Porträt · Je mehr und tiefer ich im Internet grabe, desto deutlicher stelle ich fest, dass die silbrigen Sechzigerjahre dort nur wenige Spuren hinterlassen haben. So findet man zu einer der damals angesagtesten Gaststätten nur diese eine Ansichtspostkarte. Dabei galt Bob Naglers „Zum Wilddieb“ auf der Bilker Hohe Straße einige Jahre lang als DIE Erlebnisgastronomie der Stadt. Mein Vater, der als Baumeister der Hirschbrauerei viele Gaststätten der Stadt wiederherstellte, sanierte, umgestaltete und baute, war mit diesem ominösen Mister Nagler bestens befreundet und auch am Bau des Wilddiebs beteiligt. Der zog so um 1964/65 herum aus dem angestammten Lokal in das Eckhaus Burgplatz/Kurze Straße um, und auch bei diesem Projekt hatte mein Vater seine Finger im Spiel. [Es war das „Männeken Piss“, das umzog, nicht der Wilddieb] [Lesezeit ca. 3 min]
Bob Nagler war ein echtes Original, eine einmalige Type, einer, der wenig ernstnahm und immer bereit war, einen – mitunter auch bösen – Scherz zu betreiben und die Menschen zu veräppeln. Er selbst sah sich als Zauberkünstler, und tatsächlich rühmte er sich, die legendäre Geldmaschine erfunden zu haben. Dabei handelte es sich um ein Kästchen mit zwei Schlitzen und einer Kurbel. Steckte man auf Geheiß des Magiers ein Stück Papier in die eine Öffnung, begann er an der Kurbel zu drehen und, schwupps, kam aus dem anderen Schlitz ein druckfrischer Zehnmarkschein. Nun bot Nagler an, den Schein zu kopieren. Dazu müsse er in den anderen Schlitz gesteckt werden. Wieder kurbelte er, der Zehner verschwand im Kästchen, und am anderen Ende kam ein leeres Stück Papier un Geldscheingröße heraus. Auf Wunsch druckte er auch Zwanziger und Fünfziger – für Hunderter sei die Technik nicht ausgelegt.
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Ganz in diesem Sinne war die Gaststätte „Zum Wilddieb“, die mit dem Slogan „…bürgt für eine erbärmliche Küche, lauwarme Getränke, schlampige Bedienung, aber erstklassige Preise“ warb, mit allerlei Gags und Gimmicks ausgestattet. Meine Mutter konnte sich noch beim Erzählen vor Lachen kaum halten. Da gab es Sitzplätze unter denen Heizschlangen angebracht waren, die von der Theke aus langsam erwärmt werden konnte – „Da denkt man, man hätte sich in die Hose gemacht“, berichtete sie. Manchmal sausten ferngesteuerte Fledermäuse durch den Gastraum, der im Stil einer Alpenhütte vollständig mit ruppigem Holz verhaust war. Es gab eine Toilettentür, die sich nicht öffnen ließ; drückte man die Klinke schallte einem hämisches Gelächter entgegen. Und so weiter…
Der Wilddieb war eines der Lieblingslokale vom Braumeister Erich Paefgen, dem lustigen der beiden Brüder, die nach dem Tod des Patriarchen die Hirschbrauerei führten und der 1951 als Prinz Erich I. den Düsseldorfer Karneval anführte. Der lebenshungrige, große Mann war tief im hiesigen Brauchtum verankert und hatte einen großen und breiten Freundeskreis, mit dem er sich gern bei Bob Nagler traf. Zu diesem Kreis zählten auch meine Eltern. Und weil der Bob ein großzügiger Mensch war, lud er uns alle einmal auf sein Anwesen in Reit im Winkl ein, wo wir aufs Feinste bewirtet wurden. Wie gesagt: Zu Bob Nagler habe ich im großen weiten Internet nicht die geringste Information und schon gar kein Bild von ihm gefunden. Ich würde mich sehr freuen, wenn eine*r meiner Leser*innen möglicherweise mehr darüber weiß, wer dieser Zauberkünstler war und was über die Jahre aus ihm geworden ist.
4 Kommentare
Anekdote: Nach dem Stadionbesuch an einem Samstag vor ein paar Jahren bin ich vor dem Kabüffken mit einer „grand Dame“ (Ü70) ins Gespräch gekommen. Bei ein paar Killepitch erzählte sie, dass sie in den 60ern aus der Eifel (?) nach Düsseldorf gekommen sei und hier zur Geschäftsführerin des Wilddiebs wurde. Ob sie ihn mit aufgebaut hatte, weiß ich leider nicht mehr. Dies hat sie dann wohl viele Jahre gemacht. Sie erzählte viele Stories aus „ihrem Laden“, zum Teil nicht jugendfrei aber unglaublich witzig. Aus einem kurzen Smalltalk wurden 2-3 Stunden wo wir Tränen gelacht haben.
Das kann eigentlich nur Gitta Nagler gewesen sein, die den Wilddieb an der Hohe Straße bis ca.1997 weiterführte. Der Wilddieb zog dann um zum Burgplatz in das frühere Lokal „ Männeken Pis“. Leider wurde der Wilddieb dann später geschlossen.
Ich erinnere mich noch an viele Trümmer im Umfeld des Wilddiebs Ende der 50er Jahre. Und der „Gemeinheiten“ waren viele: der Stierkopf, der sich senkte und aus dessen Hörnerspitzen dan die Kommenden nass gespritzt wurden, oder das Bild, das von hinter dem Tresen bedient einem auf den Kopf schlug, das Mädchen auf der innentüre der Herrentoilette; wenn man den Rock hob, schrillte in der Kneipe eine Glocke, und jeder wusste Bescheid, das Gelächter verwirrte den Rückkehrenden sehr, oder die Bank die unmotiviert anfing zu rubbeln, oder das Skelett, das Plötzlich von oben auf den Tisch knallte. Und nicht zu vergessen die Bierkrüge, die damals schon die Urfehde zwischen Köln und Düddeldorf anheizte mit der Aufschrift: DATIS NEPIS POTUS COLONIA:
Erinnerungen werden wach! Genauso war es: Pisspot us emwiilddieb. Wackelnder Tisch, Skelett, Scherz aus der Damentoilette, und und und… vielen herzlichen Dank!!