Wer sich ein bisschen in der Fortuna-Fanszene auskennt, weiß, dass oben im Block 160 eine ganz besondere Mischung poseteff Bekloppter die glorreiche Diva mit höchster Kraft anfeuert. Dort finden sich vor allem Jungs, die schon von Kindesbeinen der Fortuna verfallen sind, die F95 auch in den dunklen Jahren von 1999 bis 2004 die Treue gehalten haben, die möglichst zu jedem Auswärtsspiel fahren und von denen sich viele immer wieder für den Verein engagiert haben. Einen von ihnen nennen sie Borgo, und der ist seit Januar 2020 Aufsichtsratsvorsitzender der Fortuna. Und das passt, denn waschechter kann ein Düsseldorfer kaum sein als dieser Björn Borgerding. [Lesezeit ca. 5 min]

Eigentlich teilt sich die nicht allzu große Gruppe dieser waschechten Düsseldorfer in zwei Fraktionen: die der glühenden F95-Anhänger und diejenigen, die mit Fußball nichts am Hut haben. Das spiegelt sich übrigens auch in der Mitgliederschaft des Heimatvereins „Düsseldorfer Jonges“ wider, zu der natürlich auch Björn Borgerding zählt. Klar, denn Borgo ist ein begnadeter Netzwerker, und wo könnte man in unserer kleinen Großstadt besser beginnen, seine Netze zu knüpfen als bei den Jonges. Und so wie es aussieht, hat der Mann vom Jahrgang 1982 privat und beruflich alles zusammengebracht, was bei ihm zusammengehört. Der junge Familienvater ist nämlich Unternehmer und betreibt mit Whatsgoal eine Event-Agentur, die sich auf Veranstaltungen und während Corona vor allem auf digitale Veranstaltungen spezialisiert spezialisiert hat.

Der Typ ist so freundlich, lässig und souverän, dass er ohne größere Aufregung miesen Fallen ausweicht, die ihm gewisse Boulevardschreiber aufzustellen versuchen. So lächelt er das Gerücht einer bekannten Postille, es gäbe Knies zwischen ihm und dem neuen Vorstand Klaus Allofs einfach mit dem Hinweis weg, schließlich sei er es gewesen, der die Idee an das Kläuschen herangetragen habe, seine Expertise doch mal wieder bei der Fortuna einzusetzen. So agiert und reagiert nur jemand, der sein Zentrum gefunden hat, man könnte auch sagen: der in seiner Heimat fest verankert ist. Also dachten wir, es wäre eine gute Idee, Björn Borgerding einmal die berühmten 5 Fragen zu stellen…

Frage: Hand aufs Herz – wo ist dein Lieblingsplatz in Düsseldorf?
Antwort: Puh das ist echt eine gute Frage. Als Düsseldorfer fallen mir so viele schöne Plätze ein, mit denen ich wunderbare Erinnerungen verbinde. Der Hermannplatz in Flingern, wo ich jeden Samstag mit meinen beiden Jungs auf dem Markt und Spielplatz bin, gehört definitiv dazu. Hier trifft sich das Viertel auf einen Kaffee bei „Oma Erika“, oder schlendert rüber auf die Ackerstraße ins „Cafe Rekord“. Es gibt aber einen Ort, der wirklich lange Zeit mein Lieblingsplatz war und den kaum einer kennt. Hinter dem alten Derendorfer Güterbahnhof befanden sich früher zig Gleise, über die der Güterbetrieb abgewickelt wurde. Irgendwann in den 90er Jahren wurde der Betrieb eingestellt und es entwickelte sich dort ein lebendiges Szeneleben mit dem bekannten Les Halles, oder auch dem wöchentlichen Flohmarkt. Auch der alte Sicherheitsturm, der sich mitten auf dem Gleisfeld befand, stand irgendwann leer. Wir haben damals arg durchgesessene Sofas aufs Dach geschleppt und hatten einen wunderbaren Ausblick auf einen Teil von Düsseldorf, den es so heute leider nicht mehr gibt. Ich erinnere mich immer noch gerne an milde Sommernächte, an denen die Musik vom Les Halles über das Güterfeld schallte und die alten S-Bahnen langsam an uns vorbeiratterten. Das Gleisfeld hatte mittlerweile die Natur zurückerobert und überall entstanden kleine Birkenwäldchen. Dieser Platz war viele Jahre ein wunderbarer Treffpunkt, den ich niemals vergessen werde.

F: Wie wichtig ist dir deine Mitgliedschaft bei den Düsseldorfer Jonges?
A: Ich bin ja schon viele Jahre Mitglied bei den Jonges. Schon früh wollte ich Teil der Jonges sein, mich engagieren und meine Heimatstadt mitgestalten. Als geborener Düsseldorfer hat mich immer beeindruckt, wie vielschichtig die Jonges aufgestellt waren. Heimat- und Brauchtumspflege, Stadtentwicklung und vieles mehr. Bis heute hat mein Tisch die Patenschaft für das Toni-Turek Denkmal, welches seit 2014 vor unserer Arena steht. Umso älter ich werde, desto wichtiger werden mir all diese Themen. Ich will in einer lebenswerten und grünen Stadt wohnen, die ihre Geschichte und Brauchtümer wertschätzt und pflegt, die nachhaltig baut und wirtschaftet und die für ihre Bürger da ist. Ich möchte nicht nur beim Stammtisch in bierseliger Runde darüber philosophieren, was in Düsseldorf alles möglich wäre, sondern möchte mitgestalten und mich aktiv einbringen.

F: Du als Aufsichtsratsvorsitzender der Fortuna – fühlst du dich mehr als Fan oder mehr als „Funktionär“?
A: Ganz klar als Fan. Aufsichtsratsvorsitzender bin ich nur über einen bestimmten Zeitraum, Fan aber ein Leben lang. Natürlich bin ich auch Funktionär, obwohl ich das Wort nicht sonderlich mag. Das liegt wahrscheinlich daran, dass so viele Fußballfunktionäre ein so jämmerliches Bild abgeben. Es ist oft ein schmaler Grat, zwischen rationalen und manchmal auch sehr harten Entscheidungen auf der einen Seite, als auch den Emotionen eines Fans auf der anderen Seite. Ich habe aber einen guten Weg für mich gefunden. Ich bin total froh und dankbar über meine Rolle, auch wenn ich die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden und die Öffentlichkeit, die damit natürlich einhergeht, manchmal verfluche. Ich darf meinen Lieblingsclub repräsentieren, darf ihn gestalten und das versuche ich voller Demut zu machen.

Björn Borgerding - eins der Fortuna-Gesichter

Björn Borgerding – eins der Fortuna-Gesichter

Das Thema „Entfremdung“ ist ja aktuell in aller Munde. Auch ich merke ja in meinem Umfeld, welches mehr als fußballverrückt ist, dass das Interesse nachlässt und sich Prioritäten verschieben. Vor allem liegt das daran, dass gewisse Fußballfunktionäre total die Bodenhaftung verloren haben und das Rad immer schneller und weiter gedreht haben. Dazu haben sie völlig den Kontakt zur Basis verloren und vergessen, was den Fußball eigentlich ausmacht. Natürlich liebe ich das Spiel, viel mehr aber das ganze Drumherum. Auswärtsfahrten, Trainingslager, die Zeit mit meinen Freunden bei Bier und Bratwurst im Block. Das sind Dinge, die für mich wichtig sind. Natürlich ist der Fußball auch Geschäft, das war er auch schon immer, man darf es nur nicht übertreiben. Ich beschäftige mich intensiv mit der Entwicklung von Sport und des Fußballs, tausche mich vielschichtig mit Kollegen aus der Branche aus und suche den Austausch mit Fanvertretern. Nur wenn wir aufeinander zugehen, einander zuhören und Gegenargumente zulassen, können wir den Fußball gemeinsam positiv verändern. Und dafür wird es definitiv Zeit!

F: Gehst du manchmal zu den Spielen anderer Düsseldorfer Fußballvereine?
A: Ich bin auf der Kühlwetterstraße groß geworden und habe als kleiner Junge im DSC 99 gekickt. Dort schaue ich von Zeit zu Zeit vorbei. Drüber hinaus habe ich viele Freunde und Bekannte, die bei verschiedenen Düsseldorfer Clubs noch aktiv spielen. Dort treffen wir uns im Freundeskreis, schauen die Spiele und trinken gemeinsam das ein oder andere Bier. Auch das Osterturnier des BV 04 steht bei mir seit vielen Jahren im Terminkalender.

Borgo mit Fußball-Ultras in Myanmar (Foto: privat)

Borgo mit Fußball-Ultras in Myanmar (Foto: privat)

Auch genieße ich es zu Reisen und mir vor Ort Spiele der lokalen Clubs anzuschauen. Natürlich faszinieren einen die großen Derbys, aber auch die kleinen Spiele haben ihren Reiz. Es gibt keinen Kontinent, auf dem ich noch kein Spiel gesehen habe. Ich war in Afrika in den Townships und habe dort heiße Derbys auf sandigen Buckelpisten gesehen, in Serbien das Belgrader Derby, oder im alten baufälligen Maracana Stadion das Rio de Janeiro Derby Fluminese gegen Vasco da Gama. Eins der beindruckenden Spiele habe ich aber vor drei Jahren in Myanmar gesehen. Auf dem Höhepunkt der Rohingya Krise haben dort Buddhisten, Christen und Rohingyas gemeinsam Fußball gespielt und danach zusammen gefeiert. Dort habe ich nochmal ganz deutlich gespürt, was der Fußball und der Sport im Allgemeinen für eine verbindende und versöhnliche Kraft hat.

F: Wie sieht es aus – hast du irgendwann vielleicht doch lokalpolitische Ambitionen?
A: Sag niemals nie. Spaß beiseite – aktuell bin ich mehr als genug ausgelastet und habe noch viel mit unserer Fortuna vor!

Ein Kommentar

  1. Reiner Kausen am

    Ich glaube, es gibt nur wenige, die so viel von Fußball verstehen, wie Du, der sich auch in Düsseldorf und der Szene auskennt, und auch auf der Klaviatur der Sportpsychologie zu spielen versteht. Wenn ich Deine Fortuna Artikel lese, regt sich fast nie Widerspruch bei Dir, Deine Einschätzungen und. Euroteilungen decken sich zu mehr als 90% mit meinen Beobachtungrn…und so Frage ich mich oft, warum viele bei Fortuna das nicht genau so sehen und dann eben auch Konsequenzen folgen…z.B. das schon die ganze Saison andauernde unterirdische Passspiel, das alle weiteren. Emuhungrn zwangsläufig kaputt machen muss. Bevor man das nicht beherrscht und in den Griff bekommt, erübrigt sich das ganze Gefasel über Systeme. Dass es Schnelligkeit braucht und nicht endlose Rückpässe bin den Außen, dass man nicht jeden Ball mit dem Rücken zum gegnerischen Tor annehmen und erstmal zu. Passgeber zurückspielen kann nach dem Motto „Nimm Du ihn, dann hab ich wenigstens keine. Fehler gemacht…warum kann man nicht mal in den freien Raum starten oder nach Ballannahme sich mal drehen, starten und es auf eigene Faust versuchen, um Lücken in die gegnerische Abwehr zu reißen ? Oder ist das total Old School? Mit lähmend langsamem inspirierten Quer und Rückpassspiel wird man auch die Abwehr des Tabellenletzten nicht vor Probleme stellen. Sorgen macht mir v.a. auch, dass Fortuna fast alle Punkte ziemlich glücklich und ohne jede Dominanz geholt hat…das kann auf Dauer nicht gut gehen. Wenn ich da an das 3:1 in Schalke in der Funkel Ära denke – das war DOMINANZ (auch wenn Schalke die erst möglich gemacht hat.
    Ich bin Fortuna-Fan seit ich 9 Jahre alt war, habe seit den 60er Jahren alle Höhen und Tiefen miterlebt, viele Spiele gesehen….mit 12 bin ich aus dem Jesuiten-Internats-Gefängnis unbemerkt ausgebüxt, mit dem Zug von Bad Godesberg nach Düsseldorf gefahren, um meiner Fortuna bezustehrn, mehr als 1x habe ich das gemacht…Mein Herz hängt an diesem Verein, obwohl ich nach Studium und Familie im Raum Köln ( der verbotenen Stadt) hängengeblieben bin…und stolz fahr ich meinen Fortuna Aufkleber auf meinem kleinen Honda spazieren.. und verpass kein Spiel…wenn derzeit leider auch auf Sky, was nicht das reine Vergnügen ist.
    Wollte Dir einfach Mal einen Gruß aus der Diaspora senden…Mach weiter so – wir sind seelenverwandt 🙂 Mach et joot Reiner