Enttäuschungen entstehen auf der Basis von Erwartungen. Und oft ergeben sich Erwartungen aus Erinnerungen. So auch in diesem Fall. Einmal sind wir an einem lauschigen Spätsommerabend beim „Gallo Nero“ an der Karolinger- Ecke Binterimstraße eingekehrt und haben draußen auf der Terrasse am Gehweg Platz genommen. Ich weiß noch wie der Chefe mit einer großen Keramikplatte voller frischer Steinpilze herauskam und diese empfahl. Ich nahm sie mit Salsiccia und Tagliatelle. Es schmeckte wunderbar. Die Atmosphäre war toll. Wir beschlossen, hier öfters zum Essen zu kommen. Wie das so ist, ergab sich kein weiterer Besuch. Aber für den Montagabend hatte ich reserviert – es gab etwas zu feiern. Unsere Erwartungen waren hoch, aber sie wurden bitter enttäuscht. Um es gleich vorwegzunehmen: Wir würden trotzdem niemals davon abraten, im Gallo Nero zu speisen – nur wir werden dem Ristorante wohl keine weitere Chance geben.

Leider betraf die Enttäuschung sowohl das Essen, als auch den Service. Mir war nach Suppe, also fragte ich, ob eine außerhalb der Karte im Angebot sei. Ja, hieß es nach Minuten, es gäbe frische Tomatensuppe, die ich dann auch bestellte. Die Mitesserin entschied sich für das Carpaccio mit Steinpilzen. Was man mir vorsetzte, war keine Suppe, sondern ganz offensichtlich passierte Tomaten – vermutlich aus dem Päckchen oder der Dose. Man hatte sie warmgemacht, gewürzt, mit einem Klecks Sahne sowie drei schlappen Basilikumblättern versehen. Die Konsistenz war breiig, aber abgeschmeckt war sie gut. Vom Carpaccio war angesichts der hocharomatischen Poccini geschmacklich nichts zu erkennen.

Auf der Tafel wurde „Iberico mit Tagliatelle und Pfifferlingen“ angeboten, das ich bestellte. Mein Gegenüber hatte sich für Ravioli mit Ziegenkäsefüllung entschieden. Inzwischen war der Patron eingetroffen. Anstelle des Kellners brachte er die Hauptgänge. Während er die Ravioli absetzte, erkannte ich Lammkoteletts auf der anderen Platte und intervenierte. Er: „Ist schlimm?“ Ich: „Ja, mich hat das Iberico von der Tafel angelacht“. Kommentar des Chefs: „Dann muss ja alles neu gemacht werden.“ Dies mit mildem Vorwurf in der Stimme. Er nahm auch die Ravioli an sich und verschwand. Der Kellner kam an den Tisch und entschuldigte sich für das Missverständnis. Nach einer angemessenen Zeitspanne brachte dann der Chefe die Teller. Wieder falsch: Jetzt bekam ich das Iberico-Kotelett von der normalen Karte – mit Gemüse und Bratkartoffeln! Auch darauf machte ich aufmerksam. Mit einem Lächeln und einem leichten Schulterklopfen ging er drüber hinweg.

Natürlich waren die Ravioli nicht „neu gemacht“, sondern hatten die Zeit offensichtlich unter der Wärmelampe verbracht. Der Nudelteig war perfekt, die Füllung fade. Dau einen Hauch von einer zitronigen Sauce. Die Portion war für eine Prima Piatto deutlich zu klein. Außerdem: Wenn ein Gast einen Nudelgang als Hauptspeise bestellt, bekommt er in den meisten Restaurants eine etwas größere Portion. Es mag ungerecht sein, aber ich bezweifle, dass das Kotelett auf meinem Teller vom Ibérico-Schwein stammte. Es schmeckte wie sehr gutes „normales“ Schweinefleisch und hatte weder den spezifischen Ibérico-Geschmack, noch die spezifische Kotelettform. Es war allerdings perfekt gegart und schön saftig. Die Beilage war eine Katastrophe. Die Böhnchen waren gummiartig, die Bratkartoffeln matschig, der Rest geschmacksarm. Dieser Teller kostete 23 Euro!

Positiv herausstellen müssen wir also nur den hervorragenden Chianti, der allerdings viel zu kalt zu Tisch gebracht wurde und immerhin 40 Euro kostete. Zum Abschluss nahm ich einen Espresso. Dann kam die Rechnung. Bei einem derartigen Servicechaos wäre zu erwarten gewesen, dass wenigstens der Kaffee „aufs Haus“ gegangen wäre. Oder dass der Patron uns irgendeine andere Entschädigung angeboten hätte. Nichts da – alles war berechnet, und die Summe betrug 109 Euro. Wir waren doppelt enttäuscht, weil wir uns einen besonderen Abend hatten machen wollen, der hier vom Gallo-Nero-Team schwer beschädigt wurde.