Man kann sich alles schönreden. Meister der Schönrednerei sind Politiker und die von ihnen abhängigen Medien. Und geradezu ein Präzedenzfall für Schönrednerei sind kommunale Großveranstaltungen, deren irrwitzigen Kosten für die jeweilige Kommune mit dem sogenannten „Werbewert“ gerechtfertigt werden. So argumentieren Teile der Düsseldorfer Kommunalpolit-Belegschaft fortdauernd mit einem solchen Werbewert, um das Verschleudern von Kohle, die woanders mehr als dringend gebraucht würde, für den Start der Tour de France in unserer schönen Stadt zu rechtfertigen. Wie fast alles in der Reklamewirtschaft ist auch der Werbewert von Großveranstaltungen gelinde gesagt fiktiv. Nun wird natürlich jede Lobbyistin und jeder Lobbyist immer einen Werbefuzzi als Experten gewinnen, der den gewünschten Werbewert herbeiredet – substanziell ist daran gar nichts. Und wenn ein Mitglied des hiesigen Stadtrats, des ungenannt bleiben soll, um es vor sich selbst zu schützen, fantasiert, das mediale Echo des Grand Depart hätte eine Wirkung als ob man weltweit für 12 Millionen Euro Anzeigen und Fernsehspots buchen würde, dann krümmt sich der wahre Experte für PR und Kommunikation vor Lachen.

Doping, Jan Ulrich, Eddie Merkx und Rudi Altig

Oder erinnern Sie sich, liebe Leserin, noch an den Startort der Tour de France 2015? Oder können Sie sagen, wo diese übel beleumundete Gladiatoren-Show dieses Jahr startet? Sehnse… Überhaupt: Eine überhaupt nicht repräsentative Umfrage zum Thema ergab, dass um die 90 Prozent der Befragten beim Thema „Tour de France“ nur Dinge einfielen wie: Doping, Jan Ulrich, Eddie Merkx und Rudi Altig. Nun hat aber die schöne Stadt Düsseldorf eine ganz persönliche Beziehung zu dieser Show, die komischerweise dem Sport zugeordnet wird. Ruben Zepuntke heißt der Profi von hier, seine Mutter ist die aktuelle SPD-Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke.

Nun käme niemand auf die Idee, dass die sympathische Kommunalpolitikerin in irgendeiner Weise mit dem Ranholen des Grand Depart in unsere Stadt auch nur das geringste zu tun hat, auch wenn es vor allem ihr SPD-Parteikollege und derzeitige OB, Thomas Geisel, war, der vehement und im Stil des 2008 verstorbenen Vorgängers Joachim Erwin an diesem Ding gedreht hat. Dass die nämliche Frau Zepuntke aber nicht einmal so viel Demokratiegefühl hatte, an der initialen Abstimmung über das Projekt nicht teilzunehmen, gibt zu denken.

Finanzielle Interessen und Abhängigkeiten

Nun sollen die Wirrungen der Finanzierung des Events hier nicht ausgerollt werden; immerhin ist sie dermaßen wirr, dass man im Rathaus eine Kleine Kommission unter der Leitung von Grünen-Bürgermeister Günter Karen-Jungen einsetzte, die aber auch keine Lichtung in den Dschungel schlagen konnte, aber massig Zuversicht verströmt. Dass sie das tut, hat vor allem mit Koalitionspolitik zu tun. Nein: Hat AUSSCHLIESSLICH mit den Problemen der aktuellen Stadtregierung zu tun. Denn es herrscht Ampel, also die ungefähr bescheuertste Konstellation (außer der Großen Koalition, natürlich), die man sich denken.

Wie gesagt: Aus völlig uneigennützigen Gründen hat die hiesige SPD mit Geisel und Zepuntke das Projekt gepusht – und weil so alle Flügel der Sozen eingebunden sind, finden die das alle ganz toll. Weil die Grünen aus romantischen Gründen für alles sind, was irgendwie Fahrrad heißt, sind sie auch dafür. Weil aber Koalitionspartnerin FDP aus liberalpolitischen Gründen einigermaßen dagegen ist und die CDU sowieso (weil’s keiner von ihnen erfunden hat), mussten bei der bereits erwähnten initialen Abstimmung die unter verschiedenen falschen Flaggen segelnden Rechtsextremenpopulistenausleger dafür stimmen, um die Kuh aufs Eis zu schubsen.

Die unabhängigen Medien

Nun führt eine bescheuerte Kommunalkoalition auch zu bescheuertem Verhalten der Lokalmedien. Nehmen wir mal den kölschen Express und die Westdeutsche Zeitung, die ja im Prinzip dasselbe sind, wobei das Boulevardblatt die eher schmierigen Seiten der Medaille hochjubelt, während die WZ krampfhaft und mit bis auf knapp über Null ausgedünnter Redaktion versucht, seriös zu wirken. Beide genannten Postillen können sich vor Bejubelung des Grand depart kaum noch halten und machen zum Beispiel beide groß damit auf, dass Henkel (ja, DAS Henkel!) nun auch Sponsor wird. Liest man über die Überschrift hinaus, findet man einen Betrag von 150.000 Euro. Auch die traditionell sozenfreundliche WAZ stimmt in den Jubelchor mit ein.

Völlig Banane wird die Sache, wenn dann tatsächlich niemand ernsthaft den Blödsinn hinterfragt, der gerade von der Kleinen Kommission verbreitet wird; man habe zuerst nur mit 500.000 Euro Sponsorengeldern gerechnet, jetzt seit man schon beim Achtfachen! Da fragt sich der Laie, wie man überhaupt eine Finanzierung rechnen wollte angesichts damals verlautbarter Kosten von acht Millionen und nur 500.000 Sponsoreneinnahmen. Um die ganze Schönfärberei abzusichern, lassen Stadt und Medien truppenweise Promis auflaufen, die den Grand Depart voll dufte finden. Das sind vor allem Promis aus dem Bereich Sport, die hoffen, dass was für sie abfällt, und Promis, die froh sind, mal als Promis befragt zu werden. Und die völlig total unabhängigen Medien – leider auch die mit der TD kooperierende Neue Düsseldorfer Onlinezeitung ND/OZ – publizieren das alles ungefiltert wie seinerzeit das Neue Deutschland die Planerreichungszahlen in der DDR.

Der Traum von der Radstadt

Geradezu perfide verläuft ein anderer Strang der Schönrednerei. Allen Ernstes posaunen Sozen und Grüne, der Start der Tour de France käme den Plänen zugute, Düsseldorf zur Radstadt zu machen. Ja, die Rennradler würden ganz, ganz viele hiesige Pendler dazu bringen, fürderhin nur noch auf dem Velo ins Büro zu kutschieren. Die Argumentation ist so dermaßen verrückt, dass kaum ein Vergleich einfällt. Oder doch: Dass bei den 24 Stunden von Le Mans in der höchsten Klasse nur noch Hybrid-Autos fahren dürfen, führt zu einer drastischen Zunahme von Hybrid-Autos in der Stadt Le Mans. Dabei weiß jeder Bürger der schönsten Stadt am Rhein, dass zwischen den bunten Presswürsten, die mit ihren schmalen Raserädern grundsätzlich auf den Fahrbahnen daher preschen, und uns Normalradlern Krieg herrscht und die Gemeinsamkeiten sich darauf beschränken, dass wir Kurbeln treten müssen, um voran zu kommen.

Noch ist vorstellbar, dass die Stadt das Recht, den Grand Depart durchzuführen, an die vergebende Firma (denn die Tour de France ist eine rein kommerzielle, von irgendwelchen Sportverbänden völlig losgelöste Veranstaltung) zurückgibt. Denn noch steht die finale Abstimmung zum Projekt aus. Wollen wir nur hoffen, dass es nicht wieder die Rechtsgedrehten sind, die nach einem Sinneswandel mit CDU und FDP stimmen und das Ding so verhindern.