Offiziell heißen sie „Drittanzeigen„, die Meldungen eifriger Bürger an das Ordnungsamt, mit denen Falschparker angezeigt werden. „Wie viele Anzeigen ich pro Jahr erstatte? Im Jahr 2019 werden es wohl mehr als 5.000 gewesen sein.“ Peter F. lächelt mit einer Mischung aus Stolz und Verlegenheit. „Klar, das meiste geht auf das Konto von Falschparkern: auf Radwegen, in Feuerwehreinfahrten, mit Warnblinker in zweiter Reihe. Wenn dann der Radfahrer beim Ausweichen über Straßenbahnschienen in den Fließverkehr muss, dann kommt als Tatbestand ‚Gefährdung‘ hinzu. Das wird erstens teurer und zweitens gibt es ein oder sogar zwei Punkte in Flensburg.“

Peter F. ist seit mehreren Jahren als „Ehrenamtler“ für das Ordnungsamt unterwegs. Wie er dazu kam? „Ich fahre mit dem Rad zur Arbeit. Da muss man täglich mitansehen, mit welcher Dreistigkeit die Autofahrer jeden Quadratzentimeter in der Stadt für sich beanspruchen. Sie parken auf Fahrradwegen, in Feuerwehreinfahrten, auf den Rasenflächen der Grünanlagen. Häufig sind es auch noch Wiederholungstäter, die, wenn man sie darauf hinweist, flapsigen Antworten geben oder aggressiv werden.“

Jagd auf Falschparker mit oder ohne „Wegeheld

Klassischer Fall von „nur mal eben…“

Irgendwann sei das Maß einfach voll gewesen. Über den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) habe er schon vor ein paar Jahren von der Möglichkeit einer Drittanzeige erfahren. Mit ein paar Gleichgesinnten habe er dann in abendlicher Tour die erste Jagd auf Falschparker gemacht. „Wir machten es offensiv. Jeder sollte mitbekommen, was wir taten. Wir wollten belehren, wollten aufklären. Das Ergebnis? Völlig nutzlose Diskussionen bis hin zu aggressiven Wortwechsel. Heute arbeite ich allein; ganz nebenbei auf meinen normalen Wegen. Die Fotos mache ich so, dass es keiner sieht. Abends versende ich dann die Anzeigen. Dank moderner Technik geht das ruckzuck.“

Peter F. ist nicht der einzige in Düsseldorf, der sich zum Handeln entschlossen hat. Er und seine Mitstreiter haben im Jahr 2019 rund 30.000 Drittanzeige (6,5 Prozent) zur Anzeige gebracht. Jeder von ihnen hat seine eigene Philosophie und damit eine besondere Gruppe von Verkehrsteilnehmern auf dem Kieker. „Bei mir geht es um Gefährdung“, erklärt Frank S. „Parken im Kreuzungsbereich, am besten so, dass die ankommenden Radfahrer oder Fußgänger nicht gesehen werden oder so, dass Mütter mit Kindern auf die Straße ausweichen müssen.“

„Wer hier zu Gast ist, muss lernen sich zu benehmen.“

Es geht immer noch ein bisschen rücksichtsloser…

Hans hat es auf Nicht-Düsseldorfer abgesehen und beklagt, dass die „Riesenschlitten“, die Porschefahrer, die mit heulenden Motoren die Kö umrunden, häufig von Ortsfremden gefahren werden. „SUVs fotografier ich am liebsten!“ ergänzt Anna, die eine Fast-Rentnerin ist. „Wie oft stehen sie auf Grünstreifen, versperren Radwege oder rangieren in den engen Straßen bis der Arzt kommt.“ Sie lacht. „Um endlich festzustellen, dass der Parkplatz zu klein ist.“ Und weiter: „Ich war darüber so wütend, dass ich mich beim Ordnungsamt um einen Job bewerben wollte. Aber man muss eine Ausbildung von ein paar Monaten machen.“ Sie lächelt. „Bei meinem Alter? Man wird mir erklären, dass sich das nicht lohne.“

In der offiziellen Presseerklärung des Ordnungsamtes vom Januar 2020 stellt Ordnungsdezernent Christian Zaum fest: „Den gewaltigen Anstieg bei den Drittanzeigen nehmen wir sehr ernst. Diese Informationen aus der Bürgerschaft helfen uns bei der Einsatzplanung unserer Außendienstkräfte.“

Lobende Worte für die selbsternannten Hilfssheriffs

Nach Ansicht von Peter F. und seinen Mitstreitern ein Lippenbekenntnis. Immer noch würden die derzeit 107 Dienstkräfte in der Verkehrsüberwachung (Zitat Pressemitteilung 2/2020) sowie die Polizei bei schwerwiegenden Verstößen zugunsten der Autofahrer entscheiden oder einfach wegsehen. „Bei einer Fahrraddemo durften wir live miterleben, wie die Polizei sich weigerte, im Halteverbot stehende Fahrzeuge abzuschleppen. Stattdessen verteilte sie Straftickets, weil einzelne Fahrradfahrer über den Gehweg fuhren. Düsseldorf hat leider immer noch kein klares Votum für die Alternativen zum motorisierten Individualverkehr“, stellt Peter F. kopfschüttelnd fest. „Aber speziell seit dem Inkrafttreten des neuen Bußgeldkataloges hat sich doch einiges geändert. Und das ist gut so.“

Eine Genugtuung für Peter und seine Mitstreiter, denn natürlich ist ihr „ehrenamtlicher“ Einsatz im Straßenverkehr nicht unumstritten.

Der moderne Blockwart – Denunziantentum par ex­cel­lence

Für Paul, einen ehemaliger Hausbesetzer der linken Szene, ein Ding der Unmöglichkeit. Er gerät erkennbar in Rage: „Die Scheibe mit Ei vollschmieren, den Spiegel abtreten, die Luft rauslassen oder mit dem Schlüssel eine deutlich sichtbare Spur im glänzenden Lack hinterlassen. Aber denunzieren? Anzeigen? Niemals!“

Frau Botaliko, Mitarbeiterin des Ordnungsamtes und zuständig für die Bearbeitung von Drittanzeigen, rät allerdings dringend von solchen Methoden ab. Deutschland sei ein Rechtsstaat und eine Ordnungswidrigkeit anzuzeigen, habe nichts mit Denunziantentum zu tun. „Man muss sich allerdings darüber im Klaren sein“, erläutert sie weiter, „dass der Angezeigte den Namen des Anklägers erfährt. Es kann auch passieren, dass man als Zeuge bei Gericht vorgeladen wird.“

Auch Peter F. hat von der Theorie des „Blockwartes“ schon gehört. Sein Statement dazu: „Ich weiß, dass ich mir damit nicht unbedingt Freunde mache, und meine Nachbarn versuche weitgehend zu verschonen.“ Er lächelt entschuldigend. „Gelingt nicht immer, denn was zu viel ist, ist zu viel…“