Aktuell läuft ja besonders rund um Düsseldorf eine PunkNostalgie-Welle größeren Ausmaßes. Davor gab es eine kleinere Erinnerungsbewegung zur elektronischen Musik in Düsseldorf – vorangetrieben vor allem durch das tolle Buch „Electri_City“ von Rüdiger Esch. In beiden Fällen graben vor allem seinerzeit aktive Musiker und Inteniv-Fans der jeweiligen Richtung in ihren Lebensgeschichten. Das scheint für Männer (es sind vorwiegend Kerle, die sowas tun) ab etwa Fünfzig unausweichlich. Denn wir in den Fünfzigern Geborenen haben das seinerzeit mit der Beatmusik der Sechzigerjahre nicht anders getan. Nun bin ich Betroffener, war aber nie aktiver Musiker und eigentlich auch nie „Fan“ einer besonderen Musikrichtung. Freunde meines Alters gründen dagegen jetzt mit knapp unter Sechzig noch einmal Bands – so wie es meine Altersgenossen zwischen 1964 und etwa 1970 zu Dutzenden getan haben. Und bei der Beschäftigung mit dem Thema bin ich auf zwei spannende Dokumente gestoßen.

Über eine Bildersuche kam ich zur Website der Neusser Band „Just4Fun“, die aus fünf Mitglieder längst vergangener und teils vergessener Bands jener Jahre besteht. Die Jungs sind immer noch unterwegs und spielen, was sie selbst gut finden. Das Titelbild dieses Beitrag stammt aus deren „60er-Archiv“ und zwar von der Gruppe „The Scrapers„. Der Text dazu ist so typisch für das Musikgeschehen jener Zeit, dass ich ihn einfach mal zitieren möchte:

The Scrapers (1962 ~ 1964

In den 60-iger Jahren dominierte die Beatmusik das Musikgeschehen für die Jugendlichen weltweit. Man traf sich in Clubs oder Diskotheken, um die Musik in geselliger Runde zu hören oder auch nur einfach danach zu tanzen und so einen Großteil der Freizeit zu verbringen.
In einem Freizeitclub in Düsseldorf trafen sich Ende 1961 Werner ( Dicki ) Kühl und Dietrich ( Didi ) Schade. Hier wurden Gesellschaftsspiele für Jugendliche gespielt wie Monopoly und Tischtennis etc. gespielt.
Bald entdeckten die beiden ihr gemeinsames fable für Musik. Man sang regelmäßig in einem Chor, danach verschrieb man sich der Beat – Musik.

Da man eine Band gründen wollte, wie so viele Jugendliche in der damaligen Zeit, wurde abends fleißig geprobt. – Von den Originalsongs waren keine Noten verfügbar, so dass sich zwangsläufig an den Tonträgern orientiert wurde.
Die Standardbesetzung einer solchen Band bestand üblicherweise aus 4 Mitgliedern. Man suchte daher eine angemessene Ergänzung. – Nach kurzer Zeit stießen Konrad ( Conny ) Scorl und Franz Dohle zu den beiden. Jetzt, mit Franz am Schlagzeug, war die klassische 4-er Besetzung gefunden .
Die Band wurde, nicht ohne eine Portion Eigenironie, auf den Namen ‚The Scrapers‘ getauft.

Nun wurde intensiv im Viererkreis geprobt: hauptsächlich Samstags bei Scorls, in Neuss-Gnadental, im Keller. – Als Verstärker und Lautsprecher für die Instrumente und Mikros verwendete man alte Radios. – Kein Wunder, dass Alles einen eher unprofessionellen Eindruck machte. Musikalische Vorbilder waren die englische Band The Shadows und aus Schweden die Gruppe The Spotnicks. – Später kamen aktuelle Stücke aus den Charts mit Gesang hinzu, wie z. B. Cadillac (Renegades), Love Potion (Searchers) und andere.
Man veranstaltete erste Tanzveranstaltungen in Jugendheimen, bevorzugt an Wochenenden. Diese waren immer gut besucht, so dass auch externe Veranstalter an die Band herantraten, um gemeinsam entsprechende Auftritte zu organisieren, d.h. die Gruppe hatte sich in Neuss und Düsseldorf bei ihren Fans etabliert.

Die Formation bestand bis zu ihrer Auflösung ca. 2 Jahre. Danach ging man auseinander und die einzelnen Mitglieder gingen eigene Wege.
Didi Schade, der damals neben Peter Richter in der gleichen Klasse des Theodor-Schwann-Gymnasiums die Schulbank drückte, spielte anschließend bei den SCRABEES Bass auf einem dem Höfner-Bass der Beatles ähnlichen Instrument und ergänzte sich im Gesang perfekt mit Peter und Jojo.

Spirits of Sound und Beathovens in Düsseldorf

Aber auch im eigenen Archiv fand ich einen kurzen Text aus dem Juli 2008, der durch Kommentare wunderbar ergänzt wurde:

Aber die Geschichte geht weiter zurück. Bis in die Jahre 1965, 1966. Damals gab es in der Stadt drei angesagte Beatbands: Die Beathovens, die Spirits of Sound und – etwas später – Harakiri Whoom! Letztere Gruppe wurde berühmt wegen des exzentrischen Sängers Marius Müller-Westernhagen, der bei einem Schulfest im Kaiserswerther Theodor-Fliedner-Gymnasium zehn Minuten nach seiner Band, die inzwischen zappaesken und atonalen Krach gemacht hatten, auftrat, indem er im Wolfspelzmantel von hinten durch die Aula zur Bühne schritt. Gitarrist dieser komischen Truppe war übrigens Bodo Staiger (während der durchgeknallte Allen Warren am Schlagzeug saß und Patty(?), der Sohn des belgischen Konsuls den Bass schlug). Später gab es einen Spielfilm, in dem Marius einen chaotischen Kriegsdienstverweigerer auf der Flucht gibt. Musikalisch waren die Harakiris sicher die weniger gute Band. Gegen die Beathovens, eine wirklich gute Coverband, die alles spielten, was angesagt war (Beatles, Stones, Manfred Mann etc pp), konnten sie kaum anstinken. Schlagzeuger der Beathovens war übrigens eine Zeitlang Wolfgang Flür, der spätere Kraftwerk-Drummer. Dieser wurde später oder gar gleichzeitig Schlagzeiger der Spirits of Sound, einer Düsseldorfer Supergroup jener Zeit, in der Michael Rother Leadgitarrist war. Ebenfalls dabei war der sagenumwobene Houschäng Nejadepour, Sohn eines Teppichhändlers von der Stresemannstraße und Schwarm aller Düsseldorfer Mädchenherzen. Ende der siebziger Jahre entstand mit den Lilac Angels eine weitere Düsseldorfer Allstar-Band, die allerdings eher dem schnörkellosen Rock’n’Roll zugewandt war. Dort war Bodo Leadgitarrist, während Joe Stick (dessen echten Namen ich mal kannte) sang, während Nappes Napiersky schlagzeugte und Peter Wollek (ein Klassenkamerad von mir) den Bass bediente.

Die Kommentare:
RAF am 09.07.08 23:54
Dieser Artikel weckt mal wieder Erinnerungen an aufregende Zeiten. Da der Bruder des Organisten von Spirits of Sound ein Klassenkamerad und bis heute ein (nicht nur) Fortuna-Kumpel von mir ist, waren wir beide so was wie die Roadies der Spirits und bei vielen Gigs dabei. Viele der hier genannten Protagonisten, wie Michael Rother, Wolfgang Flür, aber auch Houschäng und Bodo Staiger usw., habe ich daher kennen gelernt. Die meisten Konzerte liefen damals auf Schulfesten, die eine wirklich geile Institution waren. Gibt’s sowas eigentlich heute noch? Irgendwo in einer Schule in Düsseldorf habe ich mal ein Konzert der Band About Five mit Marius-Müller Westernhagen (mit Krückstock) und Bodo Staiger gesehen, bevor sie sich in Harakiri Whoom umbenannt haben. Der Drummer hieß damals anders, aber der Name fällt mir gerade nicht ein. WQar’n Engländer. Eines der besten Konzerte mit den Spirits hatte ich, als sie irendwo in Golzheim bei einem Schulfest als Vorband für die niederländischen Bands Living Blues und Cuby & The Blizzzards gespielt haben. Ich erinner mich an einen total besoffenen aber genialen Harry Muskee!
Peter Wollek ist (wenn ich ihn nicht verwechsle) später Pilot geworden und hatte danach noch eine eigene Geschichte.

KRISCHU am 27.10.11 12:24
Raf, hier ist der Organist der Spirits, Christoph Kukulies. Weiß im Moment nicht, wer Du bist, werde aber Uli mal fragen.
Ich muß einiges korrigieren:
Der Bassist der Spirits, der später eine Flugtechnikerausbildung gemacht hat, war Ralf Ermisch.
Ich stieß damals zu den Spirits – ich glaube, es war ’68 oder ’69 – nachdem bzw. auch noch während ich mit Klaus Czechmanek (†), Allan Warren und Jörg Frass in der Free Group spielte; auch Bodo Staiger war zeitweise mit von der Partie. Wir hatten damals eine Garage im Gurkenland als Übungsraum gemietet, nicht weit von dort, wo Dorothea Rauke und Bernd Schreiber wohnten. Die Free Group wiederum, blickt auf eine wiederum längere Geschichte zurück. Hervorgegangen ist sie aus den „King Bees“, die erstmalig auf einem Schulfest des Theodor-Fliedner Gymnasiums in Kaiserswerth auftraten. Das muß 1964 gewesen ein. Ich spielte Piano, Guitarre spielten Michael Lohmann (†) und später Houschäng Nejadepour, der hier schon erwähnt wurde. Heiner Gleisberg war am Baß und zuerst Dieter Nowack am Schlagzeug. Später Rainer „Hase“ Verhoeven. Die Free Group gewann 1966 das NRW Beatfestival. Mitglieder waren noch Jochen Petersen (gt, ts), Klaus Handstein (tr) und Georgi Nedeltchev (bariton sax).
1970 Stieß ich zu Ali Claudis Soul Four. Ich glaube, die Spirits-Zeit
war auch zu der Zeit zu Ende.
Das soweit für heute.

RAF am 09.07.08 23:59
Nachtrag: Jau, und viele Konzertnächte endeten damals im Hühner-Hugo!

RAINER BARTEL am 10.07.08 09:26
Nein, nein, Peter Wollek sitzt in Neuss, unterrichtet an der Musikschule und ist u.a. Mitglied der Allzweckband Maxmusic. Er hatte nach den L.A. noch eine Zeit bei der völlig unterschätzten Jazzrock-Gruppe Noxnox.
Der Drummer von Harakiri hieß Allen Warren; er tauchte später bei der ebenfalls ziemlich unterschätzten Krautrock-Combo Abacus auf.
Ja, und den Gig als Vorgruppe von Livin Blues und Cuby habe ich auch gesehen. Das war im Humboldt-Gymnasium, glaube ich; aber das war kein Schulfest, sondern ein waschechtes Konzert.