Die neuen Helden der hiesigen Anti-Nazi-Bewegung sind seit Freitag die Kaiserswerther Bürger. Die gingen mit dem jämmerlichen Haufen, der sich ProNRW nennt, genauso um, wie diese rassistischen Figuren es verdient haben: sie lachten die aus und zeigten mit einem beeindruckenden Marsch, was von all diesen rechtsgewirkten Arschlöchern zu halten ist. Gegen 15:30 näherte sich eine Menge von gut 200 oder mehr Kaiserswerthern, singend und weiße Rosen in der Hand tragend, aus Richtung Clemensplatz den etwa genauso vielen Gegendemonstranten, die an der Absperrung zum Kaiserwerther Markt standen und sich über die genau VIER ProNRW-Hanseln lustig machten, die zwischen den Barrieren herumlungerten. Dann begannen die Kirchenglocken zu läutern – eine beeindruckende, anrührende Szene wie sie diese Stadt selten erlebt hat. Bis dahin war entspannte Langweile zu beobachten. Eigentlich hätte die Kundgebung der Rechtsextremen um 15:00 beginnen sollen, aber bis dahin hatten es nur die besagten VIER Typen bis in die alte Kaiserstadt am Rhein geschafft. Die anderen, hieß es, stünden im Stau, der sich nach einem schweren Unfall auf der A46 gebildet hatte. So hatten die äußert entspannten Cops kaum mehr zu tun, als möglichst lässig rumzustehen oder mit den anwesenden Leute zu plaudern.

Ihr erheblich ergebener Berichterstatter wurde zum Beispiel in eine Debatte darüber verwickelt, ob Bruce Willis als Butch Coolidge in „Pulp Fiction“ die beste schauspielerische Leistung seiner Karriere gebracht habe. Außerdem wurden die schönsten Zitate („Ja, das ist ein guter Burger“) ausgetauscht. Auf der anderen Seite erklärte ein Ordnungshüte einer Dame, die sich zwischen den Fronten bewegte, das Prinzip von Demo und Gegendemo. Später kamen zwei Teilnehmerinnen der Kaiserswerther Bürgerdemo vorbei und schenkten ihre Rosen einer Beamtin, die ausgesprochen gerührt war. Apropos: Zur Gegendemo hatten die Kirchen Kaiserswerth sowie die weiterführenden Schulen aufgerufen. Ausgangspunkt war dann ein Gottesdienst, aus dem heraus sich der Zug der Kaiserswerther in Bewegung gesetzt hatte.

Zuvor war es ein typischer Kaiserswerther Sommermittag. An den Tischen der Cafés und Restaurants am Markt nahmen Leute das Mittagessen oder bloß einen Espresso. Dutzende Radler kamen vom Rhein und fuhren durch die Stadt. Spaziergänger, Flaneure und Menschen, die mal eben schnell ein Eis essen oder Kuchen kaufen wollten. Die wahnwitzige Menge von fast 30 Mannschaftswagen und einem halben Dutzend ziviler Polizeifahrzeuge sowie etlicher Motorradcops wäre vermutlich nicht nötig gewesen, denn selbst die antifaschistischen der organisierten Antifas wollten den mickrigen Typen zwischen den Gittern nicht an die Wäsche. So beschränkten sich die Polizeiaktivitäten lediglich auf das relativ sanfte Abräumen einer Sitzblockade vor einem ProNRW-Kleinbus und dem Platzverweis gegen einen jungen Antifa-Typen, dem die Nerven durchgegangen waren. Der stand den Tränen nah an der Hauswand und beteuerte immer wieder, dass es ihm leid täte, die Beamten als „Wichser“ bezeichnet zu haben. Er würde sich bei Nazis immer so tierisch aufregen…

Wie die ProNRWler wirklich ticken, wurde gegen 16:00 deutlich als plötzlich vier Jungmänner in schwarzen Klamotten auftauchten, von denen mindestens zwei der Hooligan-Szene des MSV Duisburg zuzurechnen sind. Die waren von einem der ersten VIER per Telefon geordert worden, der sich – blöd genug – gleich als Mäver outete, weil er sich bei einem Cup mit dem Satz „Ich kenn sie doch von den MSV-Spielen…“ einschleifen wollte. Ansonsten vergrößerten die Testosteronopfer den Haufen von VIER auf ACHT; nicht ohne gleich beim Bäcker am Markt einzufallen, um sich zu verproviantieren. Da die Absperrungen mehr oder weniger symbolischen Charakter hatten, standen die betroffenen Geschäftsleute in einem kleinen Grüppchen an der Ecke zu An St. Swidbert zusammen und wunderten sich über die Bekloppten auf dem Markt. Ein älterer Herr erinnerte sich mit Grausen an den Umzug der Neonazis vor zwei Jahren, die maskiert und mit Fackeln, ausländerfeindliche Sprüche skandierend, durch Kaiserswerth gezogen waren. „Dagegen sind die hier“, so seine Aussage, „nur Witzfiguren. Eine der Witzfiguren war der einschlägig bekannte pfeifenrauchende Vollbarträger, den sie nur den „Freiherr von“ nennen. Der saß auf der Bank und betrachtete die Situation mit Missvergnügen.

Gegen 16:30 hieß es von Seiten des Polizeisprechers, wenn die restlichen Teilnehmer nicht innerhalb der nächsten halben Stunde erscheinen würde, müsste die Demo aufgelöst werden. Leider schaffte es dann doch ein Neunsitzer – gepachtet bei einem Billigstautoverleiher – bis ans Rheinufer, wohin ihn die Polizze gelotst hatte. Kurz nach dem Einbiegen setzen sich fünf, sechs junge Antifaschisten vor den Karren, wurden aber rasch von Cops abgeräumt. Die Rechtsradikalen im Fahrerhaus, sichtlich nervös und ängstlich, kamen dann doch durch, die Insassen wurden auf dem Markt verklappt, sodass die Schar der Rassisten von ACHT auf SECHZEHN stieg. Das schien den vorwiegend hässlichen Vögeln genug, um eine Kundgebung zu starten. Rasch wurden Lautsprecher auf Ständern installierte und gegen 17:00 begann einer der Bekloppten mit einer Rede ans Volk.

Als jemand, der gelegentlich an Demos gegen Nazis teilnimmt, ist man ja einiges gewohnt, was aber dieser Redner verzapfte, war einfach nur hanebüchener Blödsinn, der selbst innerhalb der verqueren Logik der Rassisten durch ein Maximum an Humbug in kürzester Zeit auffiel. Kurz gefasst sagte der Redner folgendes: Schwule Lehrer sind schuld daran, dass in Deutschland islamistischen Scheinflüchtlingen der Arsch geküsst werde, aber man Lokführer nicht ihren gerechten Lohn zahle. Die Umstehenden sahen sich gegenseitig mit erheblichem Staunen an – hat der das jetzt wirklich so gesagt? Jedenfalls reichte es Ihrem Ergebenen, und er setzte sich in die U79 um das Spiel der Fortuna gegen den Tabellenletzten über sich ergehen zu lassen.