Münsterstraße 199 – ein roter Backsteinbau mit weißen Türen; ein großzügiger Vorplatz, der zur Versammlung einlädt. Der Haupteingang der Moschee ist mit Flaggen geschmückt; rechts die türkische Nationalflagge mit weißem Halbmond auf rotem Grund, links das Schwarz-Rot-Gold der Deutschlandflagge. Kein Minarett, kein Kuppelbau – denn es handelt sich um den ehemaligen Bahnhof Derendorf. Ein Mann spricht mich an. „Sie machen Fotos? Was wollen Sie?“ – „Ich würde gerne da rein. Geht das?“ Er lächelt freundlich. „Natürlich geht das.“ Ich zeige auf eine Zeichnung, die eine Kopftuch tragende Frau abbildet. „Auch ohne das?“ Er nickt. „Natürlich!“

Bitte Schuhe ausziehen!

Wenig später befinde ich mich in Begleitung einer jungen, attraktiven Muslima auf der Frauenempore. Selbstverständlich jetzt auf Socken. Sie nickt mir aufmunternd zu und vertieft sich ins Gebet. Nur wenige Minuten später erhebt sie sich, nickt erneut freundlich in meine Richtung und lässt mich allein. So habe ich Zeit mich umzusehen. Der Frauenbereich ist klein. Kein Schmuck, der die Wände ziert; Holzregale an der rückwärtigen Wand, wo ich meine Tasche abstellen kann, und ein paar Klappstühle. Aber immerhin, die Aussicht ist gut. Getrennt durch eine Balustrade überblicke ich das Herzstück der Moschee: einen großen, rechteckigen Raum, dessen Wände im orientalischen Stil prächtig geschmückt sind. Ein farbenfroher, offensichtlich weicher Teppich, der sich in seiner Gesamtheit in unzählige, kleine Gebetsteppiche gliedert.

Der Islam und die Frauen: Schon im Jahre 1952 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass sich der Islam mit der Ungleichheit von Mann und Frau, der Duldung der Polygamie (besser: Polyhynie; der Mann darf viele Frauen haben, die Frau natürlich nicht), mit der Ablehnung der Religionsfreiheit und dem erklärten Dualismus „gläubige Muslime versus Ungläubige“ im eklatanten Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und damit zum Grundgesetz befinde.

Nicht nur beten

Ausschnitt aus einem Ditib-Comic für Kinder, der zum Streitpunkt wurde

Der Dachverband Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) betont in einem Video namens „Moscheeführung“, dass der Imam einer Moschee nicht bloß Vorbeter ist, sondern auch Lehrer, dass eine „Predigt“ also im Wesentlichen der Belehrung der Gläubigen dient. Und so werden Freitag für Freitag Positionen des Islam gelehrt, die zum Kampf gegen die „Ungläubigen“ aufrufen und den Grundgesetzartikel von der Gleichheit von Mann und Frau mit den Füßen treten.

In der Vorgabe zur Freitagspredigt vom 11. Oktober 2019, herausgegeben für deutsche Ditib Moscheen von Diyanet, liest sich das wie folgt:

Werte Muslime: In dem Vers, den ich las befiehlt unser allmächtiger Rabb: “Diejenigen, die glauben und auswandern und den Dschihad auf dem Weg Allah’s mit ihrem Besitz und Leben führen, sind vor Allah von großem Rang. Und sie sind diejenigen, die ihre Ziele erreichen werden.”

Niemand scheint mich zu beachten. Ich lehne an die Balustrade und betrachte die gebeugten Männerrücken. Viele sind es nicht, die meisten deutlich über 60. Ich fühle mich an christliche Kirchen außerhalb der Feiertage erinnert. Einziger Unterschied zu dem Szenarium dort: keine Frauen. Meine anfängliche Unsicherheit hat sich gelegt. Ich fange an die meditative Ruhe zu genießen und lausche dem Singsang des Imams. Gotteshäuser sind nun mal Orte der inneren Einkehr und Ruhe. Warum soll das hier anders sein als eine Kirche mit Gebet und Weihrauch oder ein buddhistischen Tempel, in dem das „Om“ erklingt?