Analyse · Die Stadt wächst. Prognosen gehen teilweise davon aus, dass Düsseldorf in 30 Jahren deutlich über 700.000 Einwohner haben wird – mögliche Eingemeindungen noch nicht gerechnet. Dabei hat die Landeshauptstadt in mancher Hinsicht die Grenzen des Wachstums schon erreicht. Zumal die Zuwanderung überproportional stark aus Besserverdienenden besteht und langjährig in Düsseldorf ansässige Menschen verdrängt. Denn Wohnraum ist begrenzt, und weil das Wohnen in dieser Gesellschaft nicht so sehr als Menschenrecht, sondern als Profitquelle betrachtet wird, können sich besonders Alleinerziehende und Familien mit geringerem Einkommen die Mieten kaum noch leisten. Das hat sich durch den Neubau von Wohnvierteln in der Stadt nicht verbessert, und es wird sich auch durch den Bau weiterer Quartiere nicht ändern. Hinzu kommt, dass einige der bereits entstandenen und der geplanten Wohnviertel keine Bereicherung für das soziale Urbanleben darstellen. [Lesezeit ca. 4 min]

Unterstützt TD! Ihnen gefällt, was wir schreiben? Sie möchten unsere Arbeit unterstützen? Nichts leichter als das! Unterstützen Sie uns durch das Abschließen eines Abos oder durch den Kauf einer Lesebeteiligung – und zeigen Sie damit, dass The Düsseldorfer Ihnen etwas wert ist.

Wohnraummangel ist in Düsseldorf ein relativ alter Hut, den sich aber ehemalige Stadtoberhäupter teils nicht aufsetzten. So bevorzugte OB Erwin seinerzeit den Bau von Bürohäusern, Einkaufszentren, Sportstadien und Hotels. Immerhin wurde in der Zeit vor 2008 der Weg frei für das, was dann unter OB Geisel „Nachverdichtung“ genannt wurde. Außerdem wurden kleinere ehemalige Industrie- und Gewerbeflächen – zum Beispiel in Bilk – für den Wohnungsbau freigegeben. Mit der Aufgabe weiterer Flächen der Großindustrie und dem Ende der Güterbahnhöfe entstanden Bereiche für mehr oder weniger große neue Wohnviertel.

Groß, lang, teuer und öde: Le Flair an der Toulouser Allee (Foto: TD)

Erstaunlicherweise entstanden dabei bisher fast nur architektonische Scheußlichkeiten und soziale Brachflächen. Wer sich an Wochenenden oder abends durch die toten Ecken des Viertels auf dem Gelände des ehemaligen Derendorfer Güterbahnhofs bewegt, erkennt leicht, wie euphemistisch der Name „Le Flair“ für diese Ödnis ist. Hier (wie auch bei anderen Quartieren, die in den vergangenen zehn Jahren entstanden sind) zeigt sich ein Effekt, der in Zukunft (Glasmacherviertel und Metro-Campus, siehe unten) unbedingt vermieden werden muss: Man hat bei den Blocks die Infrastruktur, die Stadtviertel lebendig macht, einfach ausgespart und sich darauf verlassen, dass Gastronomie und Einzelhandel in den alten Vierteln schon reichen werden.

Gartenstadt Reitzenstein: Ein Hauch von Science Fiction (Foto: TD)

Das gilt auch für die sogenannte „Gartenstadt Reitzenstein„, deren Planer sich wenigstens um mehr Grün als üblich bemüht haben. Auf dem ganzen Gelände gibt es kein Café und keine Gastwirtschaft, zum Einkaufen lädt nur ein REWE ein, fußläufig kann man sonst nicht einmal ein Brötchen erwerben.

Ganz schön, aber isoliert: Grafental (Illustration: Schmeing Baugruppe)

Die Erbauer des Wohnquartiers „Grafental“ haben sogar den Ehrgeiz entwickelt, einen neuen Stadtteil geschaffen zu haben (GRAFENberg + DüsselTAL), aber offensichtlich vergessen, dass zu einem lebendigen Stadtteil mehr als nur schöne Häuser, ein paar Grünflächen, eine Kita und eine Schule gehören. Auch hier fehlen Gastronomie und Einzelhandel fast vollständig. Geradezu eine Wundertüte stellt das sogenannte „Glasmacherviertel“ in Gerresheim dar, denn nach jahrelangem Hickhack rund um die Grundbesitzverhältnisse, veröffentlichte und wieder verworfene Planungen und geänderte Bebauungs- und Nutzungspläne kann man nur hoffen, dass dieses Wohnviertel auf dem Gelände der ehemaligen Glashütte weder bad, noch ugly wird.

Die Wundertüte unter den neuen Quartieren: Glasmacherviertel in Gerresheim (Illustration: glasmacherviertel.de)

Vielversprechend sieht dagegen der Siegerentwurf zum Metro-Campus aus, der nördlich von Grafental zur Grafenberger Allee hin entstehen wird, wenn die Metro ihre Cash-and-Carry-Hallen auf das Gelände des Großmarktes an der Ulmenstraße verlegt hat. Soweit die zur Verfügung stehenden Informationen eine Beurteilung zulassen, sieht es danach aus, als kämen hier zu viel Grün zwischen und auf den Bauten jede Menge Flächen für den Einzelhandel, die Gastronomie und andere Einrichtungen, die das urbane Leben lebenswert machen, hinzu. Dieses neue Wohnviertel (siehe Titelbild) hat das Zeug dazu, „The Good“ unter den neuen Wohnvierteln der Stadt zu werden.