Meinung · Alle reden von der Verkehrswende. Auch weil sich rund um das Thema wunderbar populistische Anmerkungen machen lassen. Die vereinfachen oft, was in Wahrheit enorm kompliziert ist. Da wollen wir nicht außen vor bleiben und haben vier Thesen formuliert, über die sich herrlich streiten lässt. [Lesezeit ca. 4 min]

Eines ist klar: Die Verkehrswende ist einer der wichtigsten Bausteine beim zwingend nötigen Klimaschutz. Und das hat vor allem mit dem enormen CO2-Ausstoss aller Verkehrsmittel zu tun, die zur Fortbewegung fossile Treibstoffe verbrennen. Es geht also darum, die rund 130 Jahre andauernde Ära der Verbrennungsmotoren zu beenden. Nicht leicht in einem Staat, der völlig zu Recht „Autoland“ genannt wird. Denn immer noch wird hierzulande Mobilität mit Pkw-Nutzung gleichgesetzt. Aber es werden eben nicht nur Autos mit Verbrennern betrieben, sondern alle möglichen Transport- und Verkehrsmittel: vom Flugzeug über das Binnenschiff bis zum Laster.

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Erschwerend kommt hinzu, dass die real existierenden Bedingungen in den Städten und auf dem Land sowie dazwischen (Stichwort „Pendler“) vollkommen unterschiedlich sind. Die Verkehrswende bezieht sich nach allgemeinem Verständnis vor allem auf die Frage, wie Menschen von A nach B kommen – ob aus freien Stücken zum Vergnügen oder durch die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort erzwungen. Die folgenden Thesen drehen sich deshalb einerseits um die Mobilität in den Städten und andererseits um die Lösungen für Pendler.

These 1: Das Elektroauto ist nicht DIE Lösung

Für viele gilt die Verbreitung der Elektromobilität als Königsweg der Verkehrswende. Dabei hat das Auto als Allzweckverkehrsmittel längst ausgedient. Die Idee, Menschen könnten mit ein und demselben Fahrzeug zum Einkaufen in der Stadt herumfahren, den täglichen Arbeitsweg zurücklegen, Sachen transportieren und dann auch noch in Urlaub fahren, hat keine Zukunft. Mobilität heißt im Sinne der Verkehrswende, Wege je nach deren Zweck mit angepassten Verkehrsmitteln zurückzulegen. Tatsächlich ist das mit in Akkus gespeichertem Strom angetriebene Auto da nur eine von vielen Möglichkeiten.

Zumal das E-Auto in der Stadt lediglich für eine Verbesserung der Luft führt. Jeder Tesla und jeder E-Tron verbraucht genauso viel Platz wie ein herkömmlicher Pkw. Bekannt ist auch, dass elektrisch betriebene Autos nicht wesentlich leichter sind als solche mit Verbrennungsmotor; dafür sorgen vor allem die Abrollgeräusche der Reifen. Erst die drastische Reduktion von Autos jeglicher Art verbessert die Lebensqualität in den Städten, denn da wird der Platz frei für Fußgänger und Radfahrer, und der ÖPNV kann deutlich beschleunigt werden.

These 2: Pendler brauchen für ihre Mobilität mehr Optionen

Warum sehen wir Pendler immer nur als Autofahrer? Weil Ihnen mit dem dramatischen Rückbau des Nahstreckenzugverkehrs seit den Siebzigerjahren eine wichtige Alternative für den Arbeitsweg genommen wurde. Noch bis etwa 1975 kam etwa die Hälfte der Berufspendler aus Entfernungen bis zu 30 Kilometern Umkreis um Düsseldorf mit dem Zug in die Stadt. Das hat sich durch die Stilllegung einiger Strecken außer den S-Bahnen) und die Verringerung der Taktungen drastisch verändert.

Wer weniger Autos in der Stadt will, muss es Pendlern möglich machen, schnell und bequem mit Bus und Bahn zur Arbeit zu fahren. Bei Entfernungen bis zu etwa 20 Kilometern müssen außerdem Radschnellwege eingerichtet werden, denn das ist eine Entfernung, die besonders mit E-Bikes auch täglich überwunden werden kann.

Für Menschen, die einen Arbeitsweg von 20 bis 50 Kilometern haben, ist aber auch das Elektroauto eine Alternative, ohne CO2-Ausstoss in die Stadt zu kommen. Zumal eine großer Anteil solcher Pendler in Eigenheimen wohnen, die die Einrichtung eigener Ladestationen (Wallbox) erlauben.

These 3: Der ÖPNV in den Städten muss kostenlos werden

Städte wie Monheim, Augsburg und Erlangen machen es vor, dort ist die Nutzung von Bussen und Bahnen für die Bürger:innen kostenlos. Die Alternative dazu sind – wie in Wien – 1-Euro-Tickets; durch die Zahlung von 365 Euro pro Jahr (mit entsprechenden Ermäßigungen für Leute, die sich das nicht leisten können) erwerben die Bewohner:innen das Recht, den ÖPNV jederzeit ohne Zusatzkosten nutzen zu können. Das bedeutet nicht nur, dass der ÖPNV „billiger“ wird, sondern dass sich Menschen, die Bus und Bahn nutzen wollen, nicht mehr mit komplizierten Tarifen herumschlagen oder sich vor jeder Fahrt um ein Ticket kümmern müssen. Erfahrungen in den genannten Städten zeigen übrigens, dass die Verkehrsbetriebe durch den Verzicht auf Fahrscheine auch nicht unerhebliche Kosten sparen können.

Allerdings reicht diese Maßnahme nicht allein, mehr Menschen dazuzubringen, regelmäßig bzw. je nach Strecke bevorzugt den ÖPNV zu nutzen. Die Fahrpläne müssen attraktiver werden. Dazu gehört vor allem eine deutliche Verkürzung der Takte sowie kürzere Umsteigezeiten. Pendlern kann der ÖPNV zudem durch wirklich sinnvoll geplante und realisierte Park-and-Ride-Angebote attraktiver gemacht werden.

These 4: Das Fahrrad ist das bestmögliche Verkehrsmittel in der Stadt

Um beispielsweise von Golzheim nach Flingern zu kommen, braucht man mit dem Fahrrad ungefähr 25 Minuten. Mit dem Pkw ist das nur zu verkehrsarmen Zeiten zu schaffen. Und wer innerhalb der Stadt den Arbeitsweg mit dem Auto erledigt, wird nicht selten noch einmal genauso lange für die Parkplatzsuche brauchen wie die Fahrt gedauert hat. Diese Probleme haben Radfahrer:innen nicht. Weil das Fahrrad kein CO2 produziert, wenig Verkehrs- und Parkraum braucht und außerdem so gut wie geräuschlos ist, muss man es als optimales Verkehrsmittel in Städten betrachten.

Das Problem liegt darin, dass sich bisher Autos und Räder den Straßenraum teilen mussten. Diese Situation erhöht das Unfallrisiko für die schwächeren Verkehrsteilnehmer, also die Radler. Um die Nutzung des Velos nachhaltig zu fördern, muss der Verkehrsraum zugunsten des Fahrrads umverteilt werden; außerdem müssen Pkw- und Radverkehr so weit wie möglich entflochten werden. Ein paar Radwege oder Fahrradspuren neben stark befahrenen Straßen reichen da nicht.

Argumente, die besagen, dass Radeln nun ja nichts für jedermann sei, lassen sich zunehmend entkräften. Für Menschen, denen das Radfahren körperlich zu anstrengend ist, bieten sich E-Bikes an. Wer regelmäßig Dinge zu transportieren hat, kann sich für ein Lastenrad entscheiden.

Ein Kommentar

  1. Ich bin seit 14 Jahren Pendler in eine andere Stadt. Ich würde gern den Öpnv benutzen, mache dies abee nur, wenn mein PKW in Reparatur ist. Und jedesmal brauche ich ca. die doppelte Zeit, alles in allem. Zumal die Züge aus dem Ruhrgebiet nahezu immer zu spät kommen. Anschlussverbindungen in Leverkusen fahren nur alle 20 Minuten. Einen durch Verspätung verpasst, 20 Minuten später auf Arbeit. Selbst wenn ich das Fahrrad zum Bahnhof nehme und in Lev dann den Bus spare, habe ich das Problem, das im Zug fast immer nicht genug Platz ist für Fahrrad und mich. Sitze dann auf den Stufen und halte das Fahrrad fest. Es ist schlichtweg keine Alternative für die dauerhafte Nutzung. Leider. So leiste ich mir ein kleines Auto, das ich aber auch für andere Wege benutze. Fast ausschließlich aber auch, weil die Fahrt in andere, umliegende Städte zu Verwandten und Bekannten viel zu lange dauert aufgrund der nicht vorhandenen Taktung und Abstimmung und Zuverlässigkeit.