Porträt · Es ist ja ohnehin eine gute Idee, ab und an mal über den alten Golzheimer Friedhof zu flanieren, dieser Oase der Ruhe und des Friedens zwischen der lauten und hektischen B1 und der ebenso lauten und hektischen Fischerstraße. Unter sehr alten Bäumen stehen und liegen verstreut Grabmale und Gedenksteine. Bei manchen kann man die Inschrift noch lesen, bei anderen sind die Zeichen längst verblasst. Einige tragen nur Spuren des Alters, andere sind vermoost, verwittert und geborsten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts mitten im gewaltigen Wachstum der Stadt hat man mit der Klever Straße eine rücksichtlose Schneise durch den Friedhof geschlagen und dafür einige Dutzend Gräber umgebettet. Heute findet man einer Ecke eine Stele zu Ehren der Menschen, die einen Suizid begangen haben, und einen Gedenkstein für Fritz von Wizewsky, einen Schulfreund unseres großen Heinrich Heine. [Lesezeit ca. 3 min]
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Den Hintergrund klärt dieses Heine-Gedicht aus dem „Buch Le Grand“, Kapitel VI., im Gedicht „Erinnerung“:
Auch der kleine Wilhelm liegt dort (auf dem Kirchhofe), und daran bin ich schuld. Wir waren Schulkameraden im Franziskanerkloster (zu Düsseldorf) und spielten auf jener Seite desselben, wo zwischen steinernen Mauern die Düssel fließt, und ich sagte: „Wilhelm, hol doch das Kätzchen, das eben hineingefallen“ – und lustig stieg er hinab auf das Brett, das über dem Bach lag, riß das Kätzchen aus dem Wasser, fiel aber selbst hinein, und als man ihn herauszog, war er naß und tot. – Das Kätzchen hat noch lange Zeit gelebt.
Bei diesem kleinen Wilhelm handelt es sich um den erwähnten Fritz von Wizewsky, der tatsächlich gemeinsam mit Heine auf die Schule des Franziskanerklosters ging, tatsächlich ertrank und auf dem Golzheimer Friedhof beigesetzt wurde. Ob sich die Sache so zugetragen hat wie Harry Heine sie beschreibt, ist unbekannt. Als Düsseldorfer:in denkt man sofort, ah ja, das Franziskanerkloster, das war doch an der Kloster-/Oststraße, das gibt es nicht mehr, da hat man jetzt was Neues gebaut. Tatsächlich aber lag das ursprüngliche, 1651 von den Franziskanern gegründete Kloster auf der südlichen Zitadelle in der Nähe des Berger Tors, etwa da, wo heute die Citadell- auf die Schulstraße trifft. Die südliche Düssel speist bis heute den Spee’schen Graben und floß damals in Mauern gefasst quer zur Schulstraße zur Mündung in den Rhein etwa auf Höhe des Hauses Rathausufer 16-17. Heute fließt das Flüsschen vom Stadtmuseum aus durch Rohrleitungen bis zur Mündung.
Dass also zwei ächte Düsseldorfer Buben in ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hier an der Düssel spielten, dass ein Kätzchen in den Bach gefallen ist und dass einer der Knaben sich aufmachte, das Tier zu retten, ist ein realistisches Szenario. Ob der Harry den Fritz tatsächlich angestachelt hat, sich für die Katze in Gefahr zu bringen, weiß niemand. Kann gut sein, dass Heine – wie es seine Art war – ein Geschehen, das ihn betraf – Fritz aka Wilhelm war sein Schulfreund -, direkt auf sich bezog, um der Sache Spannung und Dramatik zu verleihen.
Nach allem, was man weiß, war die calvinistische Adelsfamilie von Wizewsky in Düsseldorf zugewandert und wohnte im Haus „En de Canon“ an der Zollstraße. Fritz war also Altstädter wie Heine selbst. Gesichert ist dagegen, dass auf dem Friedhof kein Grabstein für ihn aufgestellt wurde, vermutlich weil die Familie noch keine eigene Grabstätte besaß und man den siebenjährigen Jungen später in das Familiengrab umbetten wollte. Deshalb ist die einzige Spur des kleinen Wilhelm das zitierte Gedicht seines Schulfreunds Harry Heine.
Ein Kommentar
Diesen Friedhof besuchen mein Frau und ich gelegentlich und immer mit einem angenehmen Gefühl. Mitten in einer verkehrsreichsten Gegenden von Düsseldorf sind wir immer erstaunt, was für eine angenehme Ruhe und beschauliche Atmosphäre dort herrscht.
Wenn ich mich richtig erinnere, war doch vor gar nicht so langer Zeit mal im Gespräch, diesen Ort zu verkleinern oder ganz zu „vernichten“ (oder zu verlagern). Ich hoffe, die Stadtplaner lassen dauerhaft die Finger von diesem malerischen Ort.