Natürlich hatte man die Einwohner der drittgrößten Stadt Sachsen nicht gefragt, als das Zentralkommitee der SED der Regierung der DDR empfahl, den traditionsreichen Ort zum Karl-Marx-Jahr 1953 umzubenennen, sodass dieser fürderhin den Namen des Erfinders von Sozialismus und Kommunismus tragen sollte. So wurde aus Chemnitz eben Karl-Marx-Stadt. Und so wie der Bewohner der Deutschen Demokratischen Republik, deren Vorturner den Sozialismus für diesen Staat anstrebten, sich an Vieles gewöhnten, so gewöhnten sich auch die Chemnitzer an den Namen, den die Coolen unter den DDRler gern „KMS“ abkürzten. Als sich der marode Staat der Honeckers und Mielkes ab November 1989 selbst auflöste, beschloss der neue, demokratische Stadtrat, dass Chemnitz wieder seinen schönen, alten Namen tragen sollte; dieses Mal nach einer Bürgerbefragung, bei der sich 76 Prozent der Leute gegen KMS entschieden hatten.
37 Jahre lang
Also hatte der Name – Umbenennung nach großen Sozialisten waren vor allem in der UdSSR ziemlich angesagt, man denke nur an Leningrad – kaum 37 Jahre Bestand. Das 1971 errichtete Karl-Marx-Monument im Herzen der Stadt, das die Chemnitzer meist einfach den „Kopp“ „Nischl“ nennen, durfte bleiben und ist bis heute das vermutlich bekannteste Wahrzeichen der Stadt. Hier trifft man sich, hier finden auch Demonstrationen statt. Wie die vom 26. und 27. August sowie am 1. September 2018, bei der nach einer Messerstecherei mit tödlichem Ausgang angeblich besorgte Bürger ihrer Wut, Trauer und Angst Ausdruck verleihen wollten, aber auf ganzer Linie auf die Propaganda diverser rechtsextremer, rechtsradikaler und rassistischer Gruppierungen und den Rechtsaußen der AfD hereinfielen. Es kam zu Hetzjagden auf Menschen, die nicht biodeutsch aussahen, die der damalige Verfassungsschutz Präsident Maaßen aber nicht sah und sich dazu mehrfach öffentlich äußerte, sodass er am Ende seinen Job verlor.
Zentral genehmigte Partnerschaften
Immer mehr westdeutsche Städte bemühten sich in der Folge um eine solche Ausnahme; Mitte 1986 war es rund 300, ein Jahr später schon 500. Abgelehnt oder genehmigt wurden diese Anträge von der DDR-Regierung, die Verantwortlichen in den Orten wurden nicht gefragt. Soweit man weiß, waren die alten SED-Männer nicht besonders scharf auf solche Partnerschaften und folgten nur widerwillig der Linie von Gorbatschow, der bereits ganz zu Beginn der Perestroika dazu aufgerufen hatte, dass sich die Städte des Ostblocks international vernetzen sollten. Zur zweiten Welle der bundesdeutschen Orte, die sich mit Partnern in der DDR vernetzen wollten, zählte auch Düsseldorf. Also fragte der damalige OB Klaus Bungert bei der DDR-Spitze an, ob man sich mit Karl-Marx-Stadt verbinden dürfe. Warum es ausgerechnet diese sächsische Großstadt sein sollte, ist im Grau der Geschichte verschwunden.Düsseldorf war damit unter den ersten zwanzig Städten der BRD, die eine solche Verbindung in Richtung DDR installierten. Jedenfalls wurde die Städtepartnerschaft Mitte 1988 offiziell besiegelt und hatte auch über die Wende hinweg Bestand. Ja, verschiedene städtische Organe halfen den demokratisch gewählten Vertreter der wieder Chemnitz heißenden Stadt, die notwendigen Strukturen wieder aufzubauen – sowohl personell, als auch finanziell. Noch heute besteht ein reger Austausch der Stadtverwaltungen in Fachfragen. Besonders intensiv wird die Städtepartnerschaft allerdings nicht: Man lädt sich gegenseitig zu Stadtfesten ein, und im Breitensport gibt es regelmäßig Begegnungen.
[Fotos: Der Kopp – Zairon via Wikimedia unter der Lizenz CC0 1.0; Kraftklub – Chris W. Braunschweiger via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0; Schlossteich – Kora27 via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0]