In der Nacht vom 12. auf den 13.04.1992 gegen halb vier kam es in der Gegend der niederländischen Stadt Roermond zu einem Erdbeben der Stärke 5,5 auf der Richter-Skala. Die Auswirkungen waren im immerhin 60 Kilometer entfernten Düsseldorf deutlich zu spüren. Ich habe dieses Erdbeben miterlebt, und wenn ich jetzt vom Unglück bei L’Aguila höre, erinnere ich mich daran, welche Gefühle entstehen, wenn der Erdboden schwankt.

Gegen 03:10 Uhr erwachte ich plötzlich und grundlos. Draußen herrschte eine gespenstische Stille. Ich trat auf den Balkon und sah, dass einige Nachbarn im Häuserblock ebenfalls an den Fenstern hingen und hinausschauten. Die Luft stand still, kein Vogel sang, kein Hund bellte, und auch die Katzen waren ruhig. Ich ging wieder ins Bett. Plötzlich hörte ich ein tiefes, starkes Grollen wie eine unterirdische Panzerkolonne, die auf unser Haus zuraste. Das Dröhnen verstärkte sich. Es war genau 03:20 Uhr. Dann begann das Bett schwach in horizontaler Richtung zu wackeln. Ich setzte mich auf. Das Grollen hatte aufgehört, dafür begann alles um mich herum zu schwanken. Ich spürte eine absolut atavistische Furcht, eine Urangst, die meinen Puls beschleunigte und mein Herz rasen ließ. Das Rütteln wurde immer stärker. Und dann begann der Türrahmen zu tanzen. Die senkrechten Holme bewegten sich von links nach rechts, die ganze Konstruktion wand sich in allen Richtungen. Auch das Bett schwankte nun auf und ab, vermutlich, weil sich auch der Fußboden bewegte. Das Haus stöhnte. Draußen hörte man Glas splittern.

Nach vier oder fünf Minuten war die Sache vorbei. Ich stand auf und lief durch die Räume. Nichts war beschädigt, nichts heruntergefallen. Dann ging ich wieder auf die Terrasse. Überall hatten die Leute Licht gemacht, sahen aus den Fenster oder standen auf den Balkonen. Dann erhob sich ein Stimmengewirr. Alle sprachen miteinander von Haus zu Haus, jeder berichtete wie er das Erdbeben erlebt hatte. Erst gegen vier am Morgen, am Horizont dämmerte es, gingen die meisten wieder schlafen.

[Dieser Beitrag erschien zuerst im April 2009 im Vorgänger-Blog „Rainer’sche Post„]

Kommentare sind gesperrt.