Wenn man an die Hanse, den Handelsbund von bis zu 200 freien Städten in den nördlichen Teilen Deutschlands, der von Mitte des 12. Jahrhunderts bis Ende des 17. Jahrhunderts bestand, denkt, dann fallen einem vor allem die Orte ein, die am Anfang ihres Kfz-Kennzeichens ein „H“ tragen. Das sind schon seit Langem Bremen, Hamburg und Lübeck, nach der Wende kamen Rostock, Greifswald, Stralsund und Wismar hinzu. Deshalb verbinden die meisten Menschen die Hanse mit der Nord- und Ostseeküste. Tatsächlich reichte das Gebiet der Städtevereinigung bis weit weg vom Meer nach Süden und Osten. Tatsächlich waren in unserer Region auch die Städte Köln, Neuss und Duisburg Hansestädte, dazu Orte am Niederrhein wie Dinslaken, Wesel und Emmerich.
Literarisch und in der Folge filmisch wurde schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts ein deutlich idealisiertes Bild der Hanse gezeichnet. Von einem Bund freier Kaufleute ist da die Rede, von einer Instituion, die seit dem Ende des Mittelalters Handelshemmnisse in Europa überwand und so ein Teil des Fortschritts war. Tatsächlich handelte es sich eher um ein informelles Zwangsbündnis. Verträge gab es nicht. Was galt, wurde auf dem einmal jährlichen Hanse-Tag von durch nichts und niemanden legitimierten Kaufleuten festgelegt. Es ging gerade im 15. und 16. Jahrhundert in erster Linie darum, konkurrierende Städte außerhalb der Region auszuschließen, vor allem in Skandinavien, Großbritannien und Frankreich.
Und so konnte der Hanse-Tag mit seinen Entscheidungen massiv Einfluss auf die Politik seiner Mitgliedsstädte nehmen, besonders auf deren Handels- und Wirtschaftspolitik. Insofern war es gerade für die Handelsmetropole Köln, aber auch für Neuss und Duisburg geradezu überlebenswichtig, Teil der Hanse zu sein und zu blieben. Schließlich waren es nicht irgendwelche feudalen Fürstentümer, die über den Handel bestimmten, sondern die freien Reichsstädte. In dem Maße aber, in dem die Bedeutung und Macht der Regionalstaaten zunahm, verlor die Hanse ihre Bedeutung. 1669 war sie dann nach 400 Jahren nur noch ein Name ohne wirklichen Inhalt. Bemühungen seit etwa 1980 unter dem Namen „Hanse“ grenzüberschreitende Wirtschaftsbündnisse zu kreieren, haben letztlich eher symbolischen Charakter und dienen in der Realität vor allem der Förderung des europäischen Gedankens. Mit der Zugehörigkeit der Stadt Köln zur Hanse hat es eine besondere Bewandtnis, denn die alte Römerstadt gehörte einerseits zu den Initiatoren des Bündnisses, andererseits zu den letzten neuen Städten, die sich bis 1669 noch als Teil der Hanse verstanden. Zu Beginn der Hanse war der Zweck der Vereinigung in erster Linie der Schutz der Handelswege und der Reisenden, denn im 12. Jahrhundert waren Händler den vielen, vielen Räubern und Wegelagerer fast schutzlos ausgeliefert. Die Idee war, dass die Städte für die Bewachung der Straßen und Flüsse sorgen, dass am Ende ein Netz aus geschützten Wegen den Handel sicherer machen würde. Die Aufgabe der freien Stadt Köln war es da natürlich, den Rhein zu sichern. Und tatsächlich war der mächtige Strom nördlich des „Gebirges“ bis zur Küste in den Niederlanden schon damals ein wichtiger Handelsweg. So wundert es nicht, dass nach und nach weitere Anliegerstädte – Neuss, Duisburg, Dinslaken, Wesel, Emmerich, Nimwegen und Dordrecht nach und nach Teil der Hanse wurden.Bis 1945 trug Köln offiziell den Titel „Hansestadt“, denn das nationalsozialistische Regime hatte in den zwölf Jahren seiner Herrschaft auch diesen Begriff im völkischen Sinn gekapert und interpretierte den Handelsbund als urdeutsche Idee – was historisch Blödsinn ist. Denn die Kaufleute, die ihre jeweilige Stadt im Hansebund vertraten, zählten durchaus nicht immer zu alteingessenen Familien. Im Gegenteil: Städte wurden damals schon als „Standorte“ verstanden, und nicht wenige englische, dänische und schwedische Kaufmannsfamilien hatten Niederlassungen in Lübeck, Hamburg, Bremen oder auch Köln gegründet und wurden so Teil der Hanse. Man kann auch sagen: Die Hanse, auch am Rhein, nahm die Globalisierung vorweg.