Vor einiger Zeit haben wir an dieser Stelle den „Erlebnisweg Rheinschiene“ vorgestellt und ihn allen mehr oder weniger ambitionierten Radlern empfohlen. Gerade zwischen dem Duisburger Norden und dem Kölner Süden kann man nämlich nicht bloß immer schön am Rhein entlang strampeln – alle paar Kilometer findet man spezielle Wegweiser und zusätzlich Informationstafeln, die erklären, wo man gerade ist und was es dort zu sehen gibt. Wenn es diesen Erlebnisradweg gibt, fragt man sich, gibt es denn auch wirklich eine Rheinschiene? Die Antwort darauf ist ein bisschen schwierig.

Das versteht man in Baden-Württemberg unter "Rheinschiene"

Das versteht man in Baden-Württemberg unter „Rheinschiene“

Wer nun glaubt, die in Frage stehende Bezeichnung haben wegen des Wortbestandteils „Schiene“ etwas mit der Eisenbahn zu tun, liegt gar nicht falsch. Denn zum ersten Mal tauchte der Begriff im Zusammenhang mit der Entwicklung des schienengebundenen Personen- und Güterverkehrs Ende des 19. Jahrhunderts auf. Es ging dabei um Nord-Süd-Verbindungen an den links- und rechtsrheinischen Ufern. Bis dahin – die einzelnen Bahnlinien gehörten damals noch Privatfirmen – suchten die Eisenbahnunternehmer natürlich nach möglichst lukrativen Strecken, für die sie dann Lizenzen beantragten. Als aber die Ansicht aufkam, Eisenbahnstrecken sollten staatliche Infrastruktur sein, begann man mit einer übergeordneten Planung. In unserer Region lief die ab etwa 1880 und bis zum ersten Weltkrieg eben unter dem Namen „Rheinschiene“.

Aber auch in der Europapolitik taucht der Begriff über die Jahrzehnte immer wieder auf. Gemeint war dann aber das gesamte Gebiet zwischen Basel und Rotterdam, in dem der Rhein schiffbar ist. Man betrachtet also die Rheinschiene aus Sicht der Schifffahrt. Das tut zum Beispiel die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) und spricht von der „Rhein-Schiene“ (mit Bindestrich!) und den in ihr befindlichen Ballungsräume.

Eine NRW-Kulturregion namens "Rheinschiene"

Eine NRW-Kulturregion namens „Rheinschiene“

Und dann wird es komisch. Denn gleich zwei Bundesländer, durch die unser schöner Strom fließt, verwenden den Begriff Rheinschiene und meinen doch jeweils etwas anderes. Das Land Baden-Württemberg operiert ganz traditionell im Bereich des ÖPNV mit dem Begriff. Nordrhein-Westfalen bezeichnet mit dem Wort dagegen einen Wirtschaftsraum, der – Stichwort „Erlebnisweg“! – von Bonn bis etwa Moers reicht. Damit soll sich die Region besonders vom Ruhrgebiet abgrenzen, mit dem zusammen die Rheinschiene die Metropolregion Rhein-Ruhr bildet. Besonders der Niederrhein, von dem niemand so ganz genau weiß, wo er anfängt und wo er aufhört, heftet sich den Begriff in seiner Tourismusinitiative ans Revers und wirbt … ja, genau, vor allem mit dem Erlebnisweg. Und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW findet noch eine Variante. Sie hat das Bundesland in zehn Kulturregionen unterteilt, von denen sie eine „Rheinschiene“ nennt. Und die umfasst laut dieses Ministeriums vor allem Köln und Bonn und deren Umland.

Wir lernen also: DIE Rheinschiene gibt es nicht. Es handelt sich um einen Gummibegriff, denn viele Institutionen so verwenden, wie es ihnen in den Kram passt. Und das ist ja auch nicht weiter schlimm.

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