…ihr habt euch ganz schön über meinen Kommentar zum Andreasquartier in der Altstadt aufgeregt. Das ist erfreulich, weil so gewollt. Leider haben die meisten von euch sich nicht mit dem Thema befasst, sondern mit mir. Einige nannten mich (Jahrgang 1952) „pubertär“, andere sahen Schaum vor meinem Mund und wieder andere unterstellten mir Neid.

Das ist verrückt, weil es ja davon ausgeht, ich würde gern selbst in diesem Bonzenblock wohnen wollen. Nichts läge mir ferner! Weil: Ich wohne in meiner persönlichen Traumwohnung mit unverbaubarem Blick über die Stadt, die ich liebe, im Viertel, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Das mit dem Neid ist ja ein brutales Armutszeugnis für euch, weil ihr annehmt, dass das, was teuer ist, auch das ist, was gut ist. Hättet ihr auch nur ein bisschen Hirse im Hirn und Blut im Herzen, wüsstet ihr, welch ein Blödsinn das ist. Und wenn ihr das wirklich glaubt, dann habt ihr mein Mitleid, denn dann lebt ihr ein ganz armes Leben.

Immerhin haben die zahlreichen Zuschriften und Kommentare dazu geführt, das ich über mich selbst nachgedacht habe. Was bin ich eigentlich, wenn ich weder pubertär, noch neidisch bin? Wie könnte man mich in Bezug auf diese wunderschöne kleine Großstadt nennen? Bei einem stillen Frühmorgenspaziergang durch den Eller Forst fiel es mir ein: Ich bin ein konservativer Lokalpatriot! Oh je, werden jetzt eher linksgewirkte Leser denken, gleich zwei Bäh-Wörter in einem Satz. „Konservativ“ sind doch die Bösen, mehr so CDU und so… Und Patrioten sind doch diese Idioten, die ihr Land besser finden als alle anderen Länder.

In Bezug auf die Stadt, in der ich geboren wurde, in der ich aufgewachsen bin und in der ich mein ganzes Leben lang gelebt habe, bin ich sowohl konservativ, als auch patriotisch. Zum Patridiotischen fehlt mir allerdings der Chauvinismus. Ja, Köln ist auch ganz schön, irgendwie, bei gutem Wetter und wenn man nicht so genau hinguckt… Duisburg muss man nicht haben, aber: lewe un lewe losse. Ich bin auch nicht stolz auf meine Stadt, sondern empfinde es als Wahninnsglück und Riesenprivileg, hier leben zu dürfen. Also lasse ich auf Düsseldorf nichts komme und werde dieses Städtchen gegen jeden Angriff vehement verbal verteidigen.

Im Begriff „konservativ“ steckt ja das Wort „Konserve“ bzw. konservieren, das heißt haltbar machen, bewahren. In diesem Sinne bin ich in Bezug auf Veränderungen an meiner Stadt sogar ultrakonservativ. Besonders, wenn sich etwas zugunsten weniger und zuungunsten vieler ändert. Oder wenn Veränderungen zu mehr Krach, Dreck und vor allem Autoverkehr führen. Oder wenn Veränderungen Wohlhabende noch wohlhabender machen. Ich finde: ALLEN Düsseldorfern soll es in Düsseldorf gut gehen – egal woher sie stammen, was sie glauben oder nicht, welche Sprache sie sprechen, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen und welche Leidenschaften sie haben. Damit habe ich eine Messlatte, mit der ich bei Veränderungen zwischen Fortschritt und Rückschritt unterscheiden kann.

Nehmen wir mal den Rheinufertunnel, der 1993 eröffnet wurde. Der brachte ALLEN Bürgern der Stadt nur Vorteile. Allein schon, weil die Menschen so wieder direkten Zugang zum Rhein hatten und keine stark befahrene Bundesstraße überqueren mussten. Oder das ganze Ensemble zwischen der Kniebrücke und dem Südende des Medienhafens – viel besser als das düstere Industriegeländer vorher. Der Südpark, zur Buga 1987 aus vorhandenen Kleingärten und ehemaligen Brachfläche gestaltet und an den Volksgarten angeflanscht – wundervoll. Alles fortschrittliche Maßnahmen, von denen nicht nur die Besserverdiener profitierten.

Jetzt heißt es: Ja, aber, ist doch toll, dass das blöde Gericht aus dem Herzen der Altstadt weggekommen ist. Na ja, wenn ich den Charme der quietschenden Gerichtsflure mit der Gewaltarchitektur des neuen Komplexes am Oberbilker Markt vergleiche, kann ich da kaum zustimmen. Was man denn sonst mit dem Block hätte machen sollen, frage einige von euch. Klare Antwort: Sozialwohnungen! Anstatt die Menschen mit geringem Einkommen immer weiter aus dem Zentrum und über die Vororte hinaus in die Pendlersiedlungen zu verdrängen, sollten die Familien, die sich Düsseldorf kaum noch leisten können, MITTEN IM HERZEN der Stadt leben. Ein Häuserblock voller Kinderreicher zwischen Mühlen- und Ratingerstraße – herrlich!

Denn gerade bei der Altstadt, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts massive Veränderungen im 20-Jahrestakt erfahren hat, gibt es wenig zu bewahren – außer der Architektur und dem Flair, das die Menschen hineintragen. Wenn nun aber auf einen Schlag fast genauso viele Neu-Altstädter ins Viertel ziehen, wie bisher in der Altstadt insgesamt Menschen gewohnt haben, dann wird dies genau diese Atmosphäre fast zwangsläufig verändern. Und dagegen bin ich.