Der aktuelle Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, ein gewisser Herr Geisel, ist ein Populist. Das wissen alle, denen er im Umfeld ihres jeweiligen Interessensgebiets begegnet ist. Legendär sein schleimiger Versuch, sich zweimal bei den Fortuna-Fans anzubiedern: Einmal mit einer geradezu absurden Rede auf der Jahreshauptversammlung des Vereins, ein zweites Mal, indem er eine verlorene Wette einlöste und dafür einmal die Mittellinie des Rheinstadions entlang radschlug. In beiden Fällen erntete der bekennende Hertha-BSC-Fan dafür mehr Pfiffe als Applaus. Aber auch diverse Brauchtumsfreunde und Sportfexe aller Geschmacksrichtungen wissen von derlei plumpen Annäherungsversuchen. Und jetzt die Tour de France… Bekanntlich bemüht sich OB Geisel darum, dass die Tour 2017 in der schönsten Stadt am Rhein startet. Im Rat der Stadt wird das von der SPD-Fraktion und (natürlich) von den Grünen unterstützt, CDU und FDP sind aus Kostengründen dagegen. Am morgigen Donnerstag (05.11.2015) wird abgestimmt. Da lohnt sich ein Blick auf das Thema aus größerer Entfernung.

Kraftwerk und das Rennrad
Die direkteste Verbindung der Stadt zur Tour der Pillen und Substanzen verläuft über die ur-düsseldorferische Combo Kraftwerk, die bekanntlich nicht nur Musikgeschichte geschrieben hat. Gründungsmitglied Florian Schneider-Esleben war schon Fahrradfanatiker bevor er gemeinsam mit Ralf Hütter die elektrische Musik neu erfand. Kommilitonen an der Kunstakademie wissen zu berichten, dass er nicht selten ein eingespeichtes Rad ohne Mantel und Schlauch bei sich führte oder manchmal auch einen professionellen Rennradlenker. Vermutlich war das eher eine kunstwollende Attitüde, denn die wahren Velo-Freaks unter den Kraftwerkern waren Ralf Hütter und Karl Bartos, die diese Begeisterung bereits 1983 zum 80. Geburtstag der Tour der Leiden eine Single unter dem Titel „Tour de France“ spielten, die später zum bisher letzten Album der Gruppe führte. Auch wenn die Herren – wie auch sonst – wenig mündliche Auskunft zum Thema gaben, so ist doch überliefert, dass der Radrennfahrer aus Sicht von Kraftwerk eine perfekte Mensch-Maschine darstellt.

So sehr Kraftwerk auch für Düsseldorf steht, so wenig kann das Thema „Tour“ mit der Stadt in Verbindung gebracht werden. Zwar fand das Rennen „Rund um die Kö“ bis zu seinem bisherigen Ende im Jahr 2013 insgesamt 46 Mal in der Landeshauptstadt statt, einen größeren Einfluss auf die Radrennbegeisterung hatte es aber nie. Auch wenn der ehemalige Oberbürgermeister Joachim Erwin mehrmals versuchte, es durch das Hineinpumpen städtischer Geld bedeutsamer zu machen.

Ein Fall für Erwin
Schon der umtriebige OB Erwin, der dieser schönen Stadt absurde Veranstaltungen wie die sogenannten „DTM-Präsentation“ auf der Königsallee und den Skilanglauf-Weltcup auf der Promenade beschert hat, soll von der Tour de France geträumt haben. Sein früher Tod kam der Realisierung in die Quere, aber sein Nachfolger Dirk Elbers betrieb diese Vision ein Stück weiter. Immerhin ließ er die Bewerbung prüfen, allerdings unter der Maßgabe, der Spaß dürfe nicht mehr als 6 Mio Euro kosten. Dass die damalige Sportagenturchefin Christina Begale kurz vor knapp mit einem Budget von 5,996 Mio um die Ecke kam, gehört zu den realsatirischen Geschichten der jüngsten Stadtgeschichte.

Aber genau in diesem Traum, der es nie in die Echtwelt schaffte, liegt vermutlich das Motiv für den schwäbischen OB dieser Tage: Etwas zu schaffen, was Erwin und Elbers nicht hingekriegt haben. So denken Populisten. Und das merken eben auch die politischen Kräfte, die seinerzeit am Ruder waren. Dass momentan also die CDU- und FDP-Vertreter im Rat gegen die Bewerbung Düsseldorfs um den Prolog der Tour im Jahr 2017 sind, dürfte weniger an der offiziell genannten Argument „zu teuer“ liegen, als vielmehr am unbedingten Willen, Geisel an etwas zu hindern, was Erwin/Elbers nicht hingekriegt haben.

Fahrrad – egal wie?
Und die Grünen? Die handeln wie Grüne eben so handeln. In diesem Fall nach dem Motto „Hauptsache Fahrrad“. Eine Veranstaltung holen zu wollen, die den Stadtetat um mindestens sechskommapaarzerquetsche Mio Euro (es können aber auch 10 Mio werden) belastet und die vor allem wegen Dopingfällen und -verdächte berühmt ist, ist so ungrün wie nur was. Denn die Rennradlerei hat mit der angestrebten Steigerung des Radverkehrs in der Stadt ungefähr so viel zu tun wie das Veranstalten von Auto-Crash-Rennen zur Reduzierung des städtischen Autoverkehrs. Nicht einmal eingefleischte Rennradler haben es wirklich mit der Tour de France; jedenfalls nicht so sehr, dass sie unbedingt eine Etappe in Düsseldorf sehen wollen.

Bleibt die Frage: Wer erinnert sich an den Startort der Tour im Jahr 2015? Genau: Keiner außer den geplagten Bürgern der Stadt, die als Kulisse für dieses zweifelhafte Event, das man nicht dem Sport zurechnen möchte, herhalten musste. Dass das Image der schönsten Stadt am Rhein oder wenigstens der europaweite Bekanntheitsgrad von einer solchen Veranstaltung profitieren könnte, scheint so gut wie ausgeschlossen. In diesem Licht betrachtet darf man eine mögliche Bewerbung getrost als Ego-Trip des ehemaligen Ruhrgas-Managers in OB-Gestalt werten.