Die wunderschöne Düsseldorfer Rheinpromenade wurde erst möglich durch den Bau des Rheinufertunnels. Der ist nicht nur ein Jahrhundertbauwerk, sondern ein unglaubliches Stück Ingenieurskunst, das oft zu wenig gewürdigt wird. Denn in der Nähe des Flusses ein derart komplexes Röhrensystem zu bauen, ist durchaus nicht trivial – das beweist nicht zuletzt der Einsturz des Kölner Stadtarchivs als Folge von Fehlern beim Tunnelbau. Dass die beteiligten Firmen den Rheinufertunnel zudem in nur dreieinhalb Jahren Bauzeit und beinahe im Kostenrahmen der ursprünglichen Budgetplanung fertiggestellt haben, grenzt aus heutiger Sicht an ein Wunder.
Im Gegensatz zu „normalen“ Straßentunnel wurde dieses Bauwerk nicht im Schildvortrieb, sondern in offenen Gruben errichtet. Wer sich den Lageplan genauer anschaut, wird schnell erkennen, dass für einen vierspurigen Tunnel mit Serviceröhren und allem Drum und Dran an dieser Stelle eigentlich zu wenig Platz ist. Und dann ist noch die Nähe zum Rhein, die für einen schwierigen Untergrund sowie Gefahren durch schnellfließendes Grundwasser sorgte. Das Platzproblem lösten die Planer dadurch, dass für den Straßenverkehr zwei Röhren eingerichtet wurden, die über eine ganze Strecke nicht parallel nebeneinander, sondern übereinander verlaufen. Auch die Tatsache, dass der nördliche und der südliche Arm der Düssel hier in den Rhein münden, galt es zu berücksichtigen. Eine weitere Herausforderung bestand darin, den Tunnel an das Straßennetz der Stadt und vor allem an die Kniebrücke anzuschließen. Deshalb gehörte viel Mut der Düsseldorfer Ratsmitglieder dazu, den Bau zu beschließen. Das geschah im Dezember 1987, und nur zweieinhalb Jahre später fand der erste Spatenstich statt. In der Zwischenzeit wurde nicht bloß geplant und entworfen – um die Probleme mit dem Grundwasser einschätzen zu können, wurde an der Uni Bochum eigens Grundlagenforschung betrieben und ein Modell der Wasserströmungen entwickelt. Vielleicht wäre der Tunnel viel teurer und mit Verspätung fertig geworden, wäre nicht Erich Waaser (hier ein Videoclip des WDR über ihn) als Vertreter der Stadt Projektleiter gewesen und hätte das Vorhaben kompromisslos durchgezogen. Nicht alle beteiligten Unternehmen waren davon erfreut, manches Ingenieurbüro und manche Baufirmen hat angesichts seiner Leitung nicht selten gestöhnt.Auch verkehrstechnisch waren einige Probleme während der Bauzeit zu lösen, schließlich verlief am Rheinufer zwischen der Danziger und der Völklinger Straße die viel befahrene B1 – am südlichen Ende über eine Stahlhochbrücke, die ihren provisorischen Charakter nie verleugnen konnte. Weil die mutigen Ratsfrauen und -herren Düsseldorfs aber einen größeren Plan im Auge hatten, konnte auch diese Schwierigkeit umschifft werden. Ausgangspunkt der Überlegungen zur Wiederauferstehung der Rheinpromenade in ihrer Form von 1909 war die Tatsache, dass der Düsseldorfer Hafen ab Ende der Sechzigerjahre massiv an Bedeutung verloren hatte. Die Hafenanlagen auf dem unteren Rheinwerft unterhalb der Altstadt wurden nicht mehr genutzt, der Holzhafen ebenfalls nicht, und auch die Bedeutung des Zollhafens für die Binnenschifffahrt ging gegen Null.
So konnte in Sachen Stadtentwicklung ein ganz großer Wurf gewagt werden. Der Zollhafen wurde zugeschüttet, die Rheinkniebrücke entstand. Aus dem Zollhafen sollte der Medienhafen als Standort für Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich und der Kreativwirtschaft werden. Zwischen den beiden aufgegebenen Häfen sollte der NRW-Landtag entstehen, und auch der Bau des Rheinturms war schon früh angedacht. Insofern sprach alles für eine umfassende Tunnellösung, also nicht nur die Untertunnelung der zukünftigen Promenade. Alle genannten Umwandlungen und Baumaßnahmen wirkten sich weit in die Stadt hinein aus und veränderte vor allem das Gesicht des heute hippen Stadtteils Unterbilk. Den alten Zustand der ganzen Region von etwa 1969 kann sich heutzutage kein Mensch mehr vorstellen, der sich damals schon in der Stadt, in Unterbilk und im Hafen bewegt hat. Die gesamte Gegend war eher schmuddelig und ein bisschen verkommen; es gab Brachland, das zu überqueren als gefährlich galt, und vom Zollhafen führte ein schmaler Weg entlang der alten Hafenmauer bis zur Altstadt.
Der alles entscheidende Baustein in diesem Masterplan war und ist aber der Rheinufertunnel, der nominell an der Fritz-Roeber-Straße in unmittelbarer Nähe der Oberkasseler Brücke beginnt und offiziell auf Höhe der Lippestraße wieder an die Oberfläche kommt. Ein zweites kurzes Tunnelstück ersetzt die ehemalige Hochstraße und sorgt für die Anbindung an die Völklinger Straße und damit an den Südring.
Zurück zur Bauzeit: Um die offene Bauweise möglich zu machen, musste die B1 verlegt werden. So wurde zunächst eine vierspurige Behelfsstraße auf dem unteren Rheinwerft eingerichtet. Stadtauswärts begann diese auf Höhe der Tonhalle; stadteinwärts musste sie über den Burgplatz gelegt werden, weil unten zu wenig Platz war. Über fast die gesamt Länge des späteren Tunnels von rund 2.000 Metern wurde dann die Baugrube ausgehoben und durch Schlitzwände abgesichert. Um die Grundwasserströme nicht abzuschneiden, wurde zwischen diesen absolut dichten Wänden unter Druckluft gebaut – so konnte das Eindringen von Wasser wirksam verhindert werden. Parallel wurden an den Tunnelröhren gebaut, das unterirdische Parkhaus am Alten Hafen errichtet und alle Anbindungen überirdisch vorbereitet. Durch die ungewöhnliche Führung der Röhren entstand eine Anzahl sogenannter Tunnelresträume, die für die Statik der gesamten Anlage wichtig sind. Die meisten davon wurden vor der Fertigstellung des Rheinufertunnels mit Schutt und Erdreich verfüllt, zwei dieser ungewöhnlichen Hohlräume aber wurden für eine mögliche Nutzung vorbereitet. Hier kommt der geniale Architekt Niklas Fritschi ins Spiel, der für alle gestalterischen Aspekte von Rheinufertunnel und auch Rheinpromenade verantwortlich war. Auf seine Initiative und mit entschlossener Unterstützung durch Projektleiter Waaser konnte der nördliche Restraum einige Jahre lang von Gruppen des freien Theaters, vor allem vom Theater Kontrapunkt bespielt werden. Der Hohlraum in der Nähe der Kniebrücke sollte als Ausstellungsraum genutzt werden. Die Nutzung beider Räume fand ein Ende nachdem erhebliche und durchaus gerechtfertigte Sicherheitsbedenken aufkamen. Die Stadt beschloss daher 2006 eine Einrichtung namens „Kunst im Tunnel“ (KIT), die aus dem Tunnelrestraum eine ungewöhnliche, unterirdische Ausstellungsfläche machte, die allen geltenden rechtlichen Bedingungen gehorchte. Außerdem überbaute man den Eingang in den Untergrund mit einem für gastronomische Nutzung geeigneten Bau, der heute als KIT Café einen der schönsten Punkte der Promenade markiert.Eine der Legenden besagt (siehe oben), man habe den Kostenrahmen eingehalten. Das ist so nicht richtig, denn am Ende summierten sich die Baukosten doch auf über eine halbe Milliarde DM. Der ursprüngliche Beschluss aus dem Jahr 1987 ging dagegen von rund 250 Millionen DM aus, enthielt aber keine Inflationsquote und umfasste eben nicht sämtliche Baumaßnahmen und die damit verbundenen Kosten. Fair betrachtet lag die Kalkulation zu Baubeginn bei rund 450 Millionen DM; sie wurde um gerade einmal 10 Prozent überschritten. Und trotzdem gab es bei der offiziellen Eröffnung im Dezember 1993 massive Proteste wegen dieser Kosten – außerdem demonstrierten einige Hundert am Bau beteiligte Arbeiter, die auf ausstehende Löhne warteten. Ein erster Höhepunkt in der Geschichte des Tunnels fand aber im Sommer 1993 statt nachdem die Bauarbeiten an den Röhren und am Deckel abgeschlossen waren und der Tunnel ein Wochenende lang für Fußgänger zur Besichtigung freigegeben wurde.
Die offizielle Feier zum 25. Geburtstag des Rheinufertunnels findet am Sonntag, 19. Mai 2019 statt. Und wieder wird es den Bürger und Fans des Bauwerks möglich sein, ihn in beiden Richtungen per pedes zu besichtigen; für Radler ist der Tunnel auf ganzer Länge und in beiden Richtungen geöffnet. Außerdem wird drumherum ein großes Fest gefeiert, das dem traditionellen Frankreichfest und dem grandiosen Japantag in nichts nachstehen sollte.