Normalerweise ist das Blog Düssel-Flaneur entlang des Flüsschens unterwegs, das Düsseldorf seinen Namen gab. Im Rahmen einer Kooperation präsentiert The Düsseldorfer nun den zweiten Teil einer exklusiven Sonderfolge (hier geht’s zum ersten Teil). Ausnahmsweise im Fokus: der Düssel-Mündungsarm Brückerbach.
Weiter am Deich entlang. Nach ein paar Hundert Metern gelangen wir zur Ecke Rheindorfer Weg/Auf´m Rott. Geradeaus würden wir innerhalb von zwei Minuten auf der belebten Kölner Landstraße landen. Von dort leuchtet uns schon das „LESEN“-Schild der Buchhandlung Werstenbuch entgegen. Wir dagegen halten uns links, überqueren die Backsteinbrücke (die Farbe des Geländers? Ist klar, oder?) und folgen am anderen Ufer dem Flusslauf die letzten zwei Hundert Meter entlang der Straße Am Gansbruch.
Dann haben wir unser Ziel erreicht: Hier, am Tunnelausgang, beginnt der begehbare Teil des Brückerbachs. Von der Tunneldecke aus machen wir einige Fotos. Was wir wissen, aber nicht sehen: Flussaufwärts, nicht allzu weit von hier, auf der anderen Seite des Werstener Kreuzes trennt sich der Brückerbach von der südlichen Düssel. Seine ersten 500 Meter legt der Brückerbach also unterirdisch zurück.
Um zurück zu unseren am Wasserwerk abgestellten Fahrrädern zu gelangen, nehmen wir den Spazierweg auf der entgegengesetzten Uferseite – entlang des Reihenhaus-Viertels, das zwischen dem A46-Zubringer, dem namenlosen (?) Baggerloch und dem Brückerbachdeich eingeklemmt ist.
Als wir wieder vor der langbeinigen Fußgängerbrücke ankommen, die vom Unigelände ins Otto-Hahn-Viertel führt, packt P. erneut seine Actioncam aus. Wir gehen die Böschung herunter. Nähern uns der Stelle, an der das Wasser über zehn aus Steinquadern angelegten Terrassen Richtung Rhein fließt.
„Nennt man so was eigentlich schon Fischtreppe?“, fragt P.
Vermutlich hält er mich für einen Fischtreppenexperten, weil ich an der Düssel stets nach irgendwelchen Fischen Ausschau halte. Ich ziehe die Schultern hoch und mein Smartphone aus der Hosentasche und googele.
Das Resultat ist ein Artikel über die Fischtreppeneröffnung vor elf Jahren: „(…) Aale, Forellen, Barben, Barsche, Gründlinge und Schmerlen, aber auch Lachse, Neunaugen und Meerforellen können mit Hilfe der Fischtreppe erstmals nach 80 Jahren wieder ungehindert aus dem Rhein in den Brückerbach schwimmen. Die Fischtreppe ersetzt zwei 1,20 und zwei Meter hohe Abstürze aus Beton, über die der Brückerbach bisher wie ein Wasserfall in den Rhein stürzte. Wasserbausteine und große Steinblöcke von bis zu einem Meter Durchmesser, die stufenartig angeordnet werden, verringern die Strömungsgeschwindigkeit und geben den Fischen die Möglichkeit, die Steigung zu überwinden. In eigens angelegten Ruhezonen können sie beim Aufstieg „verschnaufen“. (…)“
„Ich glaube, mit dem Text ist eine richtige Fischtreppe weiter unten an der Mündung in den Rhein gemeint, das hier vor uns fällt eher in die Kategorie `Fischtreppe light´“, sage ich. „Wärst du ein Rhein-Fisch und hättest Lust, die Düssel hinaufzuschwimmen, würde ich dir aber so oder so raten den Brückerbach zu benutzen. Denn der ist offenbar momentan die einzige durchgehende Verbindung.“ Und dann erzähle ich P. auch noch, was ich außerdem bei meiner spontanen Google-Recherche herausgefunden habe: „Der sehr seltene Eisvogel soll sich hier angesiedelt haben, und Naturschützer haben am Bach sogar spezielle Sitzstangen für ihn aufgestellt, um ihm das Jagen von Jungfischen zu erleichtern.“
Inzwischen haben wir das Ufer erreicht, und plötzlich legt P. den Zeigefinger zu einem „Leise!“-Zeichen an den Mund und geht langsam in die Hocke. Er hat etwas entdeckt. Keinen Fisch. Sondern: einen Krebs, der vollkommen unbeweglich auf einen Grasstreifen direkt am Ufer sitzt. Ist er tot? Oder chillt er nur ein Bisschen in der Sonne? Ich zücke mein Smartphone und schieße ein Foto, während P., leicht nervös, seine Actioncam startklar macht.
Als er endlich zu filmen beginnt, ist der Krebs – er lebt! – bereits wieder Richtung Wasser unterwegs. P. folgt ihm mit der Kamera. Der Krebs hockt im flachen Uferwasser, checkt die Lage. P. nähert sich ihm mit der Kamera, und fast scheint es, als würde der Krebs ihn gleich angreifen.
Krebse in der Düssel haben wir schon einmal gesehen auf unserer Düssel-Tour. Vermutlich handelt es sich auch diesmal um einen amerikanischen Einwanderer. P. ist schon wieder einen Schritt weiter: Er würde gerne noch ein Filmchen drehen und sich dabei ein Beispiel an einem Typen nehmen, der telefonierend in der Mitte des Baches auf einen der Steinquader sitzt und seine Füße im Wasser baumeln lässt – aber ein Blick auf die Uhr bringt ihn davon ab. Noch einmal schnell auf die Brücke, ein paar letzte Fotos machen.
Und dann, von der Brückenmitte aus, sehen wir ihn: Flussabwärts steht ein langbeiniger Vogel im Bach – unbeweglich und offenbar auf Beutetour.
„Ist das ein Eisvogel?“, fragt der vorgeblich ahnungslose P.
„Ja, ein Eisvogel, der sich als Graureiher verkleidet hat“, sage ich.
„Hast du überhaupt schon mal einen Eisvogel in Düsseldorf gesehen?“, fragt P.
„Noch nie, nur mal als Kind irgendwo in einem Naturschutzgebiet, auf dem Land.“
„Diese Graureiher sieht man inzwischen aber öfter in der Stadt, in den Parks und an der Düssel“, stellt P. fest – und lässt sich zu einem seiner deplatzierten Vergleiche hinreißen: „Wenn der Graureiher das RTL2 unter den seltenen Vogelarten der Stadt ist, dann ist der Eisvogel ARTE.“
„ARTE hat doch fast jeder schon mal gesehen“, nehme ich den Faden trotzdem auf, „nee, der Eisvogel ist eher geheim unterwegs, so wie ARD-alpha und ZDF Kultur.“
P. winkt ab, und vorbei an einer Gruppe von Studenten, die sich auf der Deichmauer zum Sonnenuntergangsbierchen niedergelassen hat, spazieren wir schweigend zu den Fahrrädern. Zurück in den Alltag, zurück zu unseren Familien: P. und sein reihenhausiges Eigentümerleben im Neubaughetto – mit Stellplatz und ohne Parkplatzsorgen. Ich und meine Mietwohnung im umtriebigen Viertel – mit Kinderwagenstau im Hausflur und garantierter Parkplatzsuche. Und wenn wir eine Lücke im Terminkalender finden, treffen wir uns wieder. Zum Flanieren am Düssel-Ufer. Wer weiß: Vielleicht fliegt uns auf dem Weg zur Quelle ja doch noch einer dieser Eisvögel über den Weg.
2 Kommentare
Ich hab meinen bisher einzigen Eisvogel tatsächlich an der Düssel gesehen, in Eller. Das musste ich nur mal kurz loswerden 🙂 Sehr beeindruckend!
Musste nur 300m weiter in den Südpark, gegenüber vom Haus Deichgraf sehe ich immer wieder Eisvögel.