Auch wenn die Legende von der umweltschädlichen Binnenschifffahrt weitegehend widerlegt, muss sich auch diese Logistikbranche mit Alternativen zum Diesel befassen. Denn über kurz oder lang werden auch Schiffe auf dem Rhein und den anderen Wasserstraßen mit klimafreundlichen, fossilfreien Maschinen fahren müssen. Die gute Nachricht: Weltweit sind bereits verschiedene alternative Antriebe in Schiffen verschiedener Größe und Bauart im Probebetrieb. Wir haben uns die Beispiele und Trends einmal angeschaut.

Die Argonon - ab 2010 als erster LNG-Frachter unterwegs

Die Argonon – ab 2010 als erster LNG-Frachter unterwegs (Quelle: Wikimedia)

Weil der Rhein die wichtigste Bundeswasserstraße ist und sich mit dem Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) eine internationale Behörde (übrigens die mit Abstand älteste in Europa) auch um die Umweltauswirkungen der Binnenschifffahrt kümmert, werden viele Erkenntnisse über das ZKR in Regularien umgesetzt und die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien gerade bei uns auf dem Rhein getestet. So war es das ZKR, das sich ab dem Jahr 2002 mit den ökologischen Aspekten der Schiffskraftstoffe befasst und 2007 ein Papier zur Reduzierung von Schwefel im Diesel publiziert hat. Seitdem ist das sogenannten „Binnendiesel“ im Vergleich zu den Betriebsstoffen für Seeschiffe um ein Vielfaches umweltfreundlicher. Heute werden Treibstoffe gebunkert, die dem Dieselkraftstoff für Pkw sehr ähnlich sind bzw. in ihren technischen Eigenschaften zwischen Autodiesel und Heizöl liegen. Die in der ISO-Norm 8217 standardisierten und im Jahr 2017 zuletzt modifizierten Merkmale für „marine diesel oil“ (MDO) – so der Fachbegriff – haben in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt, dass neue Maschinen sehr viel schadstoffärmer laufen und dass viele ältere Maschinen auf Binnenschiffen durch technisch Maßnahmen umweltfreundlicher geworden sind.

Brückentechnologie Flüssigerdgas (LNG)

Experten aber ist klar, dass Dieselmaschinen in diesem Bereich keine Zukunft haben. Deshalb setzen gerade größere Reedereien der Binnenschifffahrt seit einigen Jahren auf Maschinen, die mit „Erdgas“ laufen; genauer gesagt: mit „liquid natural gas“ (LNG). Zu diesem Thema heißt es in der Wikipedia:

Das erste in Europa eingesetzte Binnentankschiff, das auch mit Erdgas betrieben wird, war die 2010 gebaute Argonon. Das auf dem Rhein eingesetzte Binnenschiff ist mit zwei Dual-Fuel-Dieselmotoren ausgestattet, die mit einem Gemisch aus 80 Prozent Flüssigerdgas (LNG) und 20 Prozent Dieselkraftstoff betrieben wird. Da es noch keine Vorschriften für Erdgasantriebe gibt, fährt es mit Ausnahmegenehmigung. Aufgrund fehlender Erdgasbunkerboote bzw. Erdgastankstellen für Schiffe in Deutschland wird es jeweils von Lkw betankt. Verschiedene Projekte zur Schaffung der Vorschriften, der notwendigen Binneninfrastruktur und zum Bau von Binnenschiffen mit Erdgas als Brennstoff befinden sich in Deutschland und den Nachbarländern in Planung bzw. Ausführung. Die derzeit einzige deutsche LNG-Infrastruktur für Binnenschiffe wird derzeit in den Häfen Duisburg und Mannheim geplant. [Quelle: Wikipedia]

Zukunftstechnologie: Hybridantriebe

Der LNG-Tanker Greenstream auf dem Rhein bei Köln

Der LNG-Tanker Greenstream auf dem Rhein bei Köln (Quelle: VEUS Shipping)

Neben der Herausforderung eine europaweite Versorgung von LNG-Schiffen mit Flüssigerdgas sicherzustellen stellt auch das Umrüsten von Schiffen mit Maschinen für diesen Kraftstoff eine große Hürde für die flächendeckende Einführung dar. Zwar bieten mehrere Hersteller passende Duel-Fuel-Maschinen für Binnenschiffe an, existierende Maschinen lassen sich allerdings bisher nicht auf LNG umrüsten. Die Zukunft dürfte aber Gasmotoren gehören, die den Strom für Elektromotoren liefern – die seit 2012 mit einer Ausnahmegenehmigung der ZKR auf dem Rhein fahrende Greenstream ist ein moderner Vertreter dieser Bauart.

Tatsächlich eignet sich elektrischer Antrieb prinzipiell ganz hervorragend für die Schifffahrt, weil die Energieaufnahme bei den nur seltenen wechselnden Geschwindigkeiten vergleichsweise gering ist und die Unterbringung von Maschinen, Motoren, Tanks und Stromspeichern in Relation zu klassischen Dieselmaschinen nicht mehr Platz benötigt und auch beim Gewicht in einer ähnlichen Größenordnung liegt. Die Vorstellung aber, Akkus an Bord von Frachtschiffen mit Landstrom zu laden, der dann E-Motoren antreibt, ist unrealistisch, weil die Speicherkapazitäten, die entsprechende Reichweiten sicherstellen würden, zu teuer wären und zu viel Raum auf dem Schiff einnehmen würden; hinzu kommt noch das Problem der enormen Ladezeiten. Deshalb dürften verschiedene Arten Hybridsysteme die größte Chance haben zur bedeutendsten alternativen Antriebstechnologie zu werden.

Zukunftsmusik: Emissionsfreie Antriebe

Realistisch betrachtet werden aber alle emissionsarmen oder -freien Antriebe nur in Schiffsneubauten zum Zuge kommen. Dass Umbauten existierender Schiffe viel zu aufwendig und teuer sind, zeigt das schwimmende Versuchslabor MS Innogy, die als Ausflugsboot auf dem Essener Baldeneysee kreuzt. Das Schiff wird von Elektromotoren angetrieben, die den Strom aus einer mit Methanol betriebenen Brennstoffzelle beziehen. Das Methanol wird in einer kleinen Anlage mit Hilfe von Wasser und Strom aus dem CO2 der Luft gewonnen, sodass der Antrieb tatschlich zu 100 Prozent klimaneutral arbeitet. Der Wirkungsgrad der gesamten Energie- und Antriebskette ist allerdings erschreckend gering. Für den Frachtverkehr kämen daher auf sehr lange Sicht betrachtet nur Brennstoffzellen in Betracht, die mit Wasserstoff arbeiten – eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen dürfte aber noch wesentlich aufwendiger und teurer werden als bei der LNG-Versorgung.

Dafür aber scheinen vollelektrische Antriebe auf Akku- oder Brennstoffzellenbasis in sehr viel kürzerer Zeit den Sportbootsektor erobern können. Schon auf der Messe Boot 2018 zeigten mehrere Werften Prototypen und real zu kaufende Yachten ohne Verbrennermotoren, darunter auch Hausboote für Binnengewässer, die den nötigen Strom aus Solarzellen beziehen.

Fazit: Die Binnenschifffahrt ändert sich nur langsam

Wir haben es schon oft erwähnt: Binnenschiffe im Frachtverkehr werden sehr, sehr alt. So sind auf dem Rhein mehrere Dutzend Schiffe unterwegs, deren Kaskos schon 100 Jahre oder mehr schwimmen. Zudem lassen sich immer noch kleinere Frachter hören, die mit langsam laufenden Dieselmaschinen aus den Fünfziger- oder Sechzigerjahren fahren. Das Gros der Frachtflotte auf dem Rhein wird von Dieselmaschinen der Baujahre 1985 bis etwa 2005 angetrieben – alle diese Antriebe können mit vernünftigem Aufwand und zu vertretbaren Kosten nur minimal (etwa durch den Einbau von Filtern und Austausch von Nebenaggregaten) umweltfreundlicher gemacht werden.

Die Last der klimafreundlichen Innovationen liegt deshalb ganz eindeutig bei den Neubauten. Wie lange es in der Binnenschifffahrt aber dauert, bis sich technische Neuerungen flächendeckend durchsetzen, lässt sich an einem Beispiel ablesen: Die Umrüstung der traditionellen, von Schleppern gezogenen Lastkähne zu „Selbstfahrern“ durch den Einbau von Maschinen hat sich insgesamt über gut 30 Jahre (ca. 1930 bis 1960) hingezogen. Und bis der Diesel die Dampfmaschine in der Rheinschifffahrt abgelöst hat, hat es auch mehr als 40 Jahre gedauert.

[Bildnachweis – Titelbild: by RWE/Innogy; LNG-Schiff Argonon: Rolf Heinrich, Köln via Wikimedia unter der Lizenz CC BY 3.0; Greenstream by VEUS Shipping;]

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