Meinung · Kaum bestimmt die Corona-Pandemie nicht mehr alle Zukunftsgedanken, kehrt im Fußball wieder die alte Routine ein. Da träumen Fans vom Aufstieg, da werden Transferfenster geöffnet und wieder geschlossen, und alle meinen, im deutschen Profifußball ginge alles immer so weiter. Tut es nicht – und zwar schon seit der „WM im eigenen Land“ im Jahr 2006. Das Jahr, in dem der moderne Fußball gewonnen hat, der dafür sorgt, dass die reichen Clubs immer reicher werden, dass Bayern München neunmal nacheinander Meister wurde, dass viele Traditionsvereine vor lauter Panik vergaßen, wie man seriös wirtschaftet und die globale TV-Industrie und die weltweit operierende Wettmafia mit ihrem fetten Geld das Spiel bestimmt. Leider haben viele Anhänger des getretenen Rundballs noch nicht so richtig realisiert, wie der moderne Fußball wirklich wirkt und was es für den Vereins des eigenen Herzens bedeutet. Grund genug, mal einen systematischen Blick auf die Sache zu werfen, natürlich aus dem strikten F95-Blickwinkel. Und dann über die fortunistische Zukunft zu diskutieren. Meinung ·

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Spätestens seitdem die Privatfernsehversender begonnen haben Geld für die Übertragungsrechte zu bezahlen, hat sich das Thema Fußball in drei manchmal nur mühsam miteinander verbundene Teilbereiche zerlegt. Da gibt es immer noch die sportliche Seite, dann ist das ominöse „Fußballgeschäft“ und schließlich die Fußballkultur, die sich im Treiben der Fans verschiedenster Geschmacksrichtungen zeigt. Im Fußballsport geht es zum Glück immer noch darum, Spiele zu gewinnen, aufzusteigen und am Ende Meister zu werden. Das Business dreht sich – wie in jeder Branche im globalen Turbokapitalismus – um Wachstum und Steigerung der Profite. Die Fans aber, die wollen immer noch dieses besondere Gefühl, dieses möglichst hautnahe Erleben von Siegen und Niederlagen im Kreise der Gleichgesinnten. Aber in allen drei Bereichen haben sich in den vergangenen fünfzehn Jahren die Rahmenbedingungen drastisch verändert.

Aufstieg 2004: Nie mehr Oberliga (Screenshot: WDR-Bericht)

Aufstieg 2004: Nie mehr Oberliga (Screenshot: WDR-Bericht)

Wir Fortuna-Fans haben diese Veränderungen allerdings ganz anders erlebt als die Mehrheit der anderen Profivereine. 2006 als alles begann hatten wir gerade die vierte Liga hinter uns gelassen. Die Finanzlage war katastrophal, die Strukturen erst im Aufbau begriffen, und es konnte nur einen Weg für F95 geben: Aufsteigen! Finanziell sanieren. Und beides hing eng miteinander zusammen. Träger dieser Entwicklung war vor allem die aktive Fanszene, die mit großem Einsatz dafür sorgte, dass in der Stadt überhaupt wieder über die Fortuna gesprochen wurde, und die das jeweilige Team laut und kreativ unterstützte.

Die F95-Mitarbeiter in den Fenstern der Alten Kämmerei bei der Aufstiegsfeier im Mai 2018

Aufstieg 2018: Die F95-Mitarbeiter in den Fenstern der Alten Kämmerei (Foto: TD)

Die launische Diva erlebte einer dieser seltenen Phasen, in denen die drei Teilbereiche – Sport, Finanzen, (Fan)Kultur – harmonisch zusammenspielten. Das haben in den fraglichen 15 Jahren nicht viele Clubs so erlebt. Eurem erheblich ergebenem F95-Beobacher erscheint es so, als sei diese Phase spätestens mit dem Abstieg 2020 abgeschlossen. Denn dass dieser wunderschöne eingetragene Verein sich auf allen Ebenen konsolidiert hat, erwies sich beim Überleben der Corona-Krise. Nun geht es also darum, tatsächlich den berüchtigten „nächsten Schritt“ zu machen. Nur, wie soll der aussehen?

Sportlich: Muss der Aufstieg in die erste Bundesliga sein? Und, wenn ja, wie soll es dort weitergehen? Könnte sich die Fortuna dort überhaupt „etablieren“? Und, wenn ja, wären wir dann nicht bloß ein weiteres Augsburg, noch ein Mainz? Oder eher ein SC Freiburg, der gelegentliche Abstiege problemlos verkraftet?

Wirtschaftlich: Wie kann ein langfristiges Finanzierungskonzept aussehen, wo die Höhe der TV-Einnahmen (selbst bei einem Aufstieg) schwankend ist, wo die Einnahmen durch Sponsoring realistisch betrachtet fast ausgeschöpft sind und die Zuschauereinnahmen ohnehin begrenzt? Sollten wir – wie vergleichbare Vereine – den Weg als „Ausbildungsverein“ gehen, der gezielt den „Marktwert“ junger Spieler steigert, um Einnahmen durch Transfererlöse zu erzielen? Sollten wir weiterhin aufs Schuldenmachen verzichten und kein „Geld in die Hand nehmen“, das wir nicht haben?

Gesellschaftlich: Fortuna Düsseldorf ist in erster Linie dem Leistungssport verpflichtet. Das bedeutet, dass auch in den Abteilungen Handball und Futsal die Beteiligung an den oberen Klassen angestrebt wird. Das wird auch so mit einer Abteilung für Frauenfußball so sein, die in nicht allzu ferner Zukunft gegründet wird. Das bedeutet, dass die Verbindung mit den Bürger*innen der Stadt nicht über den Breitensport funktioniert, sondern über das gesellschaftliche Engagement des Vereins – dabei ist, betrachtet man die Fülle an Aktionen der letzten drei, vier Jahre, die Fortuna auf einem sehr guten Weg. Dass der fortgesetzt werden sollte, ist keine Frage. Wesentliche Zukunftsfragen aber ergeben sich rund um die Fußballkultur, also das Verhältnis, die Kooperation zwischen dem Verein und der aktiven Fanszene – was gilt es zu verbessern?

Also, liebe Freund*innen der wunderhübschen Fortuna, was meint ihr zu diesen drei Themenkreisen? Euer hochergebener Berichterstatter ist gespannt auf euren Input.

5 Kommentare

  1. Dr.Flokkelz am

    In vielen Teilbereichen erlaube ich mir da aktuell Meinungsfreiheit, weil ich einfach nicht die Zeit habe, diese Bereiche im Kern zu erfassen und ich nicht aufgrund von Halbwissen herumschwadronieren möchte. Aber wichtig finde ich vor allem einen Punkt: Auf der einen Seite erleben wir (zurecht wie ich finde) eine riesige Freude über eine hochattraktive Liga, die uns im kommenden Jahr (und da Fußball immer noch nicht zu 100% berechenbar ist wohl auch darüber hinaus). Mit attraktiven, finanzstarken Clubs winken volle Gästeblöcke, gute Stimmung und qualitativ besserer Fußball.
    Gleichzeitig hat die vergangene Saison begehrlichkeiten geweckt bzw. verstärkt aufkommen lassen. Bei den meisten war die Saison eine gefühlt Vollkatastrophe und mit neuem Trainer und gestärktem Kader, wenn die „ganzen Pfeifen weg sind“ KANN es ja nur bedeutend besser werden. Angesichts unserer diesjährigen Platzierung im Tableau ist das gleichbedeutend mit einer doch sehr bestimmten Erwartungshaltung, die Liga nach oben zu wechseln.

    Beides geht meiner Meinung nach kaum zusammen. Die Stärke der Liga (so sich das denn bestätigen wird) bedeutet, dass die Luft am oberen Tabellenende extrem dünn wird und die Aufgabe, einen der ersten beiden Plätze zu belegen, so schwer wie lange nicht. Vergleichbar wäre die Situation wohl mit Frankfurt, wo man vergleichbar knapp die CL-Plätze verpasst hat. Aber ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass da jetzt eine Erwartung und ein Druck aufgebaut wird, im kommenden Jahr dieses Traumziel doch gefälligst zu erreichen.

    Fazit: Es kann durch aus passieren, dass Fortuna im kommenden Jahr einen der Plätze 6 bis 8 belegt und man TROTZDEM ein positives Fazit ziehen werden muss. Was eine überzogene Ewartungshaltung und ein entsprechender Druck auslösen kann, war im ersten Saisondrittel der abgelaufenen Spielzeit über weite Strecken deutlich zu sehen. Den Fehler sollte man nicht noch mal machen – aber ich befürchte, es wird trotzdem passieren.

  2. So ein Verein muss ja Identifikation aufbauen, ich denke das ist das Wichtigste, weil wenn ich mich mit „meinem“ Verein auch in der zweiten Liga identifiziere ist doch die Liga-Frage nicht mehr das wichtigste.
    Die zweite Liga ist vielleicht hinsichtlich der oberen Tabellen-Ränge noch spannender als die Erste.
    Identifikation baut sich, jedenfalls bei mir, nicht auf wenn ich etwas über die Gehälter der Spieler erfahre. Das ist auch der Grund warum ich bis jetzt auf ein Sky- Abo verzichtet habe, sondern Identifikation baut sich über die Personen auf die im Verein statt finden. Ein Beispiel ist Schalke, die versucht haben mit Ihren Identifikationsfiguren, wenigstens das Verhältnis zwischen Fans und Mannschaft etwas positiver zu gestalten.
    ich persönlich identifiziere mich mit Menschen die etwas individuelles besitzen wie Rösler, Funkel und Bellinghausen.
    Jetzt muss eine Identifizierung zwischen dem neuen Trainer und den Fans stattfinden und wenn ich dann lese, dass dieser Trainer „Zeit“ hat weil er „nicht aufsteigen“ muss, dann denke ich, dass das so nicht korrekt ist. Der Verein hat als neues Saisonziel, wenn ich die RP richtig verstanden habe den Wiederaufstieg genannt. Es sind Spieler im Gespräch ( von Alkmaar) mir für „uns“ hohen Summen und deswegen hat dieser Trainer den gleichen Druck den Rösler auch hatte. Und wenn dieser Trainer es nicht beweisen kann, dass er fur „uns“ und unseren Erwartungen der Richtige ist, hat er seinen Hut zu nehmen und diese Stelle muss neu besetzt werden, von mir aus auch mit ehemaligen Identifikationsfiguren.

  3. zu sportlich:

    Ein „Muss“ zum Aufstieg sehe ich nicht. Irgendwann gerne mal wieder, aber ich sehe derzeit nicht, dass wir uns dort länger etablieren können. Mainz, Freiburg und Augsburg waren zum richtigen Zeitpunkt aufgestiegen und profitieren Jahr für Jahr von den TV-Geldern. Als Aufsteiger kommt man da nicht mehr hin. 17/18 war ein erfolgreiches Jahr und ie guten Spieler waren nicht zu halten. So geht es den Aufsteigern in der Regel. Eine sportliche Durchlässigkeit zwischen Liga 1 und 2 gibt es nicht mehr. Vermutlich kommt bald einer mit dem Beispiel Union Berlin. Die sind aber kein Beispiel, da stecken im Hintergrund ein oder mehrere Geldgeber hinter. Das wird nur nicht gerne kommuniziert. Man gibt sich dort immer noch gerne als volksnaher Verein, der alles über seine Mitglieder und solider Handarbeit erreicht. Man schue sich den Kader der letzten Saison an. Einen Kruse bekommt man nicht mit den finanziellen Möglichkeiten, die sie nach dem Aufstieg hatten. Also ähnlich wie unsere.

    Wirtschaftlich:

    Keine Schulden, eher Ausbildungsverein! Nichts mehr wie seinerzeit Kömel! Was ich mir wünschen würde, dass der Verein seinen Mitgliedern mehr transparente Informationen zu seinen finanziellen Verhältnissen übermittelt. Wenn ich sehe, dass Vereine wie Sandhausen z.B., die vermutlich finanziell schlechter gestellt sind als wir, schon jetzt jede Menge Spieler verpflichten, kommt der Gedanke, dass wir wohl finanziell nicht so gut aufgestellt sind. Das muss ja gar nicht stimmen. Aber das ist das Problem, wir Mitglieder wissen es nicht. Aktuell sieht es wieder nach neuen Spielern álá „Resterampe“ aus. Auch wenn wir den für mich einzig richtigen Weg mit möglichst vielen jungen Spielern gehen sollten. Da sind schon einige gute Talente aus der aktuellen U23 abgewandert. Und die Transfers der Ligakonkurrenten haben auch schon einige junge Spieler verpflichtet. Wieso dauert das bei uns seit Jahren so lange, bis was neues kommt?

    Gesellschaftlich:

    Da ist Fortuna auf einen guten Weg, soweit ich das beurteilen kann. Die Nähe zu den Fans scheint mir als normaler Tribünen-Dauergast zu sehr auf die Ultras festgelegt zu sein. Auf den Tribünen ausserhalb der Süd gibt es aber sicher jede Menge Zuschauer, die mindestens genauso und vermutlich länger die Fortuna im Herzen haben. Diese zu erreichen, wäre sicher ein etwas mehr repräsentativer Durchschnitt als „nur“ die Südtribüne“. Man könnte vielleicht ja mal eine Umfrage an alle Fans oder wenigstens alle Mitglieder starten, um die Gedanken und Vorstellungen „aller“ Fans zu erfragen.

  4. Deltaflake am

    Ja, was erwartet man eigentlich von seinem Verein? Finde die Antwort erstaunlich schwer. M.E. ist doch nichts öder, als ein Bayern-Fan zu sein und nur bei diesen wenigen CL-Spiele im April oder Mai wirklich mitfiebern zu können. Dagegen ist man ja bei einem Vereins in der 2. oder 3. Liga vergleichbar richtig gut dran!
    Ist man zufrieden, wenn sich der eigene Verein in der 1. Liga etabliert, aber eher langweilig weder oben noch unten mitspielt? Die Emotionen explodieren doch erst bei einem Aufstiegsentscheidungsspiel, wie damals 2009 (hier letztens toll von Rainer beschrieben) oder beim entscheidenden Tor von Rouwen 2018 in Dresden.
    Von daher finde ich es schon fast gut, wie es momentan bei der Fortunan ist. Erst recht wenn es in der neuen Super-2. Liga viele Top-Spiele geben wird und wir vielleicht tatsächlich mit Chancen um den nächsten Aufstieg mitmischen können.
    Wichtig finde ich dabei, dass der Verein wirklich authentisch bleibt. D.h. keine dicken Schulden, richtige Typen im Aufsichtrat und im Vorstand und vor allem in der Mannschaft. Ich sehe das insgesamt, auch mit dem neuen Trainer und den Spielern aus dem eigenen Nachwuchs schon optimistisch.
    Aber es wird richtig weh tun, wenn uns dann wieder ein Top-Spieler weggekauft wird. Noch gesteigert wenn das durch einen Verein mit Landesbürgschaft oder dem unsympathischen Club aus der südlichen Nachbarstadt passiert – wie damals mit Klaus Allofs. Aber auch das gibt es bei Bayern und Dortmund (Alaba, Lewandowski, demnächst Sancho und Haaland).