat genau eine solche Konstruktion heute noch vor dem Verkaufsfenster.

Womit wir bei den Eisdielen und Eiscafés in Düsseldorf wären. Ihr sehr ergebener Eisesser erinnert sich an genau zwei solche Etablissements. Am Dreieck gab es bis weit in die Achtzigerjahre an der Ecke Nord-/Collenbachstraße eine provisorische Bebauung, die auch ein Eiscafé enthielt. Mein Onkel Harald, der uns Kindern gegenüber immer sehr spendabel war, drückte uns bei Besuchen gern mal eine Mark in die Hand und sagte: Geht euch mal ein Eis holen. Ob das heute mit einer großen Terrasse versehene Eis-Café der direkte Nachfolger ist, weiß ich nicht. Über allem thronte aber: PALATINI! Man muss den Namen in Großbuchstaben schreiben, weil er über gut und gerne 30 Jahre stellvertretend für italienisches Eis in Düsseldorf stand. Das erste Palatini entstand an der Graf-Adolf-Straße und ist heute Wartezimmer einer Zahnklinik. Dann kam die Filiale auf der Lorettostraße, lange Zeit das Schönste an dieser nicht so schönen Straße. Auf der Rethelstraße wurde das Palatini zu einem Treffpunkt der Generationen und festem Anlaufpunkt nach Spaziergängen im Zoopark. Von ungefähr 1965 bis etwa 1990 sagte man nicht: „Komm, wir gehen ein Eis essen“ sondern „Komm, lass uns zu Palatini gehen“. Die Eiskarte konnte ich einige Jahre auswendig, und in einer Nische hinten rechts im Palatini an der Rethelstraße habe ich meine Jugendliebe zum ersten Mal in der Öffentlichkeit geküsst.

Palatini gibt es noch, aber was jetzt so heißt, hat mit dem Kult-Eismacher wenig zu tun. Das Eis wird seit 2006 in Schwalmtal erzeugt und nicht nur an die fünf eigenen Eiscafés (eines davon in Eller auf der Gumbertstraße), sondern auch an viele andere Eisdielen in der Region sowie an Restaurants geliefert. In einem Hinterhof an der Keplerstraße findet man noch die traurigen Reste der ehemaligen Produktionsstätte. Das Palatini an der Graf-Adolf-Straße litt von allen gastronomischen Betrieben in der Nähe am meisten unter den Kinoschließung, denn früher gehörte ein Eis im oder vom Palatini zum festen Programm eines Kinoabends.

Bleibt noch die Frage nach dem legendären Unbehaun-Eis. Schon seit 1906 bietet Unbehaun Eiscreme italienischer Art an. Verschiedene mündliche Quellen wissen zu berichten, dass Unbehaun ursprünglich eine Konditorei war und durch einen italienischen Mitarbeiter eher zufällig aufs Speiseeis kam. Ungewöhnlich war das nicht, denn außerhalb der deutschen Zentren des italienischen Eises waren es oft die Konditoreien, die neben Kuchen, Torten und Gebäck auch Eiscreme anboten – so es denn jemanden gab, der das Handwerk des Eismachens beherrschte. Dieselben Quellen meinen, Unbehaun sei etwa 1960 an den heutigen Standort gezogen – der Stil der Inneneinrichtung spricht dafür. Viele Düsseldorfer schwören auf Unbehauns Eis, und es soll Fans geben, die von Köln nur wegen dieser Eiscreme in die Stadt kommen. Tatsächlich ist Unbehaun noch nicht sah lange Kult. Heutzutage tummeln sich Dutzende Eisesser auf den Gehwegen vor, neben und gegenüber dem Eiscafé an der Aachener Straße, und bei schönem Wetter kann es auch schon mal eine halbe Stunde dauern, bis man den randvoll gespachtelten Becher in der Hand hat. Das war vor gut 30 Jahren noch anders, da war das Eis aus Volmerswerth noch ein Geheimtipp. Nur die Menschen, die in einem Umkreis von gut einem Kilometer aufgewachsen waren, kannten Unbehaun. Erst Berichte in den lokalen Medien und im WDR-Fernsehen in den Jahren 1985 bis 1900 machten diese ungewöhnliche Eisdiele so populär wie sie heute ist.

Eis-Café Belluno auf der Helmholtzstraße

Aktuell sind die beiden Eis-Cafés in meiner Nachbarschaft meine Lieblingseisdielen: Das Belluno auf der Helmholtzstraße und die Gelateria Profeta auf der Corneliusstraße. An diesen beiden Läden habe ich erlebt, wie die Erinnerungen einen täuschen können. Hatte ich doch gedacht, Belluno gäbe es schon immer… Tatsächlich war es die Familie Profeta, die 1959 am heutigen Standort eröffnete und für uns Pänz von der Corneliusstraße wichtiger Anlaufpunkt wurde. Heute leidet das wirklich nette Eis-Café mit dem sehr guten Eis und den enorm freundlichen Leute dort natürlich unter dem irrwitzigen Autoverkehr der Giftmeile. Und trotzdem: Draußen auf dem Trottoir an einem Tisch auf einem klassischen Drahtstuhl zu sitzen und ein Eis zu essen oder einen Espresso zu schlürfen, hat es wunderbar Nostalgisches. Übrigens: Auch das Belluno kann jetzt zu den Traditions-Eiscafés gezählt werden, feierte es doch im vergangenen Jahr auch schon sein 40. Jubiläum.

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