Liebe kann man nicht kaufen, nur Sex. Das gilt auch für Fußballvereine… [Ein Text aus dem Jahr 2011; es hat sich nichts geändert.]

Lesestück · „Liebe ist alles“ sang das Erstligateam vom FC Rosenstolz einst, bevor beide Spieler ein Erschöpfungssyndrom erlitten und sich erstmal schonen mussten. Und der verehrte Fußballbloggerkollege vom Freitagsspiel [Das Blog gibt’s leider nicht mehr…] weiß auch, was Liebe ist. Beides hat ne Menge mit Fußball zu tun, denn ohne Liebe ist das ganze Gekicke sinnlos.[Lesezeit ca. 4 min]

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Dutzendweise bekennen Jungschauspieler, äh, -fußballspieler, dass sie den Fußball einfach lieben und sich voll total privilegiert vorkommen, dass sie damit Geld (viiiiiiel Geld!) verdienen können. Das ist die Bescheidenheit der Liebenden, und vermutlich würden die Jungs, die mit siebzehn den ersten Berater anheuern, sogar für UMME kicken, hätten sie eben keinen Berater am Hals, der ja auch ein Frühstücksei braucht. Weil sie eben nicht nur den Fußball lieben, sondern auch ein krasses Verantwortungsgefühl haben.

Es macht es nicht einfach, mit dem Begriff „Liebe“ gegen den Satz anzustinken „Geld schießt doch Tore“. Nehmen wir mal als Extremstbeispiel diese Vollnutte unter den Premier-League-Clubs: Manchester City. Wer auch immer da in den Jahren 07/08 die Entscheiderhosen anhatte, kann keine Eier darin gehabt haben. Denn 128 Jahre vielfältige Tradition an einen menschenunfreundlichen Despoten zu verticken, ist einfach nur charakterlos. Und wer dieses Etikett für den aktuellen „Präsidenten“ der Citizens für überzogen hält, möge sich mal mit den Lebensverhältnissen der „Gast“arbeiter in Abu Dhabi befassen. Wie es ja überhaupt ein Anzeichen mangelnder moralischer Grundlagen ist, wenn man für Geld sein Gesäß hinhält.

Der besagte „Präsident“ hat den Traditionsclub erstmal für um die 700 Millionen Euro Spielermaterial gekauft. Das war 2008. Von besagtem Material ist nicht mehr viel da, und böse Zungen behaupten, die Transferverluste durch den Kauf überteuerter Scheinstars bei gleichzeitig zu billigem Abstoßen von Ex-Stars habe ManCity allein in den letzten drei Jahre gut 150 Millionen Euro gekostet. Und nun das: Der für – ich glaube – 40 Mio eingekaufte Carlos Tevez (den ich aktuell für den einzigen wirklich guten Argentinier neben Messi halte) hat die Faxen dicke. Der will weg. Und macht einen auf passiven Widerstand.

Das erbost die letzten verbliebenen Fans der Citizens. Die Kunden des arabisch-britischen Clubs wird das nicht kratzen, die wissen: Dann kauft der Scheich eben was Neues. Die Mancunians aber, die schon in der dritten oder vierten Generation zum himmelblauen Verein stehen, der so schrecklich lange im Schatten des weltweiten ManU-Konzerns vegetiert hat, die haben die Hasskappe auf. Merke: Hass ist die dialektisch gegenüberliegenden Münzenseite von Liebe. Und Liebe ist das, was echte Fans ihrem Verein gegenüber empfinden.

Was das im konkreten Fall „Manchester“ mit Leuten macht, kann man in einem der wunderschönsten Fußballfilme überhaupt sehen. Der heißt „There’s Only One Jimmy Grimble“ (deutsch entweder „Nur Mut, Jimmy Grimble“ oder völleresk „Es gibt nur einen Jimmy Grimble“), stammt von 2000 und verlief sich hierzulande ein paar Wochen lang in Programmkinos, bevor er zum Versenden an irgendwelche Nischen-TV-Sender verkloppt wurde. Jimmy ist Citizens-Fan, schüchtern und kriegt in der Schule dauernd einen drüber – auch weil er zum falschen Verein steht. Dann bekommt er von einer alten Dame (Hexe?) alte Fußballschuhe, die sich als magisch erweisen, und kommt beinahe groß raus.

Dieser Jimmy mit den abstehenden Ohren und den Sommersprossen LIEBT den Manchester City FC. Und gäbe es ihn wirklich – er wäre dann jetzt etwa 25, 26 Jahre alt -, dann wäre er heute morgen vermutlich auch am Airport gewesen, um diesem Tevez mal so richtig die Meinung zu geigen. Aber das wäre vergebens, denn es gilt: „Can’tBuy Me Love„.

Liebe kann man nicht kaufen, maximal Sex. Und so ist das, was die Kunden der Citizens von ihrer Söldnertruppe kriegen, eben bestenfalls Fußballporn, aber keine Liebe. Das macht die Asymmetrie des modernen Fußballs aus, dass es immer noch Menschen gibt, die ihren Verein lieben, aber fast nur noch Spieler, die für Geld fast alles tun. Das gilt in besonderem Maße für die Premier League, die ja mit dem, was wir Älteren unter englischer Fußballkultur verstehen, nichts mehr gemein hat, für die spanische Primera Division (in jeder Hinsicht ein Fall für sich) und die italienische Serie A, die gerade auf dem besten Weg Richtung Lehman Brothers ist.

In Deutschland ist vor allem der FC Bayern München auf derselben Piste. Wurst-Uli gibt den Familienpatron und tut, als würde er persönlich über das Glück seiner Söldner wachen, während einer von denen, der sich seine Karriere – wie so viele vor ihm – beim FCB final ruiniert hat, mit drei oder vier Feuerzeugen aus seinem brennenden Haus kommt. Der Kapitalismus zerstört alle soziale Bindungen, und der Profifußball der genannten Ligen ist Kapitalismus der entgrenzten Art. Kein Wunder, also.

Ich denke, es ist absolut notwendig, den Fußball von diesem ganzen rationalen Scheiß zu befreien, der eh nur angeführt wird, um ihn dem kapitalistischen Verwertungsbetrieb im Rahmen der globalen Entertainment-Industrie zuzuführen. Deshalb geht es nächste Woche um den auch ganz weichen Begriff „Hoffnung“. Ansonsten war es leider nur ein 1,5-Punkte-Wochenende, dass meine geliebte Fortuna auf den zweiten Platz der zweiten Liga katapultiert, und jetzt muss ich Schluss machen, damit ich mir diese Tabelle mal wieder angucken kann – denn das tue ich momentan täglich zweimal.

Boycott Qatar 2022

[Dieser Artikel erschien zuerst am 28. September 2011 im Vorgängerblog dieses Online-Magazins namens „Rainer’sche Post“]

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