Die Gerresheimer Glashütte
Dass es diese Eisenbahntrasse mit diesem Haltepunkt gab, war für Ferdinand Heye ausschlaggebend, hier seine Glashütte zu errichten, denn so konnten die Rohstoffe und die Erzeugnisse schnell und preiswert transportiert werden. Und hier kommt es gern zu einem ersten Missverständnis. Nein, die starke Konzentration italienischer Familie auf das südliche Gerresheim hat nichts damit zu tun, dass Italien das führende Land der Glasherstellung in Europa war. Die Italiener, die aus dem Ort „Klein-Italien“ machten, kamen später.
Und trotzdem ist es interessant, einen Blick auf die Geschichte der Italienisch-Düsseldorferischen Freundschaft zu werfen. Die begann nämlich mit Anna Maria Luisa de’ Medici, der gebürtigen Florentinerin und Gattin vom ollen Jan Wellem, der der Stadt Kultur und Zivilisation brachte und die eigentliche Mutter dessen ist, was Düsseldorf heute darstellt. Vor allem aber holte die gute Anna Maria jede Menge italienische Handwerker rüber – Seidenweber, Tischler, Fliesenmaler und auch Glasmacher aus Venetien. Dort hatte man die alte byzantinische Kunst der Glasherstellung über die Jahrhunderte bewahrt, während sie sonst in Europa fast ganz verloren gegangen war. Mehr über die Geschichte der Glaskunst kann man im Museum Kunstpalast in der Glassammlung erfahren.
Die ersten Gastarbeiter
Wie gesagt: Mit dem Entstehen des italienischen Viertels rund um den südlichen Teil der Heyestraße hat das nichts zu tun. Die zweite Welle italienischer Einwanderer nach Düsseldorf kam kurz vor dem ersten Weltkrieg aus den Dolomiten und brachte das italienische Eis ins Rheinland. So kam 1910 die Familie da Forno nach Düsseldorf. Viel mehr italienische Immigranten, davon viele aus dem Textilgewerbe, zogen weiter in die Seidenstadt Krefeld. Der geniale Düsseldorfer Schriftsteller Dieter Forte, selbst mit italienischem Hintergrund, beschreibt das in seiner wunderbaren Romantrilogie „Das Haus auf meinen Schultern„, die jeder Düsseldorfer gelesen haben sollte.
Es waren eher Zufälle, die dafür sorgten, dass ausgerechnet die Gerresheimer Glashütte ab dem Ende der Fünfzigerjahre begann, „Gastarbeiter“ aus Italien zu rekrutieren. Weil aber zwischen etwa 1958 und 1966 so viele italienische Familien kamen und sie sich – wie es Italiener weltweit gern tun – in der Nähe anderer italienischer Familien ansiedelten, wurde die Heyestraße zwischen dem Gerresheimer Bahnhof und der Dreifaltigkeitsstraße zum Little Italy am Rhein. Tatsächlich klumpen sich hier die Café-Bars, Eis-Cafés, Trattorien, Pizzerien und Restaurants. Ob auch die ungewöhnliche große Zahl Frisörsalons typisch ist, bleibt fraglich.
Immerhin ist das Flair immer noch so wie man es aus Filmen über die italienischen Kolonien in den USA kennt. Vor jedem Café stehen ein zwei Tischchen, an denen Männer sitzen und (vermutlich) Geschäfte machen. Ein älterer Herr, fein gekleidete und mit weißen Lederschuhen, schlendert vorbei und singt lauthals italienische Canzone. Und beim Arzt wird ein junger Typ, der sich nicht von den anderen jungen Typen in anderen Stadtteilen unterscheidet, nach dem Namen gefragt, und er antwortet „Valentino Capigrosso“ (Name verändert). Natürlich reden die Menschen hier auch auf Italienisch miteinander, und man bekommt alles, was Italiener so brauchen.
Dass mit „Mama Lisi“ um die Ecke beim Bunker die vermutlich beste Pizzeria der Stadt schon seit 1965 Fladen backt, ist so gesehen natürlich kein Zufall.