Gut eine Woche lang trieben Düsseldorfer Schreibfinken eine Sau durch ihren Blätterwald, die es zwischenzeitlich unter dem Stichwort „Gruselpuppen“ bis in den Tagesspiegel und diverse Lokalzeitung quer durch die Republik schaffte. Ein Mensch namens Wolfgang Harste gab dem Express zu Protokoll:

Er fotografiert sie mit Schaudern. Harste: „Dann habe ich mich umgeschaut. In etwa 50 Meter Entfernung stand ein schwarzgekleideter Mann, der mich beobachtete, sich aber immer wieder wegdrehte.“ [Quelle: Express.de]

Und schoss damit den Vogel der Hysterie noch lange nicht ab. Mittlerweile ist die Sache geklärt: Ein gewisser Ciprian Kozakiewicz wollte die beiden sogenannten „Schäm-dich-Puppen“, die seine Mutter wegwerfen wollte, retten. Und stellte sie bei sich vorm Haus an einem Baum ab. Eine davon klemmte sich ein Passant und verbrachte sie in den Volksgarten. Wo sie erneut von jemandem mitgenommen und liegend bei einem Kompostbehälter platziert wurde.

Wer letztlich die Hysterie in Gang gesetzt hat, ist unklar, denn schon vor dem Boulevardblättchen-Bericht gingen Fotos durchs soziale Netz und wurden mit zunehmendem Grusel weiter verbreitet. Ob es der bewusste Herr Harste war, der die Sache anheizte, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Das Social-Media-Volk konnte jedenfalls nicht an sich halten. Nachdem die erste Welle der Spekulation über das Wer und Warum leicht abgeebbt war, kam es zum üblichen Zorn. Und zwar basierend auf der Vermutung, es habe sich um eine Kunst- oder Politaktion gehandelt. „Krank“ nannte ein Patient die Sache, „kriminell“ ein anderer. Und die Medien spielten das Spiel mit und feuerten weitere Vermutungen in die Gegend. Übrigens durchweg basierend auf den per Express und Facebook verbreiteten Fotos des Herrn Haste. Gesehen mit eigenen Augen hat – soweit nachvollziehbar – kein einziger Scheinjournalist die Puppe bzw. die Puppen. Denn eine davon holte der gute Ciprian rasch wieder rein, nachdem er vom ganzen Hype las.

Time-out-dolls
Dabei wäre die Sache journalistisch mit ein ganz klein bisschen Internet-Recherche leicht zu klären gewesen. Wer bei Google die Begriffe „Puppen“, „Kinder“, „traurig“ oder „schämt sich“ oder „versteckt sich“ oder „in der Ecke“ eingibt und ein wenig stöbert, findet sie schnell: Die „Schäm-dich-Puppen“, auch „Versteck-dich-Puppen“ oder „Eckensteher-Puppen“ genannt. Die beiden Exemplare der Familie Kozakiewicz sind übrigens nicht „groß wie Kleinkinder“, sondern tatsächlich kaum 50 Zentimeter hoch. Auch das hätte man – wenn man schon nicht selbst das Corpus delicti gesehen hat – leicht an einem der Fotos des Herrn Harste feststellen können, weil die Puppe dort an einem Stück Mauer sieht, die es am Weiher im Volksgarten hinter der Ballonwiese gibt. Einmal kurz hingefahren und nachgemessen, schwupps, hätte man genau sagen können, wie groß die Puppe war.

So aber berichten die Schreibfinken fröhlich vom Schreibtisch aus, erzeugen Spekulationen und behaupten anschließend, diese seien die Gedanken von Bürgern bzw. Lesern. Die ganz große Ironie am ganzen Medienhype ist: Die BILD hängte sich natürlich an die Express-Story dran und heizte mit dem Hinweis darauf, dass eine Puppe auch auf dem Friedhof gefunden worden sei, den Gruselfaktor noch an. Und ist bis jetzt das einzige Blatt, dass die Sache ganz aufklärt mit dem Hinweis auf die sogenannten „Time-out-dolls„, die in den USA einigermaßen populär sind. Apropos: Wie bescheuert die Scheinjournalisten wirklich sind, ergibt sich aus der Tatsache, dass irgendwann von „immer neuen Funden“ die Rede war, weil weitere Fotos der Puppe an anderen Orten im Volksgarten, im Südpark und auf dem Stoffeler Friedhof auftauchten. Dass es ein und dieselbe Puppe war, die von irgendwelchen Leuten quer und rundherum getragen und abgelegt wurde, darauf kam keiner der Finken.

Volkes Stimme
Bei allem Grinsen über die Unfähigkeit der Mitarbeiter der genannten (und anderer) Zeitungen steht die Sache doch für etwas sehr Gefährliches. Denn es gehört mittlerweile zum Medienalltag, dass Journalisten Gerüchte oder steile Meinungen erfinden, streuen, um sie dann wieder aufzunehmen und als Volkes Stimme auszugeben. Dies ist beispielsweise rund um die Lokführer-Streiks der Fall, aber auch in vielen Fällen, wo von „Wutbürgern“ geschwafelt wird, man aber keinen einzigen Bürger findet, der diese Wut tatsächlich in sich trägt. Dass Medien Meinungen machen, war schon immer so, dass sie dies aber verschleiern, ist widerwärtig.

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