Jemand, der sich auskennt, hat mir eindringlich vermittelt, dass ich nicht mehr „Autisten“ zu den Deppen sagen soll, die mit ihrem Smart-Brett vorm Kopp und den Geirnstöpseln in den Ohren über die Gehsteige tapern ohne Rücksicht auf Verluste. Denn derart von der sozialen Umwelt abgeschottet seien nur sehr, sehr wenige Menschen mit dem einen oder anderen autistischen Syndrom. So machte mich auf die Suche nach einem passenden Begriff und stieß auf olle Leibniz, den Namenspatron meiner Alma Mater, die ich 1971 mit dem Abi in der Tasche verließ. Der hinwiederum hatte sich am Begriff der „Monas“ abgearbeitet, einem philosophischen Konstrukt, das sich längs und quer durch die gesamte abendländlerische Denktradition zieht. Gemeint ist ganz abstrakt die unteilbare Einheit, also die jeweils kleinste Einheit in einem System. Die nannte Leibniz schließlich Monade und entwickelte daraus seine Monadologie. In diesem schwirigen Werk heißt es u.a.: „Jede Monade kreist in sich.“ Und da haben wir es, das Wort, dass auf den Schmatzfondeppen passt.

Zumal die Assoziation an die „Made“ mir bei diesem Begriff besonders gefällt. Jedenfalls: Wann immer mir ein Mensch entgegenkommt, der gehend auf seine Hirnprothese starrt und dem Drähte aus dem Schädel wachsen, erschrecke ich den, sobald er sich mir nähert: Buuuh!!! Die meisten reagieren gar nicht. Sie starren durch mich durch wie taubstumme Blinde. In der Regel schaffen sie es gerade noch auszuweichen. Da mir dieses Verhalten extrem fremd ist (Ich konnte noch nie mit laufendem Walkman oder MP3-Player durch die Stadt laufen, ohne dass mir kotzübel wurde), habe ich mir Gedanken gemacht, denn irgendetwas muss ja hinter diesem Sozialdefekt stecken.

Monaden kreisen nicht nur um sich selbst, sagt Leibniz, sondern haben auch keine Fenster, durch die irgendetwas hin oder hinaus käme, sodass sie (die Monaden) aufeinander keinerlei Wirkung zeigen, sondern jeweils ein Spiegel der Welt sind. Ja, dachte ich, genau: Im Smartphone steckt genau die Welt, die seine Nutzer sehen wollen: nicht mehr, nicht weniger. Mit der Gesamtmenge der möglichen awhrnehmbaren Dinge und Details der Welt hat diese innere Welt nichts zu tun. Sie sind abgeschottet, sie leben in splendider Isolation. Wie jetzt, höre ich Hipster seufzen, die sich diesen Text gerade von Siri vorlesen lassen, aber wir sind doch alle untereinander vernetzt! Da sage ich: Das täuscht, denn die Monaden, denen ihr meint in den sozialen Netzen und in den Messengern zu begegnen, sind nur eure Konstrukte real existierender Menschen, mit denen ihr real nicht mehr kommuniziert.

So sind die Monaden vollständig voneinander getrennt. Einsam und allein. Frustriert und unglücklich, weil das Monadendasein der menschlichen Natur nicht im mindesten entspricht. Denn der Homo sapiens und seine Vorgänger und Kollegen ist ein Rudeltier, das überhaupt nur in sozialen Konstrukten existieren kann. Und zwar in solchen, die sich per sinnlicher Wahrnehmung (Sehen, Hören, Riechen, Fühlen) manifestieren, multisinnlich sozusagen. Wird ein Mensch vollkommen isoliert, verliert er alsbald den Verstand.

Wir wissen ja, was ein um seinen Verstand gebrachter, einsamer, isolierter, unglücklicher und frustrierter Mensch in der Spätphase des Kapitalismus tut. Genau, er begeht Frustkäufe. Er umgibt sich mit Waren, mehr Waren, bessere Waren, schönere Waren. Das würde er im intakten Rudel niemals tun. Deshalb ist der Mensch als Monade die ideale Ausprägung des Homo Sapiens für den späten Kapitalismus, in dem Wachstum nur noch durch galoppiernden Konsum möglich ist. Wer also mit dem Smart-Brett vorm Kopp durch die Welt marschiert, ist der wahre Mensch von heute – nur ob er nicht doch mehr Monade als Mensch ist, bleibt fraglich.