…der verstorbene Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte einst: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Die Meute der Stadtplaner zerfällt offensichtlich in die Gruppe, der visionär Infizierten und die der klötzchenbauenden Pragmatiker. In Düsseldorf hat ein besonders visionärer Visionär nun die Vision von der „Gardencity“ abgesondert. Es handelt sich um den Architekten und aktuellen Rektor der Kunstakademie Karl-Heinz Petzinka.

Und das ist der nämliche Petzinka, dessen Vision vom sogenannten Leeschenhof auf dem Gebiet des ehemaligen Toom-Markts an der Oberbilker Allee sukzessive unter die pragmatischen Räder kommt. Wo der Visionär niedliche und barrierefreie Seniorenwohnungen samt kleinem Park visioniert hatte, erhebt sich jetzt ein flammneuer REWE-Supermarkt. Und von der geradezu avantgardistischen Blockrandbebauung ist schon lange keine Rede mehr.

Der pragmatischste Vertreter des hiesigen Planungspragmatismus ist dagegen der noch amtierende Oberbürgermeister Thomas Geisel, der seinen Untertanen den euphemistischen Begriff von der „Nachverdichtung“ in die Hirne gewaschen hat. Übersetzt heißt: Es wird alles zugebaut, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Und wenn der da im Wege steht, dann wird der abgesägt – ganz pragmatisch. Nur so, dies die These der Pragmatiker, lässt sich der wachsende Bedarf nach Wohnraum befriedigen. Geisel und seinesgleichen tun so, als sei das Bevölkerungswachstum Düsseldorfs quasi eine Naturgewalt – so etwas wie Hochwasser, gegen das man Deiche baut. Pragmatiker bauen aber keine Deiche, sondern scheißen die Stadt mit Klötzchenarchitektur zu.

Das war das Hotel Zum Weingarten mit dem Restaurant Nickel

Und wenn dann jeder Häuserblock auch in seinem Innenhof bis zur Atemnot verdichtet ist, dann geht’s an die Substanz, also vorhandene Bausubstanz. Wie aktuell ans legendäre Hotel zum Weingarten an der Oberrather Straße. Nein, hübsch war das Gebäude sicher nicht, aber das Restaurant Nickel wird von Alteingesessenen als quasi historischer Treffpunkt verehrt. Dass der Bau wegkommt, ist traurig, übel ist, was an dessen Stelle ensteht. Genau, eine Klötzarchitektur mit hochpreisigen Eigentumswohnungen – auf der Rückseite mit unverbaubarem Waldblick. Genau dieser Waldblick wird aber den Oberrathern auf der anderen Straßenseite damit verbaut.

Und das entsteht anstelle des Hotels…

Alles Einzelfälle, mag man meinen. Aber die Sache hat einen Haken, den man gemeinhin Gentrifizierung nennt. Wenn erstmal die wohlhabenden Käufer in ihre Klötzchen gezogen sind, von wo aus sie den Wald bewundern, wollen sie auch die ihrem Lebensstil entsprechende Infrastruktur, also Läden mit diesem ganzen hochwertigen und überteuerten Kram, den wohlhabende ETW-Käufer so mögen. Und natürlich Gastronomie nach ihren Wünschen. Und dann muss auch die Straßenbahn leiser werden. Und überhaupt: Die Stadt muss auch was für die wohlhabenden Familien mit dem einen Kind tun. So entscheidet ein weggehauenes hässliches Hotel und das an seiner Stelle entstehende Klötzchen möglicherweise über das Schicksal eines Stadtteils, dem sowohl Visionen, als auch die feindliche Übernahme durch Yuppies, Hipster und dergleichen bisher vollkommen erspart geblieben ist.

Während also die einen Visionen haben und trotzdem nicht zum Arzt gehen, machen Pragmatiker (meistens) im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, was sie wollen. Und Otto und Erika Normaldüsseldorfer sitzen zwischen diesen Stühlen und werden nicht gefragt, wie sie’s denn gern hätten. Bis irgendwann die ganze schönste Stadt am Rhein mit Klötzchen zugehaust ist, und Heimat verlorengegangen ist.