Am Rande des Industriegebiets
Von der Ostseite des Hauptbahnhofs bis an Ellers Nordrand zog sich eine Schneise mit Fabriken hin: Hier wurde Stahl gewalzt, Röhren gedreht, Draht gezogen, es wurden Kessel hergestellt und Maschinen gebaut. In der Spitze waren auf diesen kaum vier Quadratkilometern mehr als 20.000 Menschen beschäftigt, und ein nicht kleiner Teil davon lebte in Oberbilk. Ganz ähnlich wie in anderen Schmelztiegel-Metropolen – zum Beispiel New York – siedelten sich Migranten in Wellen im selben Viertel an. Den Italienern folgten die Spanier und die Türken, es kamen Griechen, Jugoslawen und dann zunehmend Menschen aus arabischen Ländern. Und die Infrastruktur richtete sich nach der jeweiligen ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung.
Aus heutiger Sicht betrachtet hat sich die Kölner Straße auf dem Teil südlich des Oberbilker Marktes am wenigsten verändert, auch wenn aus der von wüstem vierspurigem Autoverkehr gequälten Straße inzwischen auf dem Stück bis zur Ellerstraße eine Einkaufsallee mit breiten Gehwegen und Verkehrsberuhigungseinrichtungen geworden ist. Denn hier hatte man nie einen direkten Blick auf Fabrikmauern und Schlote. Stattdessen fanden die Leute hier schon immer genau die Läden mit genau den Produkten, die sie brauchten – von Obst & Gemüse über Fleisch bis zu Spezialitäten, aber auch die gewohnte Kleidung und die in der Heimat beliebten Möbel. Das ist so geblieben, nur die Inhaber und die angebotenen Waren haben sich teilweise geändert. Anziehungspunkt für alle war aber ab Mitte der Sechzigerjahre das Kaufhaus an der Ecke zur Kruppstraße, das durch vieler Besitzer Hände gegangen ist – unter anderem Kaufland, Kaufhalle und Karstadt. Heute residiert hier ein Woolworth, der innen und außen auch so aussieht.
Immer schon Ladenstraße
Weil dieses Stück der Kölner Straße immer eine Ladenstraße war, war Gastronomie hier Mangelware. Eigentlich hat es nie mehr als drei Restaurants oder Kneipen hier gegeben. Seit gut vierzig Jahren kennt man vor allem das berüchtigte Etablissement an der Ecke zur Schmiedestraße, das einst ganz den Motorradrockern vorbehalten war und danach mal arabisch, mal russisch, mal polnisch geprägt erschien. Das Haus Meschede, eine gutbürgerliche Wirtschaft, die früher auch Fremdenzimmer anbot, wirkt hier wie ein Raumschiff aus einer anderen Galaxie. Natürlich sind auch die üblichen Discounter vertreten, den besonderen Charme der Kölner Straße in diesem Abschnitt aber machen die vielen kleinen, inhabergeführten Geschäfte aus – vom Juwelier über das Bekleidungshaus bis hin zu den Handyshops, Reisebüros und den An- und Verkäufern. Geradezu legendär sind mittlerweile die großen Obst- und Gemüsegeschäfte, die Waren auf hohem Niveau anbieten und die Feinkost der mediterranen und arabischen Welt.
So geht das bis zur Schmiedestraße. An der Kreuzung geht es halbrechts in die Stoffeler Straße, und die Kölner Straße läuft auf die Karl-Geusen-Straße mit geschlossener Wohnbebauung auf der rechten Seite aus. Gegenüber hat die Autovermietung Arndt ihren Betriebshof; hier bekamen früher Studenten große Rabatte, und wenn ein Insasse der Kunstakademie mal ein größeres Werk zu transportieren hatte, gab man ihm einen Lieferwagen auch schon mal für lau. Tatsächlich hat es bisher noch keinen ernsthaften Versuch gegeben, die Kölner Straße in diesem Abschnitt zu gentrifizieren, obwohl hier immer etliche Studenten und Künstler gelebt haben, eine Atmosphäre, die woanders Besserverdiener anlockt wie Honig die Bienen. Vielleich ist es hier denn doch noch zu exotisch für die Paare mit den hohen Gehältern, die sich so gern als Bohemiens fühlen möchten.
[Text: Rainer Bartel]