Analyse · Ihr höchst Ergebener ist enttäuscht. Und wütend. Und sauer auf die Mannschaft, diesen Haufen Pokalversager. Kann denen nicht endlich irgendjemand beibringen, wie wichtig altgedienten Fortuna-Fans dieser Scheißpokal ist? Dass so ein Pokalspiel nicht sowas ist wie ein Testkick, wie ein Freundschaftsspiel? Dass es um höhere Werte geht, darum die Fortuna wieder als eine der traditionell erfolgreichen Pokalmannschaften zu etablieren. Damit wir, verdammt nochmal, endlich mal im Mai nach Berlin zum Endspiel reisen können! So weit zu emotionalen Seite dieser beschissenen Niederlage im fast menschenleere Niedersachenstadion. Jetzt zur Sache. [Lesezeit ca. 8 min]

Und, nein, der Ergebene wird nicht in den Chor derjenigen einstimmen, die mit Worthülsen wie „lustlos“ oder „blutleer“ um sich werfen, weil sie keinen Bock haben, diesen Pokalrauswurf ernsthaft zu analysieren. Auch altmodischen Forderungen nach Straftraining und ähnlich magatheskem Scheißt wird er nicht beipflichten. Der wutentbrannte Ergebene wird versuchen, das gestrige Geschehen mit so kaltem Blick wie möglich zu zerpflücken.

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Und so wie man eine Leiche bei der Obduktion in Stücke schneidet, so sollen auch die 96 Minuten der Schande in Teile zerlegt werden. Mit den ersten 30 Minuten bis zum 1:0 als Teil 1, der Phase bis zum Wechsel von Kuba Piotrowski für Ao Tanaka kurz nach er Pause als Folge 2, die Minuten bis zur Einwechslung von Peterson und Hennings als Episode 3 und dem bitt’ren Rest. Nach nochmaliger Durchsicht des kompletten Spiels findet der Ergebene den Schlüssel zur Niederlage in den Teilen 2 und 3.

Hannover vs F95: Kuba allein konnte die Fortuna nicht retten (Screenshot Sky)

Wobei fußballtaktisch die erste Phase bis zum Hanoi-Tor am interessantesten war. Beide Teams versuchten mit Gewalt ihren jeweiligen Spielplan durchzusetzen, was zu einem konfusen Gehampel im Mittelfeld und derb viele Fehlpässe auf beiden Seiten führte. Notabene: Zur Pause kam F95 auf eine jämmerliche Passquote von 66 Prozent, H96 erreichte wenigstens 71 Prozent – ebenfalls unterirdisch. Offensichtlich hatte der 96er-Coach die Parole ausgegeben, durch Balleroberung im Mittelfeld das Flügelspiel zu etablieren – was seinen Burschen überhaupt nicht gelang. Bei der Fortuna roch es nach einem Matchplan mit hohem Pressing – was völlig in die Hose ging. Also geschah das, was TV-Kommentatoren mit der Phrase „die Mannschaften neutralisierten sich“ beschreiben.

Weil es sich vor allem in (aus F95-Sicht) rechten Mittelfeld immer alles knubbelte, kam die Zimmermann-Narey-Maschine überhaupt nicht in Gang, also genau einer dieser Erfolgsfaktoren aus dem KSC-Spiel. Auf der anderen Seite sollte Flo Hartherz dieses Mal so mit Felix Klaus harmonieren wie mit Kris Peterson – ging gar nicht, obwohl Hartherz noch einer der Lichtblicke im Team war. Eine glatte 5, vielleicht sogar mit einem Minuszeichen versehen, eroberte sich Ao Tanaka als Achter, der gar nichts auf die Reihe bekam und als Spielmacher ein Totalausfall war. Das merkten auch unsere Trainer, die nach der Pause an dessen Stelle Kuba Piotrowski stellten, der wenigstens versuchte, die Kollegen als Kampfschwein mitzureißen.

Hannover vs F95: Felix Klaus auf links, ohne Harmonie mit Hartherz (Screenshot Sky)

Hartherz war unter anderem ein Lichtblick, weil er in der 17. Minute für die schärfste Torchance in der Partie sorgte: Einen wunderbaren, hohen Diagonalpass zog er rüber auf Khaled Narey, der (mutig!) direkt abnahm und nach innen zirkelte, wo Robert Bozenik den Fuß hinhielt. Leider kam ihm ein Hannoveraner ein paar Millimeter zuvor. Es wäre das Tor des Tages gewesen. Apropos: Weil Zimbo Zimmermann mal wieder einen ziemlich abgelatschten Tag in der morgendlichen Verlosung gezogen hatte und Tanaka auf dem rechten Auge temporär blind war, hing der gute Khaled durchgehend in der Luft. Er versuchte viel durch Dribblings zu lösen, die ihm aber ungewöhnlich oft misslangen.

Die glorreiche Diva hätte in der ersten halben Stunde gut und gern in Führung gehen können. Und so wie die Begegnung sich gestaltete, hätte schon dieses eine Tor für den Sieg reichen können, denn ernsthaft gefährlich war die Hanoi-Offensive nicht. Da bedurfte es schon einer kollektiven Fehlerkette mit Zimmermann am Ende, um den Hausherren die spielentscheidende Hütte zu ermöglichen. Es war eigentlich die erste halbwegs ordentliche Ballstafette der 96er aus der eigenen Hälfte, der weder Cello Sobottka noch Käpt’n Bodze frühzeitig Einhalt gebot. Dann standen auch noch Tim Oberdorf und Chris Klarer ungünstig, letzterer aufgrund seiner Position sogar falsch. Zimmermann versuchte den ballführenden Spieler anzugreifen, übersah aber den späteren Torschützen rechts von sich. Als er den schließlich entdeckt und ihm zuwendete, war es schon zu spät. Der Schuss war hart und präzise – Flo Kastenmeier hatte da nichts zu halten.

Hannover vs F95: Flo Kastenmeier erneut ohne einen seiner berüchtigten Momente (Screenshot Sky)

Ungewöhnlich genug versuchten es die Männer in den schwarzen Trikots (mit weißen Hosen? Wieso das?) mit Härte. Hanoi trat zurück, und es sah in der zweiten Phase so aus, als könne dem ein wenig inkonsequente Schiri die Partie aus den Händen gleiten. Weil bis zur Pause aber wieder diese Neutralisierung stattfand und weder der einen noch der anderen Mannschaft etwas Konstruktives einfiel, versandete auch die mögliche Klopperei. In der Halbzeit lautete das generelle Urteil: Was für ein schlechtes Spiel! Und dann noch nicht mal ein ordentlicher Pokal-Fight, bloß jede Menge dummes Rumgekicke.

Erschreckend natürlich vor allem von Seiten der Düsseldorfer, die noch vor wenigen Tagen im Punktspiel gegen den KSC in den zweiten 45 Minuten so gut wie alles richtig gemacht hatten. Und leider waren es nicht bloß keine Stellschräubchen, an denen Cheftrainer Preußer in der Pause zu drehen hatte. Den Spielmacher rauszunehmen, ist schon eher eine Sache für einen 18er-Maulschlüssel. Aber Tanaka war nicht der einzige Schwachpunkt, wenn auch derjenige mit den größten Auswirkungen. Der andere hieß leider, leider Bozenik. Okay, wenn der presst, dann mit deutlich mehr Körpereinsatz als Rouwen Hennings – aber immer am Rand einer gelben Karte. Aber im Zusammenspiel mit den potenziellen Mitpressern (vor allem eben Tanaka und Sobottka, sowie den Außenläufern) funktionierte nichts. Bezeichnend, dass der gute Robert zwischendurch mal beim Trainer vorsprach, er möge den Kollegen doch bitte passende Anweisungen erteilen.

Hannover vs F95: Zwischendurch war das Spiel am Rand einer Klopperei (Screenshot Sky)

Nur mal kurz zu diesem blöden Begriff „lustlos“. Der meint ja wortwörtlich, dass jemand keine Lust hat auf das, was er gerade tun muss, es aber trotzdem tut, weil er muss. Ihr monumental ergebene Fortuna-Liebhaber konnte bei keinem der Männer in Schwarz irgendetwas erkennen, was nach Lustlosigkeit aussah. Und „blutleer“ ist ja eh nur ein Ausdruck für den Zustand eines Vampir-Opfers… Niemand hat nach Meinung des Ergebenen versucht, das zu spielen, was man „Alibifußball“ nennt, also abgelehnt Verantwortung zu übernehmen und sich zu drücken. Sie waren einfach alle mehr oder weniger schlecht an diesem Abend.

Betrachten wir im Rahmen von Teil drei die Rolle von Christian Preußer. Unser junger Trainer hatte ganz offensichtlich keinen Plan B in der Tasche. Und ihm mangelt es ebenso offensichtlich an Erfahrung mit Entscheidungsspielen, also Partien, in denen es nur einen Gewinner und einen Verlierer gibt. So logisch der Wechsel von Tanaka zu Piotrowski war, so unverständlich der Verzicht auf jede Umstellung der „Systematik“ oder weitere frühe Wechsel. In einem solch schlechten Spiel mit 0:1 zurückzuliegen kann nur heißen: Früh, schnell und konsequent auf den Ausgleich zu spielen.

Hannover vs F95: Auch Narey hatte keinen guten Tag, hing aber auch meistens in der Luft (Screenshot Sky)

Bei Licht betrachtet machte diese Reglosigkeit des Trainers die Schwäche der Fortuna nach der Pause aus. Es wäre seine Aufgabe gewesen, das Team so zu motivieren, dass der sprichwörtliche Ruck durch die Reihen gegangen wäre. Das Gegenteil passierte in Phase 3: Immer mehr glitt den F95ern das Spiel aus den Füßen, Hannover musste sich gar nicht besonders anstrengen, um die Führung zu halten und versuchte kaum jemals einen Konter – ein 2:0 lag überhaupt nie in der Luft. Die Einwechslungen von Andre Hoffmann und Edgar Prib (Ja, DER Prib) in der 88. Minute kann man nur unter dem Terminus „Verzweiflungstat“ abbuchen.

Es war ja nicht so, als hätten die Düsseldorfer in diesem Teilstück keine Chancen gehabt. Der spektakuläre Seitfallzieher von Kuba im Sechzehner landete mittig bei Narey, der das Ding mit dem linken Fuß nehmen muss und so übers Tor haut. In der 70. dann nochmal ein Akrobatenstück von Kuba, der wieder einen Seitfallzieher, dieses Mal aber auf den Kasten, schlägt, der leider an die Latte geht. Mit den Einwechslungen von Hennings und Peterson für Bodzek und Narey kam immerhin so etwas wie ein Powerplay in Gang. Die Pässe und Flanken blieben jedoch so unpräzise, dass in dieser Phase insgesamt nur fünf Torschüsse zustande kamen.

Hannover vs F95: In der 72. Minute kamen Peterson und Hennings (Screenshot Sky)

Der bittere Rest begann in der 88. Minute mit den merkwürdigen Einwechslungen und zog sich bis zum Ende der sechsminütigen Nachspielzeit hin. Alle fortunistischen Aktionen in dieser Phase rochen nach Verzweiflung und Irgendwie-noch-was-reißen. Nichts davon folgte irgendeinem Plan, der mögliche Ausgleich lag nun in viel größerer Entfernung als in Teilstück 3. Dass die Gäste sich dann noch zwei Hütten fingen – geschenkt. War auch egal und machte die Sache nicht schlimmer. Am Ende hatte sich die statistischen Werte der Fortuna dann deutlich verbessert, lagen aber immer noch nur auf dem Niveau der schlechteren Punktspiele dieser Saison. Während bislang individuelle Fehler meist die Ursache für Niederlagen waren, war es beim Pokalaus in Hannover gestern eine kollektive Minderleistung, gegen die der Trainer kein sinnvolles Rezept fand.

Ihr Ergebener ist enttäuscht, wütend und sauer. Die Frage, die er sich stellt, lautet aber wieder einmal: Kann man den Kickern so schwere Vorwürfe machen, wie es das Fanvolk heute auf breiter Front tut? Eher nicht. Kein Spieler, noch einmal: KEIN Spieler spielt absichtlich schlecht, und kollektive Lustlosigkeit kommt äußerst selten vor. Und wenn, dann nicht ohne äußeren Anlass. Ein solches, nicht mit dem konkreten Spiel verbundenes Ereignis hat es aber nach dem grandiosen Sieg gegen den KSC nicht gegeben. Die Männer mit dem F95 auf der Brust waren gestern einfach nur schlecht.