Sie kennen Chongqing? Eine nicht repräsentative Umfrage unter den als weltoffen bekannten Düsseldorfern ergab: Nur wenige Bürger der schönsten Stadt am Rhein wissen mit diesem 30-Millionen-Einwohner-Konglomerat in Zentralchina etwas anzufangen. Dabei ist Chongqing einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsstandorte der Welt, ein Knotenpunkt der sogenannten „Neuen Seidenstraße“ und eben Partnerstadt Düsseldorfs. Immer noch ist es schwierig zu beschreiben, was genau diese „Stadt“ eigentlich ist. Verwaltungstechnisch gilt sie als „regierungsunmittelbare Stadt“, ist also direkt der chinesischen Regierung unterstellt und durch Eingemeindungen in der gesamten Region seit 2004 um gut fast Fünffache gewachsen.
Wie Düsseldorf mit dem Rhein ist das eigentliche Chongquing aufs Engste mit dem großen Fluss, dem Jangtsekiang, verbunden. Der wurde bekanntlich durch den „Drei-Schluchten-Damm“ aufgestaut, wobei sich dessen Stausee über eine Länge von fast 600 Kilometer bis nach Chongqing erstreckt. Durch das heftig umstrittene Staudammprojekt wurde der „Lange Fluss“ durchgehend von der Region Sechuan bis nach Shanghai auch für größere Schiffe befahrbar. Weil Chongqing in einer an Bodenschätzen ausgesprochen reichen Gegend liegt und eine der ersten Städte Chinas mit ausgeprägter Industrialisierung war, bildet das Konglomerat heute den vielleicht wichtigsten Wirtschaftsraum der gesamten Volksrepublik China. Viele existierende Verbindungen zwischen China und Deutschland wurden in der Zeit nach der Kulturrevolution in Nordrhein-Westfalen begründet; so hat es seit etwa 1980 zahlreiche Kooperationen zwischen Unternehmen des Ruhrgebiets und chinesischen Industriebetrieben gegeben. Und weil Düsseldorf bekanntlich „Schreibtisch des Ruhrgebiets“ war (und teilweise heute noch ist), wurden viele deutsch-chinesische Vereinbarungen in der NRW-Landeshauptstadt verhandelt und fixiert. Besonders eng sind seit vielen Jahren die Beziehungen zwischen dem Ruhrgebiet sowie Düsseldorf und der Region Chongqing. Kein Wunder also, dass 2004 eine Städtepartnerschaft zwischen den beiden Städten geschlossen wurde. Um ehrlich zu sein: Touristisch hat Chongqing wenig zu bieten – außer als Ausgangspunkt für Kreuzfahrten auf dem Jangtsekiang gibt es wenig Grund, privat dorthin zu reisen. Vom ursprünglichen Chongqing, dessen Geschichte mindestens bis ins dritte vorchristliche Jahrhundert zurückreicht und das über diese mehr als 2.000 Jahre mehrere Blütezeiten erlebte, ist praktisch nicht erhalten. Kulturell sieht es ähnlich aus. Allein die Tatsache, dass täglich(!) um die 6.000 Menschen aus der gesamten Volksrepublik nach Chongqingziehen, führt dazu, dass es immer mehr chinesische Künstler in der Stadt gibt. Ansonsten geht es in dieser Mega-City hauptsächlich um Produktion und Handel.Mit der 1997 getroffenen Entscheidung, fast das ganze östliche Sechuan mit der eigentlichen Stadt Chongquing zu einer „regierungsunmittebaren Stadt“ zu vereinen, wurden die Weichen für ihre Rolle als eines von fünf Wirtschaftszentren des Landes gestellt. Inzwischen umfasst Chongqing fast die Größe Österreichs und gilt laut UNO als die bevölkerungsreichste Stadt der Erde. Die Bedeutung des Konglomerats ist dadurch weiter gestiegen, dass Chongqing bei der Realisierung der „Neuen Seidenstraße“ eine entscheidende Rolle spielen wird. Das Projekt, in die der chinesische Staat 900 Milliarden Dollar investiert, basiert auf einer durchgehenden Eisenbahnstrecke von Chongqing bis nach Duisburg, die sich am Handelskorridor der historischen Seidenstraße orientiert.
Wobei diese neue Seidenstraße nur ein Teilprojekt einer Initiative namens „Belt and Road“ ist, die den Auf- und Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastruktur-Netze zwischen der Volksrepublik und insgesamt 64 weiteren Ländern in Asien, Europa und auch Afrika anstrebt. Damit soll die wirtschaftliche Macht der Volksrepublik China weiter zementiert werden. Weil Chongqing, wie erwähnt, einer der wichtigsten Knoten in diesem Netz sein wird, ist Düsseldorf über die Städtepartnerschaft unmittelbar mit dieser Initiative verbunden.
[Fotos: Skyline – Oliver Ren via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0; Drei-Schluchten-Damm-Museum – Zhangzhugang via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0]