…wurde es am Ende nicht, weil den Darmstädtern dann doch noch eine Bude gelang.
Analyse · Man sollte dieses Spiel an den Partien in Hamburg und gegen Bielefeld messen. Beim HSV war die glorreiche Fortuna durchgehend unterlegen, die Arminia hat sie phasenweise an die Wand gespielt. Und gestern? Eine Begegnung zweiter Zweitligaspitzenmannschaften auf Augenhöhe, die durch das entschieden wurde, was Fußballrepochter penetrant „Lucky Punch“ nennen. Wobei dieser abgelatschte Begriff ja nicht für „Glückstreffer“ steht, sondern für den entscheidenden letzten Schlag. Dafür, dass das 1:0 für die Hausherren in der 73. Minute fiel, kam dieser letzte Schlag ganz schön früh, und die Burschen im roten Dress hätten noch genug Zeit zum Ausgleichen gehabt. Aber so wie während der ganzen Spielzeit davor gelang es ihnen nicht, zwingende Torchancen zu generieren. [Lesezeit ca. 3 min]
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Nun ist die Weisheit uralt und stammt vielleicht sogar aus der Zeit vor Herberger, aber es stimmt einfach: Ein Team kickt nur so gut, wie es der Gegner zulässt. Während unsere Jungs gegen den HSV nicht nur unterlegen waren, sondern auch schlecht spielten, bewegten sie sich gestern im schönen Stadion am Böllenfalltor auf Augenhöhe mit einem der drei Spitzenteams der zweiten Liga. Wie es überhaupt jetzt schon so aussieht, als hätten nur fünf Mannschaften etwas mit dem Aufstieg zu tun, also eben der HSV, Darmstadt, Paderborn, die Fortuna und vielleicht auch noch Heidenheim. Allerdings wagt euer treu ergebener Fortuna-Liebhaber eine Prognose: F95 wird bestenfalls um den Relegationsplatz mitspielen und den Rest der Saison nie besser als Platz 3 stehen.
Ja, die Saison ist noch lang, aber die Partie in Darmstadt war eine Weiche. Und sie hat gezeigt, wie man das brillante Spiel der Rotweißen, dass sie gegen Bielefeld gezeigt haben, entschärfen kann. Warum also gab es so wenige Chancen? Die erste Beobachtung: Dawid Kownacki hing völlig in der Luft und bekam kaum je einen Ball, geschweige denn einen brauchbaren serviert. Das heißt: Der gute Dawid war nicht schlechter als gegen die Arminia, er konnte nur seine Qualität mangels Pässe auf ihn nicht unter Beweis stellen. Und warum bekam er so wenig Pässe? Weil die potenziellen Passgeber kaum Räume vorfanden. Und das lag an der defensiven Grundordnung der Lilien plus deren konsequenten Umsetzung derselben. So war Shinta Appelkamp weitestgehend abgemeldet. Wobei er aber auch den Fehler beging, sich nicht tiefer fallenzulassen, um dann auf anderem Weg in seine Position zu kommen.
Oder Emma Iyoha, der uns vor einer Woche mit seinen Dribblings so viel Spaß gemacht hat. Der war durchgehend unter Kontrolle und konnte sich nicht entfalten. Und weil sein Schienenpartner Michael Karbownik hauptsächlich defensiv gebunden war, blieb der linke Flügel stumpf. Ähnlich sah es auch auf der anderen Seite aus, wo Käpt’n Zimbo allerdings etwas mehr Druck nach vorne brachte, und Felix Klaus phasenweise so etwas wie Gefahr ausstrahlte. Da nutzte es auch nichts, dass sowohl Ao Tanaka, als auch Jorrit Hendrix nach Kräften versuchten, das Spiel zu strukturieren. Nur die Innenverteidigung stand durchgehend bombenfest, allen voran dieses Mal Tim Oberdorf, dem der Titel des Mann des Spiels gebühren würde, vergäbe der Ergebene denn einen.
Alles, was den Bielefeldern vergangene Woche nicht oder nicht gut gelungen war, beherrschten die Darmstädter fehlerfrei. Nur die gefürchtete Offensive wollte nicht so richtig gefährlich werden – was aber vor allem an Tanaka und Hendrix sowie eben Klarer und Oberdorf lag. So neutralisierten sich die Teams über mehr als eine Stunde fast vollkommen. Die Statistik wies bis zur Pause nur je zwei Torschüsse für beide Kontrahenten aus. Das aber war aus F95-Sicht eine gute Nachricht. Nur bei den beiden Abseitstoren zeigte sich, wie die Hausherren und die Gäste die gegnerische Abwehr hätten knacken können.
Apropos Statistik: Am Ende hatte F95 bei drei der vier Kernwerte die Nase vorn. Die Düsseldorfer boten die größere Laufleistung, lagen bei der Passquote ein Mü besser und hatten einen Hauch mehr Ballbesitz. Und das alles stank meilenweit nach einem Remis. Zumal der SVD erst nach einer taktischen Umstellung und der Auswechslung von vier der fünf Offensivkräfte ab der 60. Minute überhaupt Druck auf die Schüppe bekamen. Diesem Druck aber hielt die F95-Abwehr gut stand. Wild wurde es dann ab der 71. Minute. Da musste Flo Kastenmeier zweimal all sein Können investieren, um eine Hütte zu verhindern. Und dann die 73. Minute. Nach einer Ecke kommt eine hohe Flanke in den Sechzehner. Der Einssechsundneunzigmann aus der SVD-Viererkette steigt hoch wie eine Silvesterrakete. Cello Sobottka, der für ihn zuständig ist, pennt einen Sekundenbruchteil und springt nicht mit. Da sieht man dann eine Birne den restlichen Pulk überragen und das Ei in Richtung rechter Pfosten fliegen.
Ein weiterer Darmstädter kommt von außen angeflogen, berührt aber den Ball nicht, der ins Gehäuse flutscht. Erstaunlich, dass die kölschen Grottenolme nicht grunzten, denn der eben erwähnte Flieger könnte im passiven Abseits gewesen sein. Die verfügbaren Ausschnitte geben leider nicht her zu beurteilen, wo genau sich dieser SVDler zum Zeitpunkt des Kopfballs befand. War er abseits, dann hätte das Tor nicht gegeben werden dürfen, weil er unseren Keeper irritiert hat. Der einzige Fortune, der den Reklamierarm hob, war übrigens Chris Klarer, die anderen trabten folgsam zum Anstoßpunkt. Wie gesagt: Die VARisten hätten sich melden müssen, zumal der ausgezeichnet pfeifende Schiri Burda die Gesamtsituation nicht überblicken konnte und sein Assistent auf der anderen Seite stand.
Und weshalb war Sobottka beteiligt? Weil Jorrit Hendrix kurz vor der Pause doch rausmusste. Der hatte sich bei einer Abwehraktion in der 37. Minute vertreten, war sitzengeblieben und musste von Doc Blecker untersucht werden. Später hieß es, es könne was am Innenband am rechten Knie gewesen sein. Hoffen und wünschen wir dem fröhlichen Holländer, dass er sich keine ernsthafte Verletzung eingehandelt hat. Eine Szene noch: Als Cello reinkam, hatte sich Zimbo schon die Kapitänsbinde abmontiert und übergab sie an den vor ihm in der Rangfolge stehenden Sobottka.
Durch Cellos Einwechslung änderte sich nichts am System oder am Spielplan. Die Wechsel, die SVD-Coach Lieberknecht vornahm, änderten dagegen alles bei seinem Team. Auch wenn hinten die Viererkette blieb, wurde aus dem komischen 4-2-1-2-1 nun eine breitere Formation mit drei auf einer Höhe agierenden Angreifern. Plötzlich ging bei Darmstadt was über die Flügel; alle Standards in der Folge waren das Ergebnis dieser Umstellung, auch die Ecke, die zum Siegtreffer führte. Da hätten die F95-Coaches vielleicht doch zeitnäher reagieren sollen. So aber wurden die Jungs in Rot einfach nur immer mehr hinten rein gedrängt – Umschaltmomente gab es kaum.
Bezeichnend für die sportlich-faire Gesamtstimmung: In der 69. Minute krampft ein Lilien-Kicker; Trainer Thioune, der in unmittelbarer Nähe steht, leistet sofort erste Hilfe und dehnt dem gegnerischen Kicker das Bein. Auch wenn es relativ viele Fouls und insgesamt sieben(!) gelbe Karten – fünf für den SVD, zwei für uns – gab, waren Boshaftigkeiten nicht zu sehen. Erfreulich, dass die Spieler des SV Darmstadt 98 im Gegensatz zu den HSVern nicht bei jedem Kontakt mit einem Gegenspieler mit den Armen rudern oder die Ellbogen ausfahren.
Überhaupt war die Stümmung im ausverkauften Merck-Stadion am Böllenfalltor – so der offizielle Name – bei schönstem Wetter prächtig. Zum ersten Mal konnten Zuschauende auf der neu errichteten Tribüne sitzen; der allgemeinen Atmosphäre dieses Traditionsspielorts hat der Umbau nicht geschadet. Rein geografisch ist auch der Standort des Gästeblocks erhalten geblieben, der natürlich ebenfalls pickepackevoll war.
Leider gab es ein paar Unstimmigkeiten zwischen den sich gerade neu sortierenden Ultras und anderen Auswärtsfahrer:innen, die lieber im Stehblock sind als auf einem Sitzplatz. Wie es ein mitgereister Anhänger ausdrückte: „Vielleicht sollte man den Ultras mal erklären, dass ‚Fan‘ nicht von ‚Fahne‘ kommt“, denn weil ununterbrochen aus den unteren Reihe mit Großfahnen gewedelt wurde, blieb den Leuten weiter oben die Sicht auf die Wiese weitestgehend versperrt. Und ob ein bisschen Pyro wirklich immer zur Stümmung beiträgt, sollten die Ultras auch mal überdenken.
Am Einsatz und am Willen hat es der Fortuna in diesem „guten Auswärtsspiel“ (O-Ton Zimbo Zimmermann) definitiv nicht gemangelt, vielleicht am bisschen am Mut und an der Konzentration. Möglicherweise hätten die Coaches in der Pause auch über eine neue Taktik nachdenken und die Umsetzung derselben anordnen können. Eventuell hätte die glorreiche Diva dann in der zweiten Halbzeit die Oberhand gewonnen und nicht die SVD. Aber das ist alles bloß Konjunktiv. Die Realität war auf dem Platz, und die Realität sagt: 1:0 für Darmstadt.
Hilft ja nichts, muss weitergehen. Die übergreifende Aufgabe für die kommenden drei Spiele gegen Nürnberg, in Karlsruhe und in Kiel kann nur lauten: Gewinnen, gewinnen, gewinnen, egal wie. Nur wenn in diesen Partien mindestens sieben, besser neun Punkte geholt werden, bleibt die Fortuna an der Spitzengruppe dran. Wenn nicht, dürfte sich F95 für den Rest der Saison im oberen Mittelfeld tummeln.
Ein sachkundiger Fußballfreu des Ergebenen meinte ohnehin, dass es gar nicht schlimm wäre, wenn noch eine Zweitligasaison drangehängt wird. Denn durch die Verletzungssituation deutet sich ein spannender Generationswechsel an, der sich erst in der Saison 2023/24 so richtig positiv auswirken wird. Gestern feierte übrigens Marcel Mansfeld sein Debüt in der ersten Mannschaft, und er führte sich gleich gut ein, indem er beinahe für die einzige Rudelbildung der Partie sorgte. Zählt man mal die Youngster durch, die bisher zumindest im Kader standen, kommt man auf erstaunliche sieben Spieler aus eigenem Anbau, die schon integrierten Jungkicker Klarer, Karbownik, Bunk, Appelkamp und Baah – allesamt U23 – nicht gerechnet. Die Zukunft sieht rosig aus.
2 Kommentare
Hoffentlich hast auch so viel Verständnis wenn sie in Regensburg verlieren.
Das Heimspiel gegen Bielefeld war gut keine Frage, aber gegen den Tabellenletzten völlig überbewertet.
Es fehlt Auswärts besonders an Mut bei den Spielern und besonders beim Trainerteam. Kaiserslautern hat am WE gezeigt wie man in Hamburg körperlich mit viel Aufwand dagegen hält (wir hatten keine Chance).
Fortuna will es immer spielerisch lösen, dass klappt aber in der 2. Liga meist nicht, die Körpersprache und das Zweikampfverhalten ist Zuhause deutlich besser als Auswärts. Es fehlen auch ein einfach ein paar Prozent, auch Körperlichkeit, Robustheit. Hört bitte auf damit, es auf die Verletztenliste es zu schieben (ein Gavory hilft uns nicht, de Wijs ist bisher nicht in Form gewesen Klarer und Oberdorf besser, Hennigs Oh Gott was hätte das in Darmstadt geändert.