Bericht · Schon seit den Sechzigerjahren ist allerorten von der Bürgerbeteiligung bei der Stadtplanung die Rede. Umgesetzt wurde das Thema in den vergangenen fünfzig Jahren in Düsseldorf eher sporadisch und meist nur in Diskussionen, die von Experten beherrscht waren. Ende 2017 wurde nun das Projekt „Raumwerk D“ vorgestellt und mit einer Veranstaltung im März 2018 gestartet. Damit wollte und will das Stadtplanungsamt die Bürgerbeteiligung auf neue Füße stellen. Bis zum 19. Januar haben nun Bewohner:innen unserer schönen Stadt die Gelegenheit, sich online zu verschiedenen Detailthemen zu äußern. Die Bandbreite reicht vom visionären „Was soll aus Düsseldorf werden?“ bis zu ganz konkreten Fragen rund um die Entwicklung einzelner Stadträume und Viertel. Schon die ersten Kommentare von interessierten Bürger:innen – zum Beispiel die Forderung, Düsseldorf solle inklusiv werden – sind bereits in die weitere Entwicklung des Raumwerk-D-Konzepts eingeflossen. Die Chance, wirklich Einfluss auf die Zukunft Düsseldorfs Einfluss zu nehmen, sollten sich die Menschen in der Stadt nicht entgehen lassen. [Lesezeit ca. 6 min]

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Die Grundwerte

Obwohl das Projektteam von Beginn an bewusst auf den typischen Stadtentwickler-Jargon verzichtet haben, sind das Ziel und die Auswirkungen von „Raumwerk D“ vielen Bürger:innen bis heute nicht ganz klar geworden. So lesen sich die postulierten 7 Grundwerte auf den ersten Blick wie ein Katalog netter Forderungen. Tatsächlich aber leiten sie aus den vorhandenen räumlichen und sozialen Strukturen sowie der Stadtgeschichte und den Entwicklungen der letzten zwanzig Jahre Forderungen ab, an denen sich die Stadtplanung langfristig zu orientieren hat.

Was die Raum- und Mobilitätsplanung angeht, steht die Besonderheit Düsseldorfs als – im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten – kompakte Stadt im Vordergrund. Denn die Stadt belegt eine vergleichsweise kleine Fläche mit relativ kurzen Wegen. Ebenfalls berücksichtig wird die bauliche und soziokulturelle Vielfalt der zentrumsnahen Stadtviertel, die erhalten werden sollen. Wobei der Begriff „Vielfalt“ sich ohnehin durch den Katalog der Grundwerte zieht. Denn auch in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung ist nicht von Wachstum – schon gar nicht um jeden Preis – die Rede, sondern von der Förderung zukunftsfähiger und vor allem klimagerechten Strukturen.

Das Raumgerüst

Basis für das Raumgerüst bilden die unveränderlichen topografischen Merkmale der Stadt mit dem Rhein und seinen Ufern („Stadtküste“), den Hängen der Ausläufer des Bergischen Landes im Osten und der durch den vorzeitlichen Verlauf des Rheins entstanden, von der Düssel und ihren Armen durchzogenen Ebene. Wie bedeutend eine solche Sichtweise ist, hat sich negativ beim Düsselhochwasser im Juli 2021 gezeigt.

Drei Landschaftsräume prägen die Siedlungsstruktur (Abb. Raumwerk D / Stadt Düsseldorf)

In diesem Baustein des Konzepts werden aus der Topografie räumliche Strukturen abgeleitet, die teils schon seit mehr als hundert Jahren bestehen, teils aber erst beim Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg entstanden sind. Die Definition dieser Strukturen verhindern destruktive Planungen und fördern den Erhalt spezifisch Düsseldorfer Eigenarten. Die Ableitungen von den genannten topografischen Merkmalen hin zur Festschreibung städtebaulicher Strukturen bietet interessierten Bürger:innen Stoff für Meinungsäußerungen.

Die Strukturpläne

Die vorgeschlagene Strukturpläne basieren auf den Grundwerten „Gerechte Stadt“ und „Kompakte Stadt“ und sind durchaus kritisch zu betrachten, weil hier Vorschläge gelistet werden, die nicht ohne weiteres miteinander vereinbar erscheinen. So heißt es unter „Stadt intensivieren“, dass in gewissen Räumen „kräftig weitergebaut“ werden soll. Aus kurzfristiger Perspektive erscheint dies angesichts der Wohnungsknappheit und der damit verbundenen ständig steigenden Mietpreise notwendig und sinnvoll. Langfristig betrachtet kollidiert der Vorschlag mit der Frage, ob Düsseldorf à la longue überhaupt noch wachsen soll.

Gerechtes und kompaktes Düsseldorf (Abb.: Raumwerk D / Stadt Düsseldorf)

Denn jegliches Wachstum der Stadt wird Fläche verschlingen und den Ressourcenverbrauch steigern, also dem Ziel der klimagerechten Stadt widersprechen. Andererseits finden die Grundwerte rund um das Thema „Vielfalt“ in den Forderungen „Eigenständigkeit der Stadtviertel im Zentrengürtel kultivieren“ und „Milieuvielfalt und Lebendigkeit in der Inneren Stadt sichern“ angemessen Niederschlag.

Die Schlüsselräume

Spannend wird es bei diesem Baustein, denn hier finden sich sehr konkrete Vorstellungen für klar umrissenen Gebiete Düsseldorfs. Die Projektmacher:innen verstehen diese Schlüsselräume als die Regionen der Stadt, in denen die Grundwerte durch Planungs- und Entwicklungsvorgaben umgesetzt werde sollen. Heißt auch: Einigen sich Bürger:innen, Stadtverwaltung und Stadtrat auf diese Schlüsselräume und die ihnen zugeordneten Maßnahmen, wird dies konkrete Auswirkungen auf Flächennutzungs- und Bebauungspläne haben. Deshalb lohnt sich ein genauerer Blick auf diese Schlüssselräume und für Interessierte und/oder Betroffene die Beteiligung an der Online-Befragung dazu.

Schlüsselraum: Zukunftsquartier Rath (Abb.: Raumwerk D / Stadt Düsseldorf)

Die sieben Schlüsselräume werden definiert als

  • Innenstadt: Reaktion auf den Strukturwandel des Einzelhandels, die Stärkung des Rheins als verbindendes Element, die identitätsstiftende Rolle und regionale Aufgabe der Innenstadt sowie den Nutzungsdruck und die Auswirkungen der Corona-Krise
  • Zukunftsquartier Rath: Gezielte Weiterentwicklung des Viertels durch den Erhalt sinnvoller Strukturen und Umwandlung verbliebener Industriefläche musterhaft für andere Stadtviertel
  • Klimaachse Ost: die Bahntrasse von Gerresheim über Flingern in die Innenstadt als wichtigster Zuluftkorridor erhalten und in seiner Funktion sichern
  • Düsselring: definiert als der Teil der Düssel zwischen der Teilung in die südliche und nördliche Düssel und den Mündungen; gedacht als Ring aus Grünflächen, öffentlichem Räumen und Freizeitangeboten
  • Stadtrand Angermund: stellvertretend für alle dörflichen Viertel (Bockum, Kalkum, Angermund, Knittkuhl/Ludenberg, Unterbach, Hellerhof, Urdenbach, Itter, Himmelgeist und Hamm); Sicherung und den Ausbau der Nahversorgung, der Bildungs- und sozialen Infrastruktur sowie die Verbesserung der verkehrlichen Anbindung
  • Um den Hauptbahnhof herum: Stärkung als Dreh- und Angelpunkt und als repräsentatives Tor zur Stadt, der Umgang mit steigenden Verkehrsaufkommen, die Mobilitätswende sowie die Gestaltung des Bahnhofsumfelds
  • „Region in Balance“: Düsseldorf und seine Beziehungen zum Umland und den Nachbargemeinden

Raumimpulse

Unter diesem etwas schwer verständlichen Begriff fasst das Projektteam einen „Kompass für Investor*innen, Entwickler*innen oder private Akteure*innen [], der über die Festlegungen im Raumgerüst oder den Strukturplänen hinaus Orientierung bei der kleinteiligen Entwicklung von Orten oder Projekten gibt„. Die Raumimpulse beantworten so die Frage, „was man als Akteur*in bei Entwicklungen in den drei Teilräumen an impulsgebenden Kräften beachten sollte“.

Wie sich Bürger:innen (noch) beteiligen können

Die einfachste und schnellste Art sich zu beteiligen besteht in der Teilnahme an der Umfrage im Rahmen des Aktionsprogramms. Dabei können Teilnehmende die drei Punkte aus den Bausteinen – also sowohl Werte als auch Aussagen über das Raumgerüst und die Schlüsselräume benennen, die als erstes konkret umgesetzt werden sollten. Darüber hinaus kann jede:r bei jedem Baustein und dessen Inhalten ihre:seine Kritik, seine Ideen und Anregungen in Form von Kommentaren abgeben. Außerdem werden bei Einzelfragen – zum Beispiel zum Zukunftsquartier Rath – Umfragen angeboten, mit denen Interessierte und Betroffene ihre Meinung zu den jeweiligen Ansätzen äußern können.

So kann man konkret Einfluss nehmen… (Screenshot raumwerkstattduesseldorf.de)

Die Projektverantwortlichen versichern – und haben dies auch schon bisher tatsächlich getan -, dass ALLE Umfragen ausgewertet und alle Kommentare sorgfältig gelesen werden und in die dritte Phase des Projekts „Raumwerk D“ einfließen. Damit bietet das Projekt – ähnlich wie Werkstätten zu konkreten Planungen – jeder:m Bürger:in die Möglichkeit Einfluss zu nehmen. Außerdem erzeugt die ausführliche Darstellung und Dokumentation des Projekts schon eine Transparenz wie es sie bisher in Sachen Stadtplanung kaum je gab. Dass also in zwanzig, dreißig, vierzig Jahren niemand sagt, sie:er habe von nichts gewusst…