[Ein Kommentar von Rainer Bartel] Dieselmotoren erzeugen im Betrieb erhebliche Mengen an Feinstaub, so viel ist sicher. Alte Dieselmotoren erzeugen mehr Feinstaub als modernere – auch richtig. Das Gros der auf dem Rhein in unserer Region fahrenden Binnenschiffe ist mit solchen älteren Dieselmotoren ausgerüstet, kein Zweifel. Und deren Ausrüstung mit Filtern ist bekanntermaßen teuer. Dies alles sind Fakten, die niemand bestreitet. Allerdings sind laut dem Umweltministerium NRW lediglich zwei Prozent der gemessenen Feinstaubmenge auf die Binnenschifffahrt zurückzuführen, und das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) meint öffentlich:

Der Rhein wie eine Autobahn

„Betrachtet man den Rhein nach den Schadstoffmengen, die durch die Binnenschiffe freigesetzt werden, so ist er mit einer stark befahrenen Autobahn vergleichbar.“ Das hört sich alles plausibel an. Angesichts der seit dem 1. Januar 2019 geltenden neuen Abgasgrenzwerte aber wittert die Autolobby Morgenluft. Die hat momentan eine bedeutende strategische Aufgabe vor der Brust: Dieselfahrverboten verhindern! Denn Fahrverbote sind schlecht für die Autoindustrie, weil allein die Drohung zigtausende potenzielle Autoverkäufer dazu bringt, erstmal gar kein Neufahrzeug anzuschaffen, aber auch gar keinen Fall eins mit Dieselmotor. Dieses Verhalten der Konsumenten hat bereits zu Absatzproblemen der Hersteller geführt – so darf es aus Sicht des Verbandes der Automobilindustrie nicht weitergehen.

Die Debatte über örtlich begrenzte Fahrverbote für Dieselfahrzeugen in den Städten läuft bereits seit gut drei Jahren, hat aber im Zuge des Dieselbetrugs an Fahrt aufgenommen. Wie, werden sich die PR-Experten der Automobilindustrie gefragt haben, können wir vom Auto ablenken? Genau, lautete die Antwort, indem wir eine klassische Whataboutism-Kampagne starten. Mit der Frage „What about…“ kann man nämlich prima von der eigenen Verantwortung auf die anderer, schwächerer Interessengruppen ablenken. Und so hieß es plötzlich: „Aber diese ganzen stinkenden Binnenschiffe, die durch die Städte tuckern, die pusten doch auch Dreck in die Luft!“

Die Masterarbeit, die Munition lieferte

Bei den Menschen, die einen Pkw fahren, der vom Fahrverbot betroffen wäre, traf man auf fruchtbaren Boden. Gerade Pendler und Handwerker, die darauf angewiesen sind, sich mit ihren Diesel-Wagen frei in den Städten bewegen zu können, spielt seit Ende 2017 die Masterarbeit eines Studenten der Uni Duisburg-Essen in die Karten. Die ist zum Ergebnis gekommen, dass die Stickoxidbelastung im Jahr 2030 auch mit Diesel-Fahrverboten in den Städten am Rhein zu hoch wäre – und zwar wegen der Binnenschifffahrt. Auch wenn der betreuende Professor Schreckenberg gern abwiegelt, die Aussagen richteten sich nicht gegen die Binnenschifffahrt, ist die Studie doch Wasser auf die Mühlen der Fahrverbotsgegner.

Berühmt geworden ist Prof. Michael Schreckenberg mit Grundlagenforschungen zur Verkehrslenkung – speziell in Bezug auf Autostaus und Lkw-Logistik. Er war es zudem auch, der als Experte zur Loveparade-Katastrophe 2010 aussagte und erklärte, weshalb die Zuführung der Menschenmassen nicht funktionieren konnte. Mit Fragen des Emissionsschutzes hat sich Schreckenberg, der in den Medien gern als „Stauforscher“ etikettiert wird, bislang eher nicht befasst. Die Studie eines seiner Studenten aber löste eine Welle aus, die bis heute weiter durch die Medien schwappt.

Die PR-Arbeit der Autolobby

Die Legende von der umweltschädlichen Binnenschifffahrt wird fröhlich weitergestrickt, und Journalisten, die im Sinne der Kampagne schreiben wollen, beziehen sich seit über einem Jahr fast nur noch auf die inzwischen umstrittene Studie. Selbst die seriöse Welt lässt dieser Tage noch einen recht renommierten Journalisten nach diesem Tenor unter der Überschrift „So dreckig sind Binnenschiffe“ schreiben.

Und wie reagiert die Binnenschifffahrt darauf? Nun, im Rahmen ihrer Möglichkeiten – und die sind begrenzt. Denn während die deutsche Automobilindustrie im Jahr 2017 einen Umsatz von 426 Milliarden Euro erzielte, wird die Binnenschifffahrt nach Prognosen im selben Jahr auf knapp 1,9 Milliarden Euro kommen. Da sich die PR-Etats der jeweiligen Lobbys – sofern die Binnenschifffahrt überhaupt eine hat… – in aller Regel proportional zu den Umsatzzahlen bewegen, kann man auch von einem Kampf Goliaths gegen David sprechen, der immer mehr Wirkung zeigt.

Fazit: Die Akteure der Binnenschifffahrt müssen in Sachen reduzierter Emissionen handeln, und das tun sie auch. Gleichzeitig sollten die Verbände der Binnenschifffahrt aber endlich auch der Lobbyarbeit der deutschen Automobilindustrie etwas entgegensetzen – zum Beispiel eine bessere und gezieltere Informationsarbeit gegenüber interessierten Medienvertretern. Nur so können die Binnenschiffer auf dem Rhein den Schwarzen Peter als größte Umweltgefährder wieder loswerden.

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