[eine sehr lange Polemik]…gestern saß dein neuer Vorturner, der Erfolgswinzer Keller, im Aktuellen Sportstudio und war synchron mit Frau Müller-Hohenstein dauerempört. Ist aber auch schlimm, schlimmer als Affenlaute gegen dunkelhäutige Spieler. Da werden in den Produktionsstätten der von euch betriebenen Unterhaltungsindustrie Banner vorgezeigt laut derer die Mutter des Milliardärs Hopp ihr Geld durch geschäftsmäßigen Geschlechtsverkehr verdient hätte. Klar, dass ihr euch über diese Beleidigungen empören müsst, weil die Beschäftigung mit den Gründen für die Tapeten peinlich für euch wäre.

Nun ist dieser Dietmar Hopp nicht einfach der Sohn einer herzensguten Frau, der sein Vermögen durch seiner Hände harter Arbeit verdient und sein persönliches Geld vollkommen selbstlos ausgibt, um die arme, notleidende Region Kurpfalz mit Schulen, Krankenhäusern und Fußballstadien zu pflastern, sondern ein ziemlich skrupelloser Geschäftsmann, auf den viele, viele Ex-Mitarbeiter von SAP ebenso wenig gut zu sprechen sind wie auf seinen ollen Kumpel Hasso Plattner (dem die andere Hälfte von Potsdam gehört, also alles, was Günter Jauch da nicht besitzt). Auch in der Region ist sein Ruf eher so mittelgut, vor allem bei den Fußballvereinen. Denn die TSG Hoffenheim war nur der Plan B für seine Monsterinvestition in den Profifußball.

Vorher ging er mit Milliönchen hausieren, mit denen er gestandene Traditionsvereine dazu erpressen wollte, sich von ihm finanzieren zu lassen. Und wenn die Verantwortlichen von Clubs wie Waldhof Mannheim nicht gleich Ja sagten, drohte er mit einem Retortenprodukt namens FC Kurpfalz, das in Heidelberg beheimatet sein sollte. Mannheim war seine Lieblingsoption, denn da hatte er seinem Sohn schon ein Eishockeyteam und einen Handballbundesligisten gekauft. Dann also Hoffenheim, wo ihn seine PR-Fuzzis als „Mäzen“ präsentierten. Laut Wikipedia ist…

Ein Mäzen [mɛˈt͜seːn] (auch Mäzenat, weiblich Mäzenin bzw. Mäzenatin) ist eine Person, die eine Institution, kommunale Einrichtung oder Person mit Geld oder geldwerten Mitteln bei der Umsetzung eines Vorhabens unterstützt, ohne eine direkte Gegenleistung zu verlangen.

Tatsächlich aber handelt Hopp in Sachen TSG als Investor, der noch vor vier Jahren deutlich gemacht hat, dass er ganz selbstverständlich „Return on Invest“ vom Club erwartet. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ja, Herr Hopp unterstützt in der Region zahllose Projekte als Mäzen, also ohne direkte Gegenleistungen zu erwarten. Aber das darf man getrost unter PR-Kosten verbuchen. Und gestern haben sich auch diese Ausgaben gelohnt. Denn nun steht dieser Erfolgsunternehmer, diese große Persönlichkeit als Leidensmann dar, sodass sich Facebook-User schon Sorgen machten, er könne sich angesichts der Beleidigungen was antun.

Aber, es geht ja gar nicht um Hopp. Es geht um den Dauerkrieg des DFB gegen die Fanszenen im Land. Das ist so ähnlich wie bei jeder Industrie, deren Kunden nicht spuren. Der DFB – auch in Gestalt des nur scheinbaren coolen Fritz Keller – ist die Instanz, die dafür sorgen soll, dass sein Tochterunternehmen den diversen Franchises ungestörtes Geldverdienen ermöglicht. Das reichste und mächtigste Franchise nennt sich FC Bayern München und hat das größte Interesse daran, dass es sein Produkt ungestört herstellen und vertreiben kann. Die Dauerfehde zwischen Fans von Borussia Dortmund (einem der drei oder vier größten anderen Franchises) und dem besagten Dietmar Hopp war und ist eine solche Störung. Zumal der besagte Hopp ja auch etliche Millionen in ein gutes Verhältnis zum DFB investiert hat.

Der DFB hatte den Fanszenen vor gar nicht langer Zeit zugesagt, keine Kollektivstrafen mehr auszusprechen. Das heißt: Der Lobbyverband der bundesdeutschen Soccer-Industrie wollte nach „Verfehlungen“ einzelner Zuschauer nicht mehr alle Anwesenden oder irgendwelche Teilgruppen bestrafen, sondern das Identifizieren und Bestrafen der „Schuldigen“ den Vereinen überlassen. Maßnahmen wie „Geisterspiele“ oder Betretungsverbote gegen Gruppen sollte es nicht mehr geben. Und dann ordneten die durch nichts legitimierten DFB-„Richter“ an, dass BVB-Fans drei Jahre lang nicht mehr bei Auswärtsspielen gegen Hoffenheim anwesend sein dürften – ein klarer Fall von Kollektivstrafe.

Das war der Grund, weshalb Bayern-Fans auf ihren Spruchbändern verlauteten, der DFB habe sein Wort gebrochen – so wie er es bekanntlich vor Jahren auch schon in Sachen Pyro gebrochen hat. Seien wir ehrlich: Die Beleidigung „Hurensohn“ ist einfach nur sexistischer Kackscheiß, und das Porträt eines Menschen mit einem Fadenkreuz zu versehen, ist bescheuerter Machokram. In der Sache bleibt Hopp jedoch genau das Symbol, an dem sich der erneute Krieg zwischen den Fanszenen und dem DFB entzündet hat. Wenn Hopp also in den Kurven – auch von Vereinen, die bisher ein eher entspanntes Verhältnis zur TSG, ihrer Geschichte und ihrem Besitzer hatten – wieder als Hurensohn bezeichnet und sein Konterfei gefadenkreuzt wird, dann geht es gar nicht gegen ihn, sondern die Fußballmafia DFB.

Die aktuellen Aktionen, die in Gladbach begonnen hat und am aktuellen Spieltag bereits in drei Stadien weitergeführt wurden, werden sich in den nächsten Wochen auf alle Stadien von Erst- und Zweitligavereinen ausdehnen, die eine starke und unabhängige Fanszene haben – so viel ist sicher. Wozu aber der DFB diesen neuen Krieg missbrauchen will, hat Keller gestern mehrfach klar und deutlich erklärt: Man will die widerspenstigen Fans aus den Stadien vertreiben, um – das hat er tatsächlich gesagt! – so Platz zu schaffen für die Leute, die gern einfach nur Fußball gucken wollen, aber zur Zeit keine Karten kriegen, weil ja ganze Kontingente an die Fanclubs und -gruppen gehen.

Die ohnehin nicht sehr helle Moderatorin KMH brachte an dieser Stelle noch ins Spiel, dass man ja auf den Stehplätzen die Täter gar nicht identifizieren können, ob man da nicht auch was machen könne. Da verteidigte der Mafiaboss die Stehplätze aber sowas von vehement. Die gehörten einfach zum Fußball, da würde ja die Stümmung produziert. Richtig, Stümmung ist ja ein wesentliches Produktmerkmal des Profifußballs in den Zeiten des globalisierten Turbokapitalismus. Nicht zufällig zeigte man in einem Spielbericht dann torjubelnde Normalos und kommentierte das mit dem Satz „Solche Emotionen wollen wir sehen.“

Das Elend mit dem Fußball in den Medien besteht nicht nur in der Inkompetent der Sprech- und Schreibpuppen, sondern in deren speichelleckerischen Abhängigkeit von der Soccer-Industrie, die wiederum ein familientaugliches Produkt international verkaufen muss, und zwar mit Wachstum. Das heißt: Die Aufgabe der Journalisten, die vom DFB, aber insbesondere der DFL und den Erstliga-Franchises zugelassen werden, besteht darin, der Lobby nach dem Mund zu reden. Wer das nicht tut, kriegt keine Akkreditierung (Ich weiß, wovon ich schreibe).

Als Medienmensch über den Fußball zu reden und zu schreiben, ist ziemlich leicht verdientes Geld, und die mafiösen Strukturen erlauben es willfährigen Journalisten, nebenbei ne ordentliche Mark zu machen. Das will sich ja niemand kaputtmachen lassen, also heulen die Kollegen mit den Wölfen. Wenn sich der Uhrenschmuggler und ehemaliger Bankangestellte aus Lippstadt über den Verfall der Sitten ausheult, heulen sie eben mit. So unisono wie gestern war’s aber selten. Kein Zufall, dass es durchweg fußballfremde Journalist*innen waren, die gestern und heute jene Vorgänge in Hoffenheim eher differenziert und teils recht DFB-kritisch kommentierten.

Was an diesem historischen Samstag aber überdeutlich wurde, war die Angst derjenigen, die unmittelbar durchs Gekicke und seine Hilfsgewerbe zu viel, viel Kohle gekommen sind, also die Profifußballer, die Trainer und die bezahlten Funktionäre, die sich gar nicht mehr lassen konnten in ihren teils skurrilen Äußerungen. Da schwafelt ein Wagner von Schalke, ihm fehle der Menschenverstand, sich in diese Trottel zu versetzen. Rummenigge sprudelte vom hässlichen Gesicht des Fußballs, um diese Phrase als „hässliches Gesicht des FC Bayern“ noch toppen zu wollen. Selbst Streich blubberte mit und gab typisch freiburgerisch der Gesellschaft und dem Internet die Schuld.

Dass auch die Schiedsrichter vom DFB an Fäden bewegt werden, zeigte der Referee in Köln, der die Partie unterbrechen ließ, weil eine Tapete lautete „Wegen einem Hurensohn euer Versprechen gebrochen“, obwohl der Name Hopp nicht einmal erwähnt wurde. Man könnte auf die Idee kommen, dass die Begriffe „Hopp“ und „Hurensohn“ inzwischen synonym verwendbar wären, dass also jeder wüsste, wer gemeint wäre, wenn jemand laut „Hurensohn!“ ruft. Wann es zum ersten Spielabbruch in dieser Sache kommt, ist eine Frage der Zeit. Und wenn ein Schiri einmal eine Erstligapartie aus diesem Grund abgebrochen hat, dann müssen in der Folge alle Schiris alle Partien abbrechen, bei denen entsprechende Parolen gezeigt werden. Ergebnis: Die Bundesligasaison 2019/20 wäre kaputt, das international zu vermarktende Produkt stark beschädigt – für die Fußballmafia der GAU…

Wobei wir uns noch einmal daran erinnern müssen, wie das Geschäftsmodell der DFB/DFL AG aussieht (das im Übrigen ja auch die Soccer-Industrien in England, Spanien, Italien und Frankreich fahren). Die mit Abstand wunderbarste Geldquelle sind die Einnahmen aus den TV-Rechten, denn dafür muss man nix tun, dafür müssen DFB und DFL nur dafür sorgen, dass regelmäßig gekickt wird. Befeuert von den globalen Korruptmedien werden die Menschen weltweit für den Fußball heißgemacht, sodass sie bereit sind, sich vor die Glotze zu hocken, um Spiele zu konsumieren, oder gar Geld dafür auszugeben, dass sie glotzen dürfen. In jedem Fall muss das Produkt spannend, interessant und so beschaffen sein, dass überall auf dem Erdball Leute kein Problem mit dem haben, was sie da sehen.

Besonders für werbefinanzierte TV-Versender ist wichtig, dass die Übertragungen ihren Werbekunden ein optimales Umfeld bieten. Denn denen geht es ja nicht darum, ihre Zuschauer zu informieren, sondern sie so zuzubereiten, dass sie sich den ganzen Reklamequatsch antun, der rund um ein Fußballspiel auf sie abgelassen wird. Die Atmosphäre muss emotional aufgeladen sein, weil emotional angefasste Leute wehrlos gegenüber Botschaften sind. Es muss sich aber um positive Gefühle handeln, also um Euphorie oder Freude. Die bestmögliche Szene ist, wenn ein Vater gemeinsam mit seinem Sohn, der voll mit Merchandising-Produkten behängt ist, irgendeinem Soccer-Superstar zujubelt, der soeben ein Tor für das Franchise geschossen hat, bei dem er vorübergehend für Geld kickt.

Emotionen haben den riesigen Nachteil, dass sie dialektisch beschaffen sind: Liebe und Hass, Freude und Trauer, Wut und Versöhnlichkeit, Frust und Zufriedenheit, Freundschaft und Gegnerschaft, Kooperation und Rivalität. Das Ziel der Werbefuzzis ist nicht nur beim Soccer, die negativen Gefühle auszublenden – besonders natürlich bei den Medaillenseiten Liebe und Hass. Es wird ja gerade gesamtgesellschaftlich eine Kampagne gegen den Hass gefahren, als sei dieses Gefühl an allem schuld, wo wir doch wissen, dass die Ungerechtigkeit in der Welt an allem schuld ist. Gefährlich ist Hass nur, wenn er nicht die Rückseite von Liebe ist. „Wir hassen Köln und RWE,“ singen Fortunen gern und wollen damit ihre übergroße Liebe zur Fortuna ausdrücken.

Das aber verstehen sie alle nicht: die (meisten) Profikicker, (fast alle) Trainer und Funktionäre, die DFB-Nasen und auch die überwiegende Mehrheit der Journalist*innen, die über den Fußball reden. Zu den Menschen, die Spieltag für Spieltag in einem Stadien stehen, um ihre Mannschaft durch ihre Anwesenheit und ihre Gesänge und Rufe zu unterstützen, fehlt ihnen jeglicher Bezug. Sie haben NULL Ahnung davon, wie beispielsweise Mitglieder von Ultra-Gruppen ticken, was sie bewegt, was sie denken, was sie fühlen. In Hooligans und deren Rituale können sie sich nicht einmal einen Hauch weit hineindenken oder -fühlen. Was der Block, in dem man einen Teil seines Lebens verbringt, als soziales Umfeld für „Normalos“ bedeutet, können sie nicht ansatzweise ermessen – weil ihnen die persönliche Erfahrung fehlt. Da können sich Verbands- und Vereinsbosse noch so plakativ mal in die Kurve stellen, sie wissen nichts davon, was Fans wirklich bewegt.

Der Krieg ist unvermeidlich, der Ausgang ungewiss. Du, lieber DFB, hast so oft die Chance gehabt, die unabhängigen Fanszenen für dich zu gewinnen, aber der Druck der profitgierigen Soccer-Profiteure hat dich blind und dumm gemacht, hat allen Formen der Korruption Tür und Tor geöffnet. Da solltest du dich nicht wundern, wenn diese Fans (die eben keine Trottel, Selbstdarsteller, Irren und was ihr ihnen an Beleidigungen sonst noch anhängt, sind) nun konzertiert die Herstellung des einzigen Produkts, das du hast, stören. Am Ende wird der Fußball entweder seine treusten Freunde verlieren und sich als stromlinienförmiges Entertainment-Format über kurz oder lang totlaufen, oder ein Wunder geschieht und er kehrt zurück zu denen, die ihn und ihren jeweiligen Verein von Herzen lieben. Viel Hoffnung habe ich da nicht…