Es ist eine Schande: Wenn man nach Louise Dumont googlet, poppen serienweise Hinweis auf Geschäfte und Immobilien auf der nach ihr benannten Straße auf. Relevante Quellen muss man dazwischen mit der Lupe suchen. Und so richtig rundum gewürdigt wird die Frau, die uns Düsseldorfer das Schauspielhaus schenkte, von der Stadt auch nicht. Im Gegenteil: Ihr Erbe wird fein säuberlich im Theatermuseum vergraben oder gibt den Stoff für studentische Arbeiten an der Heinrich-Heine-Uni ab. Gut, Düsseldorfs kulturbegeisterten Bürger kennen den Namen, vor allem, wenn er in einem Atemzug mit Gustav Lindemann, ihrem Theaterfreund, Geschäftspartner und Ehemann genannt wird – was sicher daran liegt, dass die Lindemannstraße breiter, länger und populärer ist als die Louise-Dumont-Straße. Alles in allem ist die öffentliche Behandlung dieser in ihrer Zeit europaweit gefeierten Schauspielerin deprimierend – ähnlich wie Clara Schumanns.
Bloß eine Frau?
Immer noch scheint es der bürgerlichen Welt leichter zu fallen, einen Mann zu feiern als eine Frau. Dabei war es Louise Dumont, die mit ihrem unermüdlichen Kampfeswillen die Gründung des privatwirtschaftlich betriebenen(!) Schauspielhauses in Düsseldorf durchsetzte und auch die Wiedereröffnung nach der Wirtschaftskrise zu Anfang der Zwanzigerjahre. Wütend nahm sie zu Beginn zur Kenntnis, dass die Investoren Lindemann als Geschäftsführer sehen wollten und nicht die gelernte Näherin aus Köln. Aber eigentlich kam es ihr zupass, dass sie sich in der Folge ganz und gar auf die Schauspielkunst und vor allem die Reform des Theaters konzentrieren konnte. Sie lehrte an der eigenen Theaterakademie, schrieb unermüdlich für die eigene Fachzeitschrift Die Masken und entdeckte unterwegs die später weithin gefeierten Schauspieler Paul Henkels und Gustaf Gründgens. Es gibt nicht viele Beschreibungen ihrer Persönlichkeit von Zeitzeugen, aber wir dürfen sie uns als kleine, kompakte Frau mit großem Temperament vorstellen. Als starke, engagierte Frau, die für die Zeit der Jahrhundertwende geradezu außergewöhnlich politisch dachte und auch handelte – u.a. dadurch, dass sie eine Hilfsorganisation für Schauspielerinnen gründete, die damals drastisch unterbezahlt waren und sich meist ihre Kostüme selbst kaufen oder schneidern lassen mussten. Sie war, das belegen auch ihre Briefe, eine emanzipierte Frau, sicher nicht weniger als beispielsweise Bertha von Suttner. Und weil sie das war, gibt es immer wieder Gerüchte, sie sei in Wahrheit lesbisch oder zumindest bisexuell gewesen. Pazifistin, das lehrt ihre Bekanntschaft mit Herbert Eulenberg, war sie sicher. Dass sich ihr Partner für den Einsatz im ersten Weltkrieg freiwillig meldete, kann ihr nicht gefallen haben.Eine Starschauspielerin
Als Louise und Gustav in Düsseldorf landeten, wirkte sie auf dem Zenit ihrer Bekanntheit als Schauspielerin, besonders als Darstellerin in Ibsen-Stücken. Beide verehrten den norwegischen Theaterautor, und Lindemann betrieb ein Tournee-Theater, das sich auf Ibsen spezialisiert hatte. Als Tochter des pleitegegangenen Kölner Kaufmanns Heynen hatte sie sich als Näherin und Verkäuferin in einem Wäschegeschäft verdingen müssen, bevor sie nach Berlin ging, um von dort aus die Bühnen zu erobern. Mit nur wenigen Wochen Sprechunterrichts am Berliner Nationaltheater, den sie wegen ihres offensichtlichen Talents kostenlos bekam, startete sie 1882 mit gerade einmal zwanzig Jahren ihre glänzende Karriere. Die führte sie nach Wien ans Burgtheater und im Rahmen von Tournee auch nach Paris und St. Petersburg. Am Hoftheater Stuttgart wurde sie von der württembergischen Königin Charlotte protegiert, aber sie ging 1898 zurück nach Berlin, den Kopf voller Ideen für die Reform des deutschen Theaters – eigentlich in der Nachfolge der Neuberin, jener Schauspielerin des achtzehnten Jahrhunderts, die das deutsche Theater als Gegenpol zum höfischen Schauspiel Frankreichs entwickelt und betrieben hatte. Und: Sie wollte ein eigenes Theater, das nach ihren Vorstellungen spielen würden. Der Versuch, eine Kleinkunstbühne zu gründen, scheiterte schnell. Es dauerte bis 1904, dem Jahr, in dem sie gemeinsam mit Gustav Lindemann die Schauspielhaus Düsseldorf GmbH gründete, in die sie beide ihr ganzes Geld steckten. Zum Glück war das Paar in Düsseldorf bereits bestens vernetzt, sodass es zahlreiche wirtschaftliche und ideelle Förderer gab – u.a. die Industriellenclans der Luegs und der Poensgens.Erfolg auf Umwegen
Der Erfolg stellte sich über einen Umweg ein. Zunächst war den fröhlichen Rheinländer das alles zu schwer, was unter Louise Dumont auf die Bühne kam. Man wollte Klassiker, wie man sie kannte, und leichte Unterhaltung. Aber die große Anerkennung, die die Truppe des Schauspielhauses bei Abstechern innerhalb und außerhalb Deutschlands erfuhr, zog die Theaterfreunde dann doch an, die dem offiziellen, kommunalen Stadttheater zugunsten des Schauspielhauses mehr und mehr den Rücken kehrten. Das Düsseldorfer Schauspielhaus war ab etwa 1908 erfolgreich und berühmt. Und die Bedeutung Louise Dumonts in der deutschsprachigen Theaterwelt wuchs – und wirkte bis weit in die Fünfzigerjahre nach. Für den berühmten Schauspieler Ewald Balser war sie die prägende Lehrerin. Ihre Botschaft lautete: „Der Darsteller sollte seine Rollen aus dem Wort und dem Rhythmus der Sprache neu erschaffen.“
Drei Jahre lang, von 1922 bis 1924, blieb das Schauspielhaus geschlossen, und die Existenznöte hörten nach der Wiedereröffnung nicht auf. Kurz vor Louise Dumonts Tod am 16. Mai 1932 soll ihr der damalige Oberbürgermeister Kölns, Konrad Adenauer, ein großzügiges Angebot gemacht haben, ein Theater in der Domstadt zu übernehmen, um dort frei von finanziellen Nöten zu wirken. Dazu kam es nicht mehr. Gustav Lindemann war es, der mit allen Mitteln versuchte, ihr Erbe zu erhalten, was später zur Gründung des Dumont-Lindemann-Archivs führte, das heute vom Düsseldorfer Theatermuseum verwaltet wird – leider ohne dass das Material in dem Maße auszuwerten und zu publizieren wie Louise Dumont es verdient hätte.
3 Kommentare
In der Tat deprimiriend…mussten schon öfters daran denken… Und dabei kann unsere schöne Stadt nur Stolz auf das Erbe von Louise Dumont sein. Hätte sie so gerne in meinen Lieblingstücken von Ibsen gesehen…
Vielen herzlichen Dank für diesen Beitrag!
Meines Wissens ist der Namensgeber der Lindemann Strasse in Düsseldorf nicht Gustav Lindemann.
Das ist interessant. Nach welchem Lindemann könnte die Straße denn benannt sein?