Ungewöhnlich großes Interesse fand kürzlich unser Artikel über „Die Legende von der umweltschädlichen Binnenschifffahrt„. Immer wieder wurde angemerkt, dass gerade Binnenschiffe in Sachen Luftverschmutzung ein großes Problem darstellen, weil noch sehr viele ältere Diesel-Maschinen ohne Partikelfilter und andere Vorrichtungen zur Emissionsverringerung unterwegs sind. Tatsächlich ist vielen staatlichen und nicht-staatlichen Institutionen, vor allem in den Anrainerstaaten von Rhein, Maas und Schelde dieses Problem bewusst. Deshalb haben die Politik in Belgien, den Niederlanden und Deutschland sowie die EU verschiedene Initiativen in Richtung emissionsarme und emissionsfreie Binnenschifffahrt gestartet. Die Technologie ist übrigens schon viel weiter als allgemein bekannt. Neben dem reinen Elektroantrieb steht vor allem die Wasserstofftechnologie im Zentrum der Forschung und der praktischen Erprobung.

Das Port-Liner-Projekt - ab 2019 Realität (Abb.: NLDF)

Das Port-Liner-Projekt – ab 2019 Realität (Abb.: NLDF)

Binnenschifffahrt – das Magazin für Technik und Logistik“ hat dem Thema im Januar 2018 einen größeren Artikel gewidmet, der den konkreten Stand der Dinge beschreibt. Weit fortgeschritten ist das Projekt der vollelektrischen Schiffe der Port-Liner B.V., einem Unternehmen der Van-Meegen-Gruppe. Derzeit sind insgesamt elf Schiffe im Bau, die ab 2019 vor allem auf den Kanälen zwischen den belgischen (vor allem Antwerpen) und den niederländischen Nordseehäfen (vor allem Rotterdam) verkehren sollen. Auch auf den Wasserwegen von und nach Amsterdam und Duisburg sollen diese Schiffe eingesetzt werden.

Wie die „Binnenschifffahrt“ schreibt werden fünf „kleine“ Schiffe mit je 52 Metern Länge und 6,7 Metern Breite zum Stückpreis von je 1,5 Millionen Euro sowie sechs „große“ Schiffe mit 110 Metern Länge gebaut. Die Schiffe sollen zunächst im festen Linienverkehr zwischen Stationen verkehren, in denen die Akku-Pakete aufgeladen werden können – z.B. zwischen Budel und Antwerpen. Jedes der kleineren E-Schiffe kann bis zu 24 Standardcontainer oder 425 Tonnen Bulk-Ladung transportieren, sodass die kleine Flotte pro Jahr 23.000 Lkw-Touren ersetzen kann. Die Flotte der größeren E-Schiffe wird inklusive Akkus und Ladestationen rund 55 Millionen Euro kosten. Das Projekt wird mit EU-Mitteln gefördert. Beweisen soll es die Alltagstauglichkeit von vollelektrischen Binnenschiffe, aber schon jetzt weist das Projekt auf ein großes Problem hin: den Aufbau einer flächendeckenden Aufladelogistik.

Airi El, das vollelektrische ASV (Foto: Volvo Penta)

Airi El, das vollelektrische ASV (Foto: Volvo Penta)

Deshalb scheint sich der akku-elektrische Antrieb vor allem für Fähren und Shuttle-Boote zu eignen, die a) immer dieselbe b) relativ kurze Strecke zurücklegen und nicht 24 Stunden am Stück unterwegs sein müssen. Bereits seit über drei Jahren läuft ein BB Green Demonstrator namens Airi El, ein Passagierschiff, das bis zu 70 Passagiere plus maximal 20 Fahrräder mit einer Geschwindigkeit von bis zu 22 Knoten transportieren kann. Als ASV (air supported vessel) fährt das Schiff ab einer gewissen Geschwindigkeit auf einer Lufthülle unter dem Rumpf besonders energiesparend. An diesem Projekt sind mehrere Unternehmen und Organisationen aus den Niederlanden, Schweden, Norwegen und Litauen beteiligt.

Die MS Innogy auf dem Baldeneysee in Essen

Die MS Innogy auf dem Baldeneysee in Essen

Stand jetzt ist H2 als Treibstoff flexibler. Wasserstoff kann nämlich einerseits zum Betrieb von Brennstoffzellen, die Strom liefern, eingesetzt werden, andererseits aber auch als Kraftstoff für Verbrennungsmotoren. Das Leuchtturmprojekt MS Innogy, ein Boot, das auf dem Essener Baldeneysee Personen befördert, läuft mit einer Brennstoffzelle und zwei E-Motoren, wobei hier Methanol als Kraftstoff zum Einsatz kommt, der in einem Mini-Kraftwerk erzeugt wird. Die MS Innogy ist bereits seit dem August 2017 im regelmäßigen Betrieb und bislang völlig störungsfrei.

Das Wasserstoffboot - die Hydroville der CMB (Foto: dVO)

Das Wasserstoffboot – die Hydroville der CMB (Foto: dVO)

Die Compagnie Maritime Belge (CMB) betreibt seit November 2017 einen 14-Meter-Katamaran namens Hydroville, in dem Wasserstoff in zwei Bi-Fuel-Verbrennungsmotoren (H2ICED) mit insgesamt 441 Kilowatt als Treibstoff genutzt wird. Der Wasserstoff wird in zwölf Tanks bei 200 Bar Druck gebunkert. Außerdem gibt es zwei Tanks für normalen Diesel. Auf dem Boot, das auf der Schelde als Shuttle für CMB-Mitarbeiter eingesetzt wird, haben 16 Personen Platz. CMB erwartet von diesem Pilotprojekt vor allem Erkenntnisse darüber, ob Schiffsdiesel der aktuellen Generation auf Bi-Fuel-Betrieb umgerüstet für den praktischen Betrieb taugen.

Gebündelt werden die Ergebnisse der verschiedenen Pilotprojekte im Projekt MariGreen, das von der Interreg Deutschland-Nederland und der EU gefördert eine Machbarkeitsstudie über den Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff in der Binnenschifffahrt erstellen wird.

Es ist also Bewegung im Thema. Besonders in der Maas-Schelde-Rhein-Region. Dass eine vollständige Abkehr vom alten Schiffsdiesel, womöglich ohne Partikelfilter und Abgasreinigung nicht von heute auf morgen geht, dürfte jedem klar sein. Zumal Binnenschiffe im Frachtverkehr und ihre Maschinen durchweg viele, viele Betriebsjahre überstehen und auch überstehen müssen, um rentabel fahren zu können. Deshalb könnte die Umrüstung von moderneren Dieselmaschinen auf den Betrieb mit Wasserstoff der Königsweg zum Umstieg auf die emissionsarme und emissionsfreie Binnenschifffahrt sein. Das Rhein-Magazin bleibt am Thema und wird regelmäßig über den Stand der Dinge berichten.

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